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Knapp vier Wochen war ich in diesem Jahr im Sommerurlaub. Reichlich Zeit, um bei 30 Grad in der Hängematte baumelnd, tonnenweise Bücher zu lesen. Sollte man jedenfalls meinen. Tatsächlich habe ich es nur auf magere drei Bücher gebracht.

Absoluter Niedrig-Rekord! Was war los? Lag es an den Büchern? Lag es an mir? Wohl an beidem. Irgendwie konnte ich nach einer stressigen Phase nicht so recht abschalten. Aber auch die Buchauswahl, die ich dabei hatte, fiel größtenteils nicht unbedingt in die Rubrik „Pageturner“.

Der Outsider – Kein outsider, sondern typisch King

Am überzeugendsten war dieses Werk: „Der Outsider“ von Stephen King. Das wollte ich schon eine Weile lesen, weil meine Liebe zum Meister des Horrors zuletzt mit der Kurzgeschichte „Gwendys Wunschkasten“, dem Klassiker „Shining“ und dessen Fortsetzung „Doctor Sleep“ neu entfacht wurde.

„Der Outsider“ hat eine geniale Prämisse: Unmittelbar nach dem grauenvollen Mord an einem kleinen Jungen im Stadtpark von Flint City, ist die Polizei sicher, den Täter überführen zu können. Alle Spuren führen zu Terry Maitland, ein bislang unbescholtener Bürger, beliebter Lehrer und erfolgreicher Coach der Jugendbaseballmannschaft. Der Familienvater wird in aller Öffentlichkeit festgenommen. Doch während der anschließenden Befragung scheint Maitland nicht nur überrascht, verärgert und bestürzt angesichts des Verdachts gegen ihn. Er kann gegenüber Detective Ralph Anderson auch ein bombensicheres Alibi vorweisen. Wie aber kommt dann seine DNA an den Ort des Verbrechens? Warum schwören Augenzeugen, Maitland zum Zeitpunkt des Mordes in der Nähe des Stadtparks gesehen zu haben?

Licht und Schatten

Auf keinen Fall sollte mehr verraten werden. Gerade die Frage, wie es möglich ist, dass ein Mensch, der nachweisbar nicht der Mörder sein kann und doch augenscheinlich der Mörder sein muss, ist verdammt spannend. In bester Whodunit-Manier (ja, King kann auch Krimi!), in der sich die Ermittler schrittweise den Umständen des Verbrechens nähern, Zeugen befragen und Beweismittel zusammentragen, schafft es Stephen King, den detektivischen Spürsinn seiner Leser zu reizen und an die Seiten zu fesseln.

Es macht Spaß, Vermutungen darüber anzustellen, wer die Tat begangen haben könnte bzw. wie Maitland es geschafft haben könnte, an zwei Orten zur selben Zeit zu sein. Sofern man von Spaß sprechen kann. Denn der Mord an dem Jungen geht an die Nieren. Obwohl King sich mit Details zurückhält, beschwört er mit wenigen Worten Bilder herauf, die das ganze Grauen spürbar machen und die man auch so schnell nicht wieder los wird.

Die Haupt-Figuren erfüllen ihren Zweck, wirken an den richtigen Stellen menschlich und sympathisch oder eben schwach und abstoßend. Ob der Auftritt von Holly Gibney, die Kennern aus der Mercedes-Reihe bekannt sein dürfte, wirklich sein musste, sei dahingestellt. In meinen Augen wird sie zu gezwungen in die Geschichte integriert.

…. es plätschert so aus

Mit ihrer Präsenz verstärkte sich bei mir das Gefühl eines Bruchs, ziemlich genau ab der Hälfte des Buches. Jetzt geht es nicht mehr darum, ein Geheimnis zu lüften, sondern Menschen von etwas zu überzeugen und der Gerechtigkeit genüge zu tun. Das liest sich immer noch ordentlich, aber nicht mehr ganz so spannend wie zu Beginn. Langjährige King-Leser fühlen sich womöglich an andere Bücher des Autors erinnert. Parallelen lassen sich nicht von der Hand weisen. Nicht zuletzt wirkt die bis dato erfreulich dichte Geschichte nun mal wieder zu gestreckt. Zuviele Informationen werden wiederholt, von Protagonist zu Protagonist weitergetragen, so dass sich die Gespräche oft ähneln.

Aus der eigentlichen Idee hätte man unterm Strich mehr herausholen können. Statt gegen Ende zuzunehmen, verblasst das Grauen früh und bietet nur wenige Überraschungen. Gleichzeitig drängen sich eine ganze Reihe von Assoziationen auf: Denn ist es in der Realität nicht ähnlich? Dinge, die wir nicht durchschauen, erschrecken uns, wirken unbeherrschbar, übermächtig. Je mehr wir uns mit ihnen auseinandersetzen, desto profaner erscheinen sie, desto kleiner und besiegbarer. Meta-Ebenen dieser Art finden sich in Kings Büchern häufig. Man mag sie ihm auch hier nicht absprechen.

Alles in allem habe ich „Der Outsider“ gerne gelesen. Mit 752 Seiten ist er nicht gerade schmal. Dass ich die Geschichte innerhalb von nur zwei Tagen beendet habe, spricht also für sie. Nur, wie gesagt: Vor allem für die erste, wirklich verdammt spannende Hälfte!

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„Der Outsider“ von Stephen King
Original: The Outsider
Übersetzung: Bernhard Kleinschmidt
Hardcover: 752 Seiten
Verlag: Heyne Verlag
Erscheinungsdatum: 27. August 2018
ISBN: 978-3453271845

One Reply to “[Rezension] „Der Outsider“ von Stephen King”

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