Im Panini-Verlag ist jüngst ein Comic-Band erschienen, der nicht nur bei Kennern bereits vor Veröffentlichung großes Interesse geweckt hat. Einerseits liegt das am Autor und Zeichner – Stjepan Sejic wird schon seit geraumer Zeit dank des Erfolges seiner Reihe „Witchblade“ als außergewöhnlich talentierter Comickünstler gehandelt. Zum anderen dreht sich „Sonnenstein“ um ein Thema, das für gewöhnlich die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen weiß: um Sex. Aber wer nun eine plumpe Story, voyeuristische Umsetzung und überzeichnete Geschlechtsteile erwartet, der wird enttäuscht. „Sonnenstein“ hat all das, was man (oder Frau) sich von einer erotischen Geschichte wünscht: Sexualität ohne Kitsch, aber mit Niveau, interessante Figuren, weibliche Perspektiven (aus der Sicht eines Autors – wunderbar!) und eine Verknüpfung von lesenswertem Inhalt mit überwältigend gut gezeichneten Bildern. 

Beeindruckend ist der Zeichenstil nicht nur durch die Bilder der Handlung, sondern auch durch den Detailreichtum der Gestaltung. Sprechblasen sind – je nach Stimmung der Protagonistinnen oder Gesprächsthema – klassisch, mit Blüten umrankt, mit Totenköpfen gespickt. Collagenartig sind Bildausschnitte, Texte, Nachrichten oder Regieanweisungen um die Hauptbilder drapiert, die durch Rahmen, Formen und Anordnungen ebenso vielfältig dargestellt werden. Immer wieder lenkt die Präsentation der Geschichte von ihrem Inhalt ab und lässt den Leser inne halten, um die Details des Künstlers zu studieren.

Sex-Nerds. Nichts anderes sind BDSM-Anhänger doch im Grunde … hinter all den Masken

Erzählt wird die (Liebes-)Geschichte zweier junger Frauen, die eine gemeinsame Leidenschaft teilen (BDSM), aber beide bisher keine oder kaum Erfahrungen in diesem Bereich sammeln konnten. Sie verlieben sich ineinander und experimentieren gemeinsam in Sachen Sexualität. Während Lisa sich gerne Szenarien überlegt, gibt sich Ally mit Leidenschaft ihrer Führung hin. 
Wer jetzt mit Schrecken an schlecht geschriebene Bestseller denkt, in denen das Spiel mit Über-/Unterordnung auf entsetzlichem literarischen Niveau vergurkt wird, der sei beruhigt: Obwohl BDSM neben Ally und Lisa Hauptprotagonist ist, wird es weder aufdringlich in Szene gesetzt, noch gerät die Geschichte der Figuren dabei in den Hintergrund. Hauptthema ist die Entwicklung einer Partnerschaft, die auf Fürsorge, Respekt und Zuneigung besteht – und im Bett eine etwas ungewöhnlichere Routine hat, als eine stereotypische „Vanilla“-Beziehung. Wie die Frauen dabei fühlen, welche Sorgen und Peinlichkeiten sie plagen, was sie sich erhoffen und wie sie ihre Beziehung gemeinsam gestalten, ist das eigentlich spannende an der Handlung des Comics. Dabei fehlt es durchaus nicht an Humor und Selbstironie. Von der Protagonistin als „Sex-Nerds“ bezeichnet, haben  Ally und Lisa in ihrem BDSM-Alltag mit ganz humanen Problemen zu kämpfen. Latex wirkt auf euch sexy oder abschreckend? Keines von beidem, wenn ihr es versucht, bei 30° im Schatten anzuziehen und mittendrin stecken bleibt…

Copyright: Panini

„Sonnenstein“ trägt in der Presseankündigung von Panini den Untertitel: „Liebe darf weh tun“. Angesichts der Fülle von Populärliteratur, die versucht, auf diesen Zug aufzuspringen, sollte der Band vielleicht eher den Titel tragen: „Eine authentische Geschichte“. Also bitte: Alle Vergleiche vergessen! „Sonnenstein“ lässt künstlerisch keine Wünsche offen und erzählt auf humorvolle, liebenswerte Art die Liebesgeschichte zweier sympathischer Frauen. Nicht nur Comic-Fans oder BDSM-Liebhabern sei der erste erotische Band aus Stjepan Sejics Feder ans Herz gelegt.

„Sonnenstein“ von Stjepan Sejic
Band 1
Originaltitel: „Sunstone“
Übersetzung: Sandra Kentopf
Altersempfehlung: ab 16
Hardcover im Großformat: 132 Seiten
Verlag: Panini
Erscheinungsdatum: 16. November 2015
ISBN: 978-3957984593

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