Seit eine bestimmte Nachricht vor vielen Monaten mein Leserherz entthront hat, wusste ich, dass es sehr schmerzhaft werden würde, mich von dem Königskinder Verlag und seinen wundervollen Büchern zu verabschieden. Nachdem die Nachricht erst einmal verarbeitet und halbwegs verdaut war, schmiedete ich Pläne, wie ich mich am besten von diesem königlichen Imprint verabschieden könnte. Aber egal wie oft ich darüber nachdachte – keine noch so glamouröse Aktion schien angemessen zu sein. Lieber vergrub ich mich in meinen Büchern. Als ich zu meinem Lieblingsbuch „Eine Geschichte der Zitrone“ griff, bemerkte ich sofort, dass irgendetwas nicht stimmte. Die Seiten vibrierten und aus seinem Inneren drang Musik – ein Walzer.

 

Plötzlich verspürte ich ein merkwürdiges Ziehen. Fast so, als würde mich das Buch verschlingen wollen. Der Sog nahm zu und jetzt wurde es richtig kurios: Mein Lieblingsbuch verschlang mich mit Haut und Haar und spuckte mich vor einem riesigen blauen Schloss wieder aus.
Verwundert sah ich an mir herunter. Was hatte ich da an? Kneift mich bitte mal jemand?! Ganz schnell – ich glaube ich werde verrückt! Und warum juckt dieses Ding auf meinem Kopf nur so? Moment mal… Was ist das? Du heilige… Mein Lieblingsbuch hat mich nicht nur in ein sündhaft teures Kleid gesteckt. Nein, ich habe auch noch ein Krönchen auf dem Kopf und muss es dringend wieder loswerden.

„Möchtest du auch zum Ball?“ fragte eine leise und fast kindliche Stimme hinter mir. Als ich mich umsah, erblickte ich ein Mädchen, das in ihrem zitronengelben Kleid nur so erstrahlte. Mein Gesichtsausdruck muss (wie immer) Bände gesprochen haben, denn das Zitronenmädchen lächelte breit und reichte mir die Hand. „Ich bin Calypso und ich bin auf dem Weg zum Ball der Königskinder. Meine Freundin Mae hat es scheinbar nicht rechtzeitig geschafft und mein Vater würde mir jetzt schon wieder eine Standpauke halten, weil ich mich wieder auf andere verlassen habe… Nun warte ich hier schon seit einer Stunde vor den Toren von Valancy Stirlings Schloss. Valancy richtet heute Abend ein Fest zu Ehren der königlichen Geschichten aus. Scheinbar hat sie auch ein paar Leser eingeladen, denn du kommst mir überhaupt nicht bekannt vor.“ Ihr Lächeln wurde noch breiter und bemerkte wahrscheinlich, dass ich jetzt vollends verblüfft war. Ich stand Calypso gegenüber! Dieses Mädchen hat mich mit ihrer Geschichte („Eine Geschichte der Zitrone“) so zu Tränen gerührt und mich irgendwie immer begleitet.
In diesem Moment habe ich bestimmt ein super Bild abgegeben: Ich konsterniert und kurz davor loszuheulen, weil ich Calypso gegenüberstand und ich immer noch keine Ahnung hatte, was zum Geier hier los war. Doch ehe ich mir weiter den Kopf zerbrechen konnte, zog mich Calypso hinter sich her und redete munter weiter auf mich ein.

Als wir das blaue Schloss betraten, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht nur, weil das Gebäude und seine prunkvolle Einrichtung so wunderschön waren. Vor der mit Gold verzierten Tür zum Ballsaal standen zwei Frauen, die sich angeregt unterhielten. „Und? Erkennst du sie?“ Calypso strahlte mich erneut an. Ich hatte keinen blassen Schimmer. „Das sind Jean Webster und Lucy Maud Montgomery.“ Na klar, Zitronenmädchen! Das sind zwei großartige Autorinnen, die vor einiger Zeit gestorben sind. Aber hey – ich befinde mich ja auch in dem blauen Schloss von Valancy Stirling, das eigentlich nur ihrer Gedankenwelt entspringt. Ich brauchte dringend eine Erfrischung, um nicht vollends zu verzweifeln. Wie gerufen kam ein Diener samt Tablett mit kühlen Getränken vorbeigeschlendert. Plötzlich kam uns ein Mädchen entgegengeeilt, das Calypso eifrig begrüßte und umarmte. Das wird dann wohl Mae sein – nein, ich wundere mich jetzt nicht mehr über diese merkwürdige Situation. Calypso stellte mir auch gleich ihre Freundin vor und beide überredeten mich, ihnen zu folgen.

Der Geruch von Häusern anderer Leute, Eine Geschichte der Zitrone, Jugendbücher
Copyright: Königskinder Verlag

„Ich habe das schönste Zimmer im ganzen Schloss gefunden – kommt mit, ich zeige es euch!“ Das ließen wir uns nicht zwei Mal sagen und folgten Mae, die scheinbar doch schon etwas mehr Zeit in diesem Schloss verbracht hat, als gedacht. „Mir war so langweilig und ich mag keinen Walzer tanzen. Ezra und Foster waren wohl etwas gelangweilt, weil Devon es nicht zum Ball geschafft hatte. Abwechselnd kamen sie mit einem verschmitzten Lächeln auf mich zu und baten mich, um den nächsten Tanz. Deswegen musste ich mich vom Ball entfernen, auch wenn hier wirklich viele interessante Menschen sind. Habt ihr Suse Kopp schon gesehen?“ Mae war scheinbar genau so redselig wie ihre beste Freundin und plapperte ununterbrochen, während sie uns durch die prachtvollen Gänge des Schlosses lotste. Bis wir vor einer dunkelblauen und kunstvoll gestalteten Tür standen. Über der Tür stand in goldenen Lettern geschrieben: „Wenn du liest, kannst du alles machen.“ Ja, irgendwie passte diese Aussage perfekt zu meiner Situation.
Als Mae die Tür öffnete, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Ich stand in einem Zimmer, welches die wunderbarsten und schönsten Bücher beherbergte, die die Welt zu bieten hatte. Völlig fasziniert ging ich an den Regalen entlang und streichelte über die vielen Buchrücken und wähnte mich im siebten Buchhimmel. „Schaut mal hier!“, rief Calypso. „Hier sind alle Königskinder vereint. Zu schade, dass sich keine neuen Bücher dazu gesellen werden. Kennt ihr dieses schon? Ich liebe „Der Geruch von Häusern anderer Leute“!“ Sie nahm das Buch, schlug es auf einer bestimmten Seite auf und las:

„Das ist mein Herz. Es mag aus tausend Stücken zusammengeflickt und etwas mitgenommen sein, aber es schlägt. Eindeutig“

„Ist das nicht umwerfend schön? Bonnie-Sue Hitchcock geht einem mit ihren Worten richtig unter die Haut.“ Mae und ich nickten zustimmend und wir sprachen eine Weile über dieses bedeutende Buch. Nebenbei durchstöberten wir weiter die Regale und suchten nach Schätzen. So verbrachten wir eine lange Zeit, wir lasen uns gegenseitig aus den Geschichten vor und vergaßen alles um uns herum. Auch das rauschende Fest, welches im Ballsaal ohne uns stattfand.

„Welches ist dein Lieblingsbuch aus dem Königskinder Verlag, Katrin?“, fragte Mae. Zögernd antwortete ich: „Ich finde es sehr schwierig ein Buch zu wählen und ihr würdet mich sicher für einen Schleimer halten, wenn ich „Eine Geschichte der Zitrone“ sage, aber das ist ein Favorit. Eigentlich sind alle Bücher dieses Verlags sehr besonders und jedes für sich ein Leseerlebnis. Barbara König hat wirklich ein Händchen für bedeutsame und tiefgründige Geschichten.“
Die beiden Mädchen machten ein trauriges Gesicht und nickten. Doch dann durchzog ein verdächtiges Geräusch die Stille – mein Magen knurrte. „Wir sollten unbedingt schauen, ob Hank und seine Brüder noch etwas von Buffet übrig gelassen haben.“ Calypso kicherte mädchenhaft, richtete sich auf und wirbelte in Richtung Ballsaal. Wir hatten Schwierigkeiten hinterher zu kommen und zu allem Überfluss stieß ich noch mit einem braun gebrannten Surfgott zusammen. Dieser grinste nur und nach einer kleinlauten Entschuldigung meinerseits sah ich zu den beiden Mädchen, die sich vor Lachen nicht mehr halten konnten, was mir noch unangenehmer war. „Das wird Mink gar nicht gefallen. Im Ernst – Porter ist wirklich süß, aber auch total arrogant. Verschwende nicht deine Zeit mit ihm und komm weiter.“

Als wir das Buffet erreichten und uns an den Köstlichkeiten erfreuten, verkündete jemand, dass es jetzt Zeit für den letzten Tanz wäre. Für diesen Tanz wurde eine Dame, die mir sehr wohl bekannt war, von einem Mann auf die Tanzfläche geführt und ein Raunen ging durch die Menge. „Das sind Barbara König und Sir Henry Montague.“ Zu Tränen gerührt sah ich den beiden entgegen. Wohl wissend, dass es wirklich der allerletzte Tanz für die Königskinder ist.

Als der letzte Walzer erklang, begannen sie zu tanzen und mir kam es so vor, als hätten diese beiden nie etwas anderes getan. Sie bewegten sich anmutig, als wären sie miteinander verschmolzen.
Ein paar Takte später gesellten sich auch andere zu ihnen, um den letzten Walzer des Abends zu tanzen und die Tanzfläche erstrahlte in den schönsten Farben, die vor meinen Augen verschwammen, als mich ein seltsamer Schwindel erfasste…

Copyright: Königskinder Verlag

Als ich mich von dem Nebel meines Schwindels befreit hatte, saß ich wieder zu Hause zwischen meinen Königskindern und konnte immer noch nicht fassen, was da gerade mit mir geschehen war. Höchst wahrscheinlich war alles nur ein Traum. Doch wie kommt dann diese Krone auf meinen Kopf? Hach, ich habe so vieles auf dem Fest verpasst. Zu gerne hätte ich mich mit dem einen oder anderen Königskind unterhalten. Mit Josie Moraine aus „Ein Glück für immer“ zum Beispiel. Barbara König wollte ich für das Geschichtenglück danken, das sie nicht nur mir beschert hat. Und ich konnte mich nicht einmal von meinen Zitronenmädchen verabschieden…

Nun ist wirklich der Zeitpunkt gekommen, vor dem ich am liebsten davonlaufen würde. Es wird Zeit Abschied vom Königskinder Verlag zu nehmen und ich hoffe inständig, dass Barbara König bald wieder auf eine neue Tanzfläche schreiten wird, um uns Leser und sich selbst glücklich zu machen.

 

 

Für den Abschied von dem königlichsten Verlag der Welt haben sich einige Blogger für die Aktion „Ein letzter Tanz“ zusammengetan, um dieses Imprint und seine Buchmenschen ein letztes Mal hochleben zu lassen. Ich hoffe, euch hat mein Beitrag gefallen und ihr schaut euch noch alle anderen Beiträge an. Und vielleicht habt ihr ja Lust, euch an der Aktion zu beteiligen?Übrigens findet ihr alle Gäste des Balls (außer mich) in den wunderbaren Geschichten aus dem Königskinder Verlag.

 

Nicole von About Books
Caro von Bücher ohne Ende
Laura von Skyline Of Books
Nana von Nana-What else?
Caro von Bücherwanderin
Annabell von AnnasBücherStapel
Corinna von Die Bücherwelt von Corni Holmes
Anna von Liveyourlifewithbooks

 

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