"Wer Blut vergießt" von Deborah Crombie, Krimi
Copyright: Goldmann
Auch britische Kriminalisten führen ein modernes Privatleben: Während die Gattin, Detective Inspector Gemma Jones mit ihrer Assistentin Detective Sergeant Melody Talbot herauszufinden bemüht ist, wer die Prozessanwälte Vincent Arnott und Shaun Francis gefesselt, geknebelt und erdrosselt hat, nimmt Duncan Kincaid Elternzeit und hütet die quirligen Kinder der Patchworkfamily – nicht ohne neidischen Blick auf Gemma und nicht ohne Sorge um seinen eigenen Posten. Wie in den Folgen zuvor muss das inzwischen etablierte Scotland-Yard-Paar – es handelt sich um Band 15 der Reihe um Gemma und Kincaid – um ein bisschen gemeinsame Freizeit ringen. Und wie immer werden die Schilderungen des Familienalltags gekonnt mit denen der aktuellen Ermittlungen verbunden.

Die kommen nur mühsam voran. Zunächst will sich keine Verbindung zwischen den seltsamen Fällen herstellen lassen, vom erkennbaren Motiv eines Mörders ganz zu schwiegen, der die zwar unbeliebten aber unbescholtenen Anwälte auf dem Gewissen haben könnte. Doch gewohnt souverän und mit nie erlahmender Spannung erzählt Crombie einen Krimi, bei dem wie in einem Spinnennetz einzelne Fäden auf einen entscheidenden Punkt zusammenlaufen, an dem der Verbrecher dingfest gemacht werden kann.

Alle Spuren führen in den Londoner Bezirk Crystal Palace. Hier ist eine Musikerszene angesiedelt, in der ein brillanter Gitarrist, Andy Monaham, mitmischt und der gerade vor dem großen Durchbruch steht. Den sympathischen jungen Mann, auf den nebenbei auch Melody Talbot ein ganz und gar illegitimes Auge geworfen hat, quält ein dunkles Geheimnis… 
Crombies Erzählkunst verliert nie das Finale aus dem Blick, auch wenn sie sich scheinbar Nebensächlichem widmet – Sandwichbeläge eingeschlossen. Sie entwickelt ihre Figuren mit psychologischem Feingefühl, ohne psychologisierend zu werden; sie benennt Banales, ohne sich in Banalem zu verlieren; sie entwickelt Motive, die zwar ungewöhnlich, aber nie unglaubhaft erscheinen.
Den Kapiteln vorangestellt sind Zitate aus Berichten über den legendären Kristallpalast, den Joseph Paxton für die Weltausstellung 1851 entwarf und der dem Stadtviertel seinen Namen gab, bevor Crystal Palace 1936 durch einen Brand völlig zerstört wurde. Diese Passagen verleihen dem Buch etwas Liebevolles, das sich in den Details der von Laura Hartman Maestro gezeichneten Straßenkarte wiederfindet, die dem Leser erlaubt, mit ein bisschen Phantasie den Ermittlern zu folgen. Dass diese frierend und zumeist hungrig ihren Dienst versehen, versteht sich an einem kalten Januartag in London von selbst.
Manchem Leser werden Morde, Motive und das alltägliche Miteinander von Gemma und Duncan zu seicht, zu seriös, ja zu langweilig sein. Wer gut erzählte Krimis ohne Brutalität mag, darf sich auf einen gemütlichen Abend mit Sandwich, Tee und Straßenkarte freuen.

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Wer Blut vergießt von Deborah Crombie
Taschenbuch: 448 Seiten
Verlag: Goldmann/Randomhouse
Erscheinungsdatum: 15. Juli 2013
ISBN: 978-3-442-47466-0 

6 Replies to “[Rezension] „Wer Blut vergießt“ von Deborah Crombie

  1. Hm, ich kann mir irgendwie nicht recht vorstellen, dass es was für mich wäre. Nicht weil ich total versessen auf Blut und Todschlag bin, sondern eher weil mich dieses ganze Setting wahrscheinlich nicht so wirklich mitreißend würde. Ich fand deine Rezension sehr hilfreich 😀

    Liebst, Lotta

    1. Haha, ich weiß genau, was du meinst – Blut und Totschlag ist eben (siehe Fadyen und Co) oft mitreißender als die unblutigen Whodunnit-Geschichten. Aber ich mag das britische Flair und auch die Personen sind einem über die Jahre ans Herz gewachsen. Crombie lese ich nicht, um Herzrasen, sondern um Herzklopfen zu bekommen. 😉
      Aber deswegen schreibt man ja Leseeindrücke – damit andere für sich entscheiden können, ob es passt oder nicht.
      Vielen Dank für dein Feedback, Lotta!

      Liebste Grüße

  2. Hab von dieser Reihe die ersten 4 Bände gelesen, aber dann irgendwie nicht mehr weiter gelesen. Ich wusste gar nicht, dass es mittlerweile schon so viele Teile gibt. Vielleicht lese ich ja doch mal weiter.

    LG Michaela

    1. Wenn du auf englisches Flair stehst und das Emittlerduo in Herz geschlossen hast, musst du das unbedingt machen! Die Reihe lohnt sich und ein Muss für alle Krimiliebhaber. Aber dann am besten mit Band 5 weitermachen. 🙂

  3. Band 15 schon … meine Güte da ist mir einiges durch die Lappen gegangen bisher. Für mich war es aber gerade das, was ausmacht, das Leben neben dem Fall, was mich immer fasziniert hat. Also nach dieser Rezi werde ich die Lücke schnell schließen müssen.
    LG,
    Bri

    1. Ich finde das auch immer schön – oft sind es doch die Protagonisten, die einem ans Herz gewachsen sind, da spielt der Fall dann gar keine so große Rolle mehr. Im Gegenteil: Wenn es zu fancy wird, dann stört es eher die Harmonie und den Wunsch nach Altbekanntem… 🙂
      Also: Schließ die Lücke, und sag mir, was du denkst. 😉

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