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Weiter gehts mit unserem Lemony-Snicket-Special. Und wie ich schon geschrieben habe, reißen mich – obwohl großer Fan – nicht alle Bücher des Autors vom Hocker. Eines dieser Bücher ist „Dunkel“, ein Bilderbuch gegen die Angst vor der Dunkelheit für Vier- bis Sechsjährige, das vor gut acht Jahren auf Deutsch erschienen ist.

Grusel gegen die Angst?

Es geht darin um Leo, ein kleiner Junge, der sich vor dem Dunkel fürchtet, das bei ihm zu Hause wohnt. Eines Tages besucht ihn das Dunkel in seinem Zimmer und lädt ihn ein, mit in den Keller zu kommen. Leo zögert, denn schließlich ist es das Dunkel, das ihn da lockt. Aber dann folgt er der Stimme die Treppe hinab..

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Soweit, so gut: Snicket geht nicht den erwartbaren Weg. Er zeigt keine Monster oder andere Gruselwesen, in denen sich die kindliche Angst vor der Dunkelheit manifestiert. Die Dunkelheit ist bei ihm zunächst einfach die Abwesenheit von Licht. Sie ist da, wenn das andere geht. Sie umgibt dich und weicht dort zurück, wo ein Lichtstrahl hinfällt, in diesem Fall Theos Taschenlampenschein. Das ist visuell konsequent eingefangen und entspricht Snickets Art, Kindern auf einer ehrlichen Ebene zu begegnen.

Allerdings ist die Atmosphäre in der Geschichte extrem düster und unheimlich. Auf 18 Doppelseiten – hochwertig illustriert von Jon Klassen – sehen wir Leo in seinem Zimmer, wie er spielt, während draußen die Sonne untergeht. Die Szenerie ist gegenständlich: Wir sehen Treppen und Schatten, das leere Bad, weitere Treppen, Türen, immer mehr Schatten und dann … völlige Dunkelheit, nur unterbrochen vom Lichtstrahl der Taschenlampe.

Immer der unheimlichen Stimme nach

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Man hat ein unangenehmes Gefühl, weil das Haus so groß und verlassen wirkt und Leo so klein darin ist. Dann spricht das Dunkel plötzlich mit einer „glatten, kalten, knarrenden Stimme“ und fordert Leo auf, in den Keller zu gehen. Bei der Vorstellung sträubt sich etwas in mir: Möchte man wirklich, dass Kinder unheimlichen Stimmen in den Keller folgen? Hier vermischt sich die Sachebene mit der Fantasie des Kindes auf eine Weise, die missverstanden werden könnte.

Wie erwartbar, löst sich die Spannung am Ende natürlich auf. Das Dunkel führt Leo zu einer Kommode (im Keller), unterste Schublade. Darin befindet sich eine Glühbirne und die macht Leos Zimmer hell. Ein freundliches Dunkel also.

Glühbirne als heilsbringer

Allerdings wirkt der Dreh am Ende gewollt: Warum muss Leo, um seine Angst zu verlieren unbedingt in den Keller gehen? Warum zum Teufel sind die Glühbirnen im Keller? Am dunkelsten Ort des Hauses. Bei einem Stromausfall wären sie in der Wohnung viel schneller greifbar. Warum überhaupt Glühbirnen? Nichts gegen Glühbirnen. Aber so richtig beeindruckt es nicht, wenn Elektrizität als Ausweg aus der Angst-Falle präsentiert wird.

Fazit: Ein Buch gegen die Angst vor der Dunkelheit – wunderbare Idee. Der Ansatz, die Dunkelheit als Gegenspieler des Lichts zu zeigen, ist ebenso schlicht wie wahr. Die Umsetzung ist jedoch teilweise kontraproduktiv: Eine durchweg düstere, sachliche Optik und ein mit unheimlicher Stimme ausgestattetes Dunkel könnten sensiblen Kindern mehr Angst beschéren als nehmen. Und das Ende – das Auffinden einer Glühbirne – löst bei mir nicht ganz die tröstlichen Gefühle aus, die beabsichtigt sind. (lex)

 

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Dunkel von Lemony Snicket
Originaltitel: ‎ The Dark
Illustrationen: Jon Klassen
Übersetzung: Thomas Bodmer
Verlag: NordSüd Verlag
Erschienen: 20. Januar 2014
Hardcover: ‎ 48 Seiten
ISBN: ‎ 978-3314102110
Lesealter: ‎ 4 – 6 Jahre

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