"Gelöscht" von Teri Terry, Jugendbuch
Copyright: Coppenrath

Was sind Erinnerungen wert? Mir persönlich bedeuten sie
alles, denn sie haben mich zu diesem Menschen geformt, der ich jetzt bin. Sie
machen mich und mein Wesen aus und ohne sie würde ich mich wie eine seelenlose
Hülle fühlen. Für mich wäre es unvorstellbar, ohne meine Erinnerungen an meine
Familie, meine Kindheit, an die erste Party in meiner Jugendzeit, die erste
große Liebe, aber auch den ersten Verlust, weiterzuleben. Vielleicht könnte ich
mich auch nicht daran erinnern und würde somit nichts vermissen. Wahrscheinlich
würde ich trotzdem immer das Gefühl haben, dass irgendetwas fehlt, also eine
Art Phantomschmerz.

„Aber wie kann ich
wissen, wer ich jetzt bin, wenn ich nicht weiß, wer ich war?“
Seite 165

Für Kyla ist das eine sehr wichtige Frage. Kylas
Gedächtnis wurde gelöscht und ihre Erinnerungen sind für immer verloren. Kyla
wurde geslated. Im Jahre 2054 ist es eine gängige Methode, kriminelle Jugendliche
wieder in die Gesellschaft zu integrieren. So erhofft sich die Regierung von
Großbritannien, die terroristischen Aktivitäten in ihrem sonst so gut
überwachten Land einzudämmen. Nach dem Slating muss Kyla alle Fähigkeiten neu
erlernen und sich in einer Familie eingewöhnen, die sie nicht kennt. Schwierig,
wenn die eigene wahre Identität ein großes Geheimnis birgt. Hinzu kommen die
nächtlichen Albträume, die ihr Erinnerungsfetzen aus ihrer Vergangenheit
zeigen, die sie eigentlich nicht wissen dürfte. Beim Versuch, die vorhandenen
Fetzen zusammenzusetzen, wird ihr eines klar:

„Wer Kyla auch
ist, es gibt noch eine andere Person, die sich in ihr versteckt. Und vor ihr
fürchte ich mich am allermeisten.“
Seite 170

Fasziniert von der Idee zu dieser Geschichte, machte ich
mich mit Kyla auf die Suche nach Antworten. Jedoch waren die nur sehr schwer
zu erlangen, denn genau wie Kyla, begibt sich der Leser völlig ahnungslos in
diese Handlung und bekommt immer nur kleine Bruchstücke zugeworfen, die es
zusammen zu setzen gilt. Es ist, als müsse der Leser alle Entwicklungsstufen
zusammen mit Kyla durchlaufen, denn wie alle Slater hat sie nicht nur ihre
Erinnerungen sondern auch alle erlernten Fähigkeiten verloren. Nun muss Kyla
und auch der Leser diese fremde Welt und das regierende Regime erforschen und
verstehen. Da die Autorin nur sehr zögerlich Informationen heraus gibt,  muss man als Leser sehr starke Nerven und
Ausdauer haben. Hinzu kommt, dass alle Figuren in diesem Buch sehr interessant
und undurchsichtig gestaltet sind und sich stetig entwickeln. Sie schleichen
sich in das Herz der Leser, wiegen ihn in Sicherheit, lassen ihn zweifeln und
enttäuschen ihn auch. Weil die sehr nervenaufreibende Handlung nie ins Stocken gerät,
wird es für den Leser nie zu langatmig oder Langweilig. Lediglich kurze
Atempausen werden ihm durch eine kleine Liebesgeschichte am Rande gegönnt. Sehr
überraschend und gut fand ich, dass „Gelöscht“ seine Spannung ins Unermessliche
steigern kann, ohne actionreiche oder gewalttätige Elemente auszukommen. Es ist
wie ein psychologisches Spiel mit dem Leser. Was einige vielleicht abschrecken
wird, ist das sehr offene Ende. Ich störe mich nicht daran, denn so bleibt eine
Geschichte länger in meinem Gedächtnis und ich finde schneller wieder ins
Geschehen, auch wenn man auf die Fortsetzung, wie in diesem Fall, fast ein
ganzes Jahr warten muss. Auch die Hintergründe dieser Geschichte waren durchweg
interessant und haben mich sehr nachdenklich werden lassen. Dieses zukünftige
fiktive Regime in Großbritannien ist nicht weit hergeholt. Die Menschen leben
dort in einem Überwachungsstaat und sind gläsern. Sie können sich
nicht frei bewegen ohne dass es dem Regime entgeht und jede unüberlegte
Handlung kann schreckliche Folgen haben. Ich kam nicht umhin Parallelen zur
heutigen Zeit zu finden, denn es gibt sehr starke Entwicklungen zum „gläsernen“
Bürger. Auch nach dem Lesen beschäftigte mich dieses Thema nachhaltig.

„Gelöscht“ von Teri Terry ist ein sehr gelungener und
spannender Auftakt zu einer neuen dystopischen Reihe, mit einer genialen Idee
zu einer Zukunftsvision.

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Gelöscht von Teri Terry
Gebundene Ausgabe: 431 Seiten 
Verlag: Coppenrath
Erscheinungsdatum: Juni 2013 
ISBN: 978-3649611837

12 Replies to “[Rezension] „Gelöscht“ von Teri Terry

  1. Huhu,

    das Buch steht im Moment auch ganz weit oben auf meiner Wunschliste. Wenn ich nur wüsste, wo ich die ganze Zeit hernehmen soll. Hm, tja und dann schon wieder eine Reihe. Weiß man eigentlich schon, aus wie vielen Büchern diese Reihe bestehen soll?

    Liebe Grüße
    MacBaylie

  2. Ah du hast es schon gelesen? Ich warte noch drauf! 🙂 Hatte bei Vorablesen die Leseprobe gelesen und war sofort geflasht, leider hatte ich da kein Glück, jetzt bekomme ich es aber über den Verlag! 🙂 Ich freue mich total drauf und deine tolle Rezi macht natürlich auch Lust auf mehr! 🙂
    Liebe Grüße Caro

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