"Das Fieber" von Makiia Lucier, Jugendbuch
Copyright: Königskinder Verlag

Das wird eine nicht ganz einfache Rezension. Zunächst vielleicht soviel: Ich habe „Das Fieber“ von Makiia Lucier grundsätzlich gerne gelesen und viel darüber nachgedacht. Allerdings nicht unbedingt, weil die Protagonisten so stark gewesen wären, sondern weil die Autorin eine historische Zeitspanne beschreibt, die einen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Als Thema hat sie die heiße Phase der Spanischen Grippe im Jahr 1918 gewählt. In einem Nachwort erfährt der Leser dazu die wichtigsten Fakten. 30-50 Millionen Menschen sind damals weltweit an der Grippe verstorben. Betroffen waren vor allem Kinder und junge Menschen zwischen 20 und 40 Jahren.

Mit ihrer Protagonistin Cleo Berry wollte die Autorin all jenen mutigen Helfern ein kleines Denkmal setzen, die die Ärzte und Hilfsorganisationen trotz Ansteckungsgefahr tatkräftigt unterstützt haben, stille Helden sozusagen. Gleichzeitig webt Makiia Lucier einige typische Jugendbuchthemen mit ein, Freundschaft, erste Liebe und die Suche nach der eigenen Identität.

Cleo weiß mit ihren 17 Jahren nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Während viele ihrer Kommilitoninnen schon Studienplätze oder die Ehe in Aussicht haben, überlegt Cleo fieberhaft (um beim Thema zu bleiben), wo ihre Talente liegen. Als die Grippe Portland, Cleos Heimat, erreicht, meldet sie sich aus einem Impuls heraus als freiwillige Helferin beim Roten Kreuz und wird damit beauftragt, in den Vierteln der Stadt hilfsbedürftige Erkrankte aufzuspüren. Über ihre Tätigkeit lernt sie die gleichaltrige Kate und den jungen Medizinstudenten Edmund kennen, für den sie schnell Gefühle entwickelt.

Eigentlich ist das bereits die vollständige Handlung. Die meiste Zeit begleitet der Leser Cleo auf ihren Wegen durch die Stadt oder ins als Krankenstation umfunktionierte Konzerthaus. Es ist eine ruhige, atmosphärische Geschichte. Spannung entsteht vor allem aus der nagenden Frage, ob sich Cleo oder ihr nahestehende Menschen mit der Grippe anstecken werden. Durch die historische Sachlage weiß man von Beginn an, wie rasant sich die Krankheit verbreitete und wie hoch die Opferzahlen waren. Da ich über diesen Teil der Geschichte bisher wenig wusste, war es für mich interessant, nebenbei einige Details zu erfahren – beispielsweise, dass öffentliche Einrichtungen teilweise geschlossen wurden oder es aufgrund der vielen Toten zu Engpässen bei den Beerdigungen kam.

Es ist jedoch eine Sache, schlimme Dinge zu beschreiben und eine andere zu zeigen, was sie mit den Menschen in ihrem Innersten anstellen. Obwohl die Umstände nicht gerade geschönt werden, erschien mir vieles zu brav und kantenlos. Cleo klopft an Haustüren und tut viel Gutes, ihre Ängste und Beweggründe wurden mir aber zu oberflächlich dargestellt. Sie ist von einem gewissen altmodischen Liebreiz umgeben, der es mir schwer machte, an ihre Emotionen heranzukommen. Hauptsächlich ist sie mir als nett in Erinnerung geblieben. Dasselbe bei Edmund: nett, Kate: nett, Cleos Freundinnen Margaret und Grace: nett, Cleos Bruder Jack: nett, seine Frau Lucy: nett. Ja, die ganze Liebesgeschichte: nett. Die einzige Person, die nicht nett ist, ist die Nachbarin Mrs. Pike und über ihre Figur schiebt sich die Geschichte auch auf die nächste Ebene, nämlich die Frage: Wie würde man selbst in ähnlicher Situation handeln? Würde man sich aus Angst vor Ansteckung im Haus verbarrikadieren und warten, bis die Gefahr vorbei ist, oder würde man derer ungeachtet helfen? Hier hätte die Autorin noch mehr in die Grautöne gehen sollen, denn während alle Helfer als sympathisch dargestellt werden, ist Mrs. Pike das genaue Gegenteil. Damit wird ihr Verhalten aber bereits zu stark gewertet und Cleo auf ein zu hohes Podest gehoben. Mehr Raum für eigene Gedankenspiele wäre schön gewesen.

Ein Gefühl für die historischen Zusammenhänge wird eher ansatzweise vermittelt. Die Informationen zur Spanischen Grippe stimmen mit Wikipedia überein. Allerdings bleibt die Darstellung grobmaschig. Vieles habe ich mir später, weil mein Interesse geweckt war, selbst noch angelesen. Da es sich um einen Roman und nicht um ein Sachbuch handelt, muss man anerkennen, dass einem die Thematik auf unterhaltsame Weise näher gebracht wird. Ansonsten hatte ich den Eindruck, dass unbedingt der Erste Weltkrieg und das zu dieser Zeit aufkommende Thema der Geburtenkontrolle mit eingebaut werden sollten. Zumindest Zweiteres fügt sich aber nicht wirklich gut inhaltlich ein, der Aspekt hängt seltsam im leeren Raum. Standesunterschiede wurden gar nicht berücksichtigt. Und auch auf der Kriegsschiene bleibt die Geschichte arg an der Oberfläche. Es gab Andeutungen über Edmunds kurzen Wehrdienst und Kriegsdienstverweigerer. Doch immer, wenn es um die seelische Tragweite des Krieges ging, schoben sich die freundlichen Charaktere und ihre guten Taten schnell wieder davor.

So war diese gut und flüssig geschriebene Geschichte zwar eine willkommene Unterhaltung und ich habe einiges an Wissen über die Spanische Grippe mitgenommen, der letzte Funke wollte aber nicht überspringen. Das lag nicht einmal an der ruhigen Handlung, die sich mit den verheerenden Ausmaßen der Grippe-Pandemie fast schon von selbst trägt, sondern an den Charakteren, denen es an Vielschichtigkeit mangelte, so dass mich Cleos Erlebnisse emotional zu wenig erreichten. Als „leichte“ Lektüre mit historischen Bezügen kann ich „Das Fieber“ aber durchaus empfehlen.

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Das Fieber von Makiia Lucier
Originaltitel: A Death-Struck Year 
Übersetzung: Katharina Diestelmeier
Hardcover: 368 Seiten
Verlag: Königskinder Verlag
Erscheinungsdatum: 24. April 2015
ISBN: 978-3551560124
Altersempfehlung: Ab 14 Jahren

2 Replies to “[Rezension] „Das Fieber“ von Makiia Lucier

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