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Mit „Erebos“ ist Ursula Poznanski vor acht Jahren ein kleiner Geniestreich gelungen. Ein mitreißender, innovativer Jugend-Cyberthriller, der mit der detaillierten Beschreibung eines actiongeladenen Fantasy-Computerspiels überraschte und damit extrem nah an die Zielgruppe rückte, ihre Sprache und Interessen in authentischer Weise aufgriff.

Wenn eine Autorin die Latte derart hoch legt, sind die Erwartungen natürlich riesig. Auch bei mir. Und, um es vorweg zu nehmen: Im direkten Vergleich kann „Erebos 2“ nicht mithalten. Der Nachfolger ist unterhaltsam, gut geschrieben, größtenteils auch spannend. Aber nicht so dicht, schlüssig und frisch wie der Vorgänger.

Ten years after…..

Genau wie in der Realität sind im Buch einige Jahre vergangen, seit Erebos Spieler rekrutiert und sie auf Ortolan angesetzt hat. Die Schüler von früher

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stehen mit beiden Beinen im Berufsleben oder sind auf dem Weg dorthin – wie Nick, der sich sein Studium mit Fotojobs finanziert. Aber plötzlich ist Erebos zurück, installiert sich von selbst auf Nicks Handy und Computer und pfuscht in dessen Angelegenheiten herum. Und nicht nur dort: Auch bei dem 16jährigen Derek und anderen taucht Erebos auf. Mächtiger denn je. Nur: Welchen Plan verfolgt es dieses Mal? Und wer hat Erebos reaktiviert?

Big Erebos is watching you

Gerade der Anfang ist toll gelungen. Die mysteriöse Aura, die kleinen Déjà-vus. Ich fand es großartig, alte Bekannte wiederzutreffen. Man ist sofort mittendrin und die beiden Erzählperspektiven – Nick und Derek – sorgen erstmal für Abwechslung. Während Nick Erebos am liebsten sofort wieder loswerden möchte, lässt sich Derek von dem Spiel locker ködern. Dabei fügen sich die Charaktere aber nicht ganz so perfekt in das Geschehen ein, wie im ersten Teil. Von Nick hätte ich aufgrund seiner Erfahrungen und seines Alters mehr Widerstand erwartet. Mehr Ausgebufftheit, mehr Biss! Und Derek war mir teilweise etwas zu gutgläubig.

Was natürlich besonders reizt, sind die neuen (gruseligen und durchaus denkbaren) Fähigkeiten von Erebos. Im Zeitalter der totalen Vernetzung sind sie nahezu unbegrenzt. Nur kommen im Laufe der Geschichte ausgerechnet die technischen Aspekte zu kurz. Erebos hat eine ganze Menge Tricks auf Lager, schöpft seine Möglichkeiten aber nicht annähernd aus. Und wie es die Manipulationen im Detail bewerkstelligt, bleibt ebenfalls offen. Erebos kann alles und weiß alles. Basta!

Die Fantasywelt von Erebos ist zwar wieder eine tolle Kulisse, die Faszination aber nicht so groß wie vor acht Jahren. Vielleicht, weil vieles ähnlich ist, weil  man ahnt, dass sich am Ende ohnehin alles in der realen Welt auflöst. So wird es im Mittelteil dann fast etwas eintönig. Kämpfe – Aufträge – Belohnungen – Strafen. Was dahinter steckt, ist lange Zeit unklar und hinter vielen poznanski-typischen kleinen Denksportaufgaben und Reimrätseln verborgen.

Pro, contra und dazwischen

Spannend wird es dann wieder gegen Ende, wenn die Geschichte nochmal Fahrt aufnimmt und die Protagonisten Stück für Stück der Wahrheit auf den Pelz rücken. Wie so oft wird die Auflösung wohl Geschmackssache sein. Ich fand sie okay, von der Thematik her realitätsnah, gleichzeitig aber auch sehr weit hergeholt.

Fazit: „Erebos 1“ ist ein Lieblingsbuch und als solches unübertroffen. Der Nachfolger kann unterhalten und lässt Fans dank alter Bekannter und einigen Parallelen in alter Erebos-Nostalgie schwelgen, schlägt aber lange nicht so ein, wie das Original.

Erebos 2 von Ursula Poznanski
Hardcover: 512 Seiten
Verlag: Loewe Verlag
Erscheinungsdatum: 14. August 2019
ISBN: 978-3743200494
Altersempfehlung: 14 – 17 Jahre

One Reply to “[Rezension] „Erebos 2“ von Ursula Poznanski”

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