"Memory Game - Erinnern ist tödlich" von Felicia Yap, Thriller
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Tiefstapeln war bei den Werbeversprechen jedenfalls nicht angesagt:
„High-Concept-Thriller“, „fesselnd wie GONE GIRL und dramatisch wie
ICH.DARF.NICHT.SCHLAFEN.“, „faszinierend, philosophisch und hochspannend“. Geschrieben
wurde dieses Meisterwerk noch dazu von einer Wissenschaftlerin der Biochemie,
Historikerin, Kritikerin und Journalistin. Was kann denn da noch schief
gehen?, dachte ich mir. 

Die Handlung klang auch interessant: Denn in „Memory Game – Erinnern ist tödlich“
von Felicia Yap geht es um eine Gesellschaft,
die sich in Monos und Duos teilt. Die Erinnerung der Monos reicht nur 24
Stunden zurück, die der Duos volle zwei Tage. In dieses Szenario
platziert die Autorin den Mord an einer Blondine und rückt mit Mark und
Claire ein Duo-Mono-Ehepaar ins Zentrum der Ermittlungen. Kommissar Richardson muss den Fall schnell lösen, weil
sich Täter und Zeugen sonst nicht mehr an die Tat erinnern können oder
wollen.

Leider kam die Ernüchterung ziemlich schnell. Das Buch ist ein gelungenes Beispiel dafür, wie man mit dem Ziel, etwas Neues auf den Weg zu bringen, grandios scheitern kann. Enttäuschung Nummer 1: Kein ausgetüfteltes Zukunftsszenario, sondern eine hauchdünne Parallelwelt anno 2015. Tatsächlich hatte ich den Eindruck, diese Welt unterscheidet sich kaum von unserer heutigen. Entweder lernen die Leute alle wichtigen Fakten sorgsam auswendig, wodurch diese ins Langzeitgedächtnis gelangen und abrufbar sind (wo auch immer die Grenze zur normalen Erinnerung liegt) oder aber sie werfen einen Blick in ihr iDiary und sagen dann Sachen wie „laut meinem Tagebuch habe ich gestern dieses und jenes gemacht“ oder „mein Tagebuch sagt, ich habe diese Frau nicht gekannt“. Psychologische Spannung? Nada!

Die Autorin lenkt ihren Blick kaum über den Tellerrand ihres Duo-Mono-Pärchens und den Mordfall hinweg – der gesamte gesellschaftsrelevante Aspekt spielte so gut wie keine Rolle. Ab und zu werden Vorurteile und Diskriminierung zwischen den beiden Gruppen erwähnt – aber Yap beschränkt sich auf oberflächliche Scharmützel, die platt und plakativ wirken. Die Charaktere äußern immer mal wieder, dass sie (die Duos) die Monos für beschränkt halten oder sie (die Monos) teilen dem Leser mit, wie arrogant sie die Duos finden. Bei geringsten Hinweisen, dass sich jemand an ALLES erinnern kann (was vorkommt), landen die Betreffenden in der Psychiatrie und werden für Jahre weggesperrt. Psychologische Spannung? Auch hier nicht!

Ich habe ehrlich gesagt auch nicht verstanden, wo das Problem überhaupt liegt, weil ja offenbar alles ganz leicht auswendig gelernt oder im iDiary nachgeschlagen werden kann und somit kaum Unterschiede zwischen Duos und Monos bestehen dürften. 24 Stunden + sind nun auch nicht die Welt. Das kam mir alles reichlich paranoid vor. Zu Beginn einiger Kapitel sind Ausschnitte aus Zeitungsartikeln oder Gesetzen eingefügt, diese bieten aber kaum weitere Erkenntnisse und schienen mir daher sogar überflüssig.


Ohnehin entfernte sich der Plot schnell vom versprochenen Thriller zu einer Art Ehedrama. Eine „unglaublich fesselnde“ Handlung konnte ich nicht finden. Der Schreibstil ist soweit in Ordnung, allerdings eher schlicht und teilweise explizit und derb. Was mich einige Nerven gekostet hat, waren die endlosen Nebensächlichkeiten, die mit einflossen. Alles ist sehr umständlich und ausholend, aber seitenweise völlig belanglos.

„Mann: Könnten Sie mir bitte sagen, wo Sie sich zwischen dem Abend des Balls und ihrem Wiederauftauchen aufgehalten haben?
Frau: Das ist ein Geheimnis.
Mann: Was ist ihnen in diesen neunzehn Tagen widerfahren?
Frau: Diverse Dinge. Alles Mögliche. (…)
Mann: Aber was genau?
Frau: Habe ich nicht gerade gesagt, dass das ein Geheimnis ist?“ (Zitat, S. 226/227)

Irgendwie habe ich es geschafft, mich bis zum Ende vorzuarbeiten. Aber die Story zog sich – obwohl lediglich ein Zeitraum von 24
Stunden behandelt wird – wie Kaugummi, mit Wendungen nach Schema F und Charakteren, die stereotyp aufs Papier
geworfen wurden, mehreren heißen Blondinen, einem Marlboro rauchenden
Kommissar. Stück für Stück finden die Figuren heraus, wie es zum Tod der Frau gekommen ist. Dabei ließen mich die Gedankengänge mitunter ernsthaft am Alter (um die 40!) und Verstand aller Beteiligten zweifeln. Nach dem Motto: Schaue ich doch nochmal eben im iDiary nach, wie mein Mann und ich uns kennengelernt haben. Huch! So war das? Mein Mann ist in Wahrheit ja ein fieser, widerlicher Typ. Immerhin das Ende, so hoffte ich, würde doch wohl hoffentlich
ein kleiner Lichtblick sein, aber was die Autorin hier aus dem Hut zaubert, grenzt für mich an einer schlechten Vorabend-Soap.
Fazit: “Memory Game – Erinnern ist tödlich“ versprach einen Mix aus originellem Weltenentwurf
und fesselndem Thriller, blieb für mich aber Galaxien hinter den
Erwartungen zurück. Charaktere ohne Tiefgang, ein schlichter Schreibstil, ein mageres Setting und Twists nach der Schablone. Für mich leider ein unterdurchschnittliches, extrem langweiliges Buch. Mein iDiary würde sagen: „Meh!“

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Memory Game – Erinnern ist tödlich von Felicia Yap
Originaltitel: The Day after Yesterday
Übersetzung: Bettina Spangler
Broschiert: 448 Seiten
Verlag: Penhaligon Verlag
Erscheinungsdatum: 25. September 2017
ISBN-13: 978-3764531829

One Reply to “[Rezension] „Memory Game – Erinnern ist tödlich“ von Felicia Yap”

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