"Flo oder der Tag, an dem die Maus verrutschte" von Anna Pfeffer, Jugendbuch
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„Flo oder der Tag, an dem die Maus verrutschte“ von Anna Pfeffer zog blind bei mir ein, ohne dass ich die geringste Ahnung gehabt hätte, wovon das Buch überhaupt handelt. Vermutlich hätte ich es auch gelesen, wenn es sich um ein Telefonbuch oder die Bauanleitung für ein Küchenregal gehandelt hätte. Denn das Autorinnenduo Ulrike Mayrhofer und Carmen Schmidt, die hinter dem Pseudonym stehen, haben bei mir im vergangenen Jahr mit ihrer schwarzhumorigen Teenagerromanze „Für dich soll’s tausend Tode regnen“ jede Menge Lachflashs ausgelöst, so dass ich mir absolut sicher war, hier keinen Fehlgriff zu tätigen.

Die Frage ist nun aber: Schaffen Anna Pfeffer so eine Glanznummer ein zweites Mal? Kann ihr neues Buch mithalten? Ich sage mal: Ja… aaaaaber… mit Verspätung. Da gab es am Anfang eine kleine Durststrecke, die für mich erst nach etwa 100 Seiten ein erfreuliches Ende fand. Flo und ihre Maus haben mich ernsthaft auf die Folter gespannt. Da fehlte (Achtung Wortspiel!) etwas Salz. Schließlich aber packte mich der Flo-Flow.

Das Buch handelt übrigens weder von Flöhen, noch von Mäusen. Ein kleiner Fisch kommt darin vor, aber eher am Rande. Es ist wohl nahezu unmöglich vom Titel auf den Inhalt zu schließen. Denn der geht so: Flo, 13 Jahre jung, ist total schüchtern. Schlagfertige Antworten hat sie immer erst mit reichlich Verspätung parat und wenn sie vor der Klasse steht, bekommt sie keinen Ton heraus. Ganz anders sind da ihre beiden besten Freundinnen: Julia ist um keine Antwort verlegen und Anouk ist nicht nur klug, sondern auch wunderschön. Obwohl die drei total unterschiedlich sind, halten sie zusammen wie Pech und Schwefel. Bis zu dem Tag, an dem Anouk Ben küsst, Flos großen Schwarm. Das macht Flo so wütend, dass sie sich nicht nur ihren Frust über Anouk, sondern auch gleich den über ihre Mitschüler in einem bitterbösen Brief vom Herzen schreibt, den sie dann leider – kurz mit der Maus verrutscht – an Dr. Zomp, einen öffentlichen Online-Kummerkasten, abschickt. Der Shitstorm, der daraufhin losbricht, verlangt Flo einiges ab. Aber ganz unverdient ist er nicht…

So ist das also mit der Maus. Gar keine Tiergeschichte, sondern eher eine Mobbinggeschichte, die anfangs niedlich und witzig vor sich hin plätschert. Schulalltag, Gespräche über Jungs und Kennenlernen der Charaktere. Erzählerin Flo plaudert locker-flockig, aber scheinbar ziellos drauf los, so dass ich – in meiner klappentextlosen Ahnungslosigkeit – nicht recht eine Richtung ausmachen konnte. Die wird erst erkennbar, als Flo den Brief abschickt, der dann plötzlich in der Schule bekannt wird. Damit bekommt die Sache buchstäblich Pfeffer (Wortspiel!) und man leidet ehrlich mit.

Das alles ist so richtig schön unangenehm. Beim bloßen Lesen habe ich mich zusammen mit Flo in Grund und Boden geschämt. Wie kommt sie aus der Sache wieder raus? Kann man so einen heftigen Fehltritt überhaupt wieder gut machen? Das sind die Fragen, mit denen man Flo durch eine Geschichte begleitet, die sich trotz der ernsten Thematik lange nicht so ernst liest, wie sie sich in der Realität darstellt. Anna Pfeffer bleiben beim lässigen Erzählton, das ist ihre Stärke. Sie schaffen es aber an einigen Stellen ein wirklich unbehagliches Gefühl zu erzeugen und – trotz Netz und doppeltem Boden – beim Leser Mitgefühl für alle Betroffenen zu wecken.

Wobei sich Flo größtenteils wacker durch die Handlung schlägt. Realistisch ist das nicht immer, aber schön zu lesen. Denn – sollte man je in einer ähnlichen Situation sein – genau SO möchte man auch aus der Nummer wieder rauskommen. Gestärkt, mit erhobenem Kopf und deutlich klüger. Das Mädchenbild von Anna Pfeffer gefällt mir generell sehr gut. Ein bisschen (altersgemäß) unsicher, gleichzeitig ganz schön frech und stark.
Zwischendurch kam es mir immer mal so vor, als würde sich der rote Faden verwickeln, weil hier mehrere Themen zeitgleich auf’s Tablett geworfen werden. Da wäre einmal Flo und ihre sogenannte „Flolitis“, ihre kleinen rhetorischen Blackouts, wenn jemand sie blöd anmacht und sie nicht weiß, wie sie reagieren soll. Dann ist da die Sache mit dem Mobbing und schließlich – wir befinden uns hier natürlich in einer Geschichte für jüngere Leserinnen (!) – geht es viel um Streitereien unter Freundinnen und Schwärmereien für Jungs. Nach und nach laufen die verschiedenen Schauplätze gut zusammen. Bis dahin trösten der aufgeweckte, trockene Humor und liebenswerte, teilweise schrullige Figuren (Flos Mutter!) über kleine Schwächen hinweg.
Am Ende gibt es noch einen Klacks zuckersüßer Schlagsahne obendrauf und eine handvoll bunter Streusel! Message: Es lebe die Freundschaft! Mit einem fetten Grinsen und einem langgezogenen Teenieseufzen (von dem ich nicht weiß, wo es herkam) habe ich das Buch zugeklappt.

Bitterböses Thema, zuckersüß erzählt. „Flo oder der Tag, an dem die Maus verrutschte“ ist für Mädchen ab 11 Jahren ein toller, humorvoller Mutmachschmöker, der den Ton der jungen Generation trifft und für den auch ich mich nicht zu alt fühlte.

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Flo oder der Tag, an dem die Maus verrutschte von Anna Pfeffer
Hardcover: 256 Seiten
Verlag: cbj
Erscheinungstermin: 20. März 2017
ISBN: 978-3570174067
Altersempfehlung: ab 11 Jahren

2 Replies to “[Rezension] „Flo oder der Tag, an dem die Maus verrutschte“ von Anna Pfeffer

  1. Ach Gott, hast du mich jetzt neugierig auf das Buch gemacht 😀 Ich hätte es allein des Titels wegen wahrscheinlich auch vom Fleck weg gekauft. Der Inhalt klingt aber auch gut, vor allem würde ich auch gerne mal wieder ein Buch mit einem fetten Grinsen und einem Teenieseufzer zuklappen 🙂
    Liebe Grüße,
    Anna

  2. Dann bist du bei Anna Pfeffer absolut richtig, Anna. Die schreiben richtig schöne, witzige Mädchenbücher. Und ja, der Titel ist wirklich lustig. Ich habe den Klappentext absichtlich nicht gelesen (mache ich ganz gerne)und musste ziemlich lachen, als ich endlich herausgefand, was es damit auf sich hat. Das Cover ist auch so niedlich. Man möchte die kleine Maus am liebsten sofort kuscheln. 🙂
    Liebe Grüße
    Alex

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