"Die Tochter des Malers" von Gloria Goldreich, Roman
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Ein Leben für die Kunst – des Vaters

Marc und Bella Chagall müssen ihr Heimatland Russland zusammen mit ihrer kleinen Tochter Ida verlassen. Über Berlin erreichen sie letztendlich Paris, die künstlerischen Heimat Marc Chagalls, der sich viel stärker als Franzose fühlt, denn als Russe. Obwohl noch ein Kind, erinnert Ida sich immer wieder in Albträumen an die Flucht aus Russland. Das ist der erste Eindruck, den Gloria Goldreich uns Lesern in Die Tochter des Malers von Ida vermittelt – eine junge Frau, deren Unterbewusstsein etwas zu verarbeiten hat, an das sie sich aktiv nicht so recht erinnern kann.
Dennoch fühlt sich die schöne junge Frau als wir ihr zum ersten Mal begegnen, es ist das Jahr 1935, glücklich, behütet und frei. Freier als andere Mädchen ihres Alters. Kein Wunder steht sie doch ihrem Vater häufig als Nacktmodell zur Verfügung und hat deshalb auch ein anderes Verhältnis zu sich und ihrem Körper. 
Gloria Goldreich beschreibt Ida Chagall an diesem Punkt als eine überaus schöne Frau, die ihre Wirkung auf die Männerwelt (noch) nicht einschätzen kann. Fast ein wenig naiv und trotzdem äußerst zielgerichtet geht diese eine Verbindung mit einem jungen Mann ein, den sie 1934 in einem Ferienlager kennen- und lieben gelernt hat. Der junge Michel ist fasziniert von Idas freiheitlichem wilden Wesen und mag sich ein Leben ohne sie nicht vorstellen. Obwohl auch seine Familie aus Russland über Berlin nach Paris gekommen war, könnten deren Lebensumstände sich nicht stärker von denen der Familie Chagall unterscheiden. Michels Mutter hält die Familie mit ihrem Stoffladen über Wasser und verschwenderisch können sie nicht sein. Der angesehenen Künstlerfamilie Chagall hingegen fehlt es an nichts. So unterschiedlich sie aufgewachsen sind, so sehr lieben sie sich die beiden jungen Menschen und gehen schließlich (mehr oder weniger gezwungenermaßen) eine frühe Ehe ein, vor der sie beiden nicht ohne Respekt sind.
Im Laufe der Jahre wird ihre Beziehung vor allem durch eine Tatsache geprägt sein: Ida ist die Tochter eines Künstlers, der fest davon überzeugt ist, dass ihn sein Renommee und sein Name vor allem beschützen kann. Auch vor dem Einmarsch der Nazis ins Paris und der folgenden Machtübernahme in Frankreich. Ida hingegen kämpft wie eine Löwin darum, ihre Eltern vor den Gräueln der Naziherrschaft zu retten …
Die Tochter des Malers ist als Titel der deutschen Übersetzung des biografischen Romans über Ida Chagall gut gewählt. So spricht der Titel doch sofort etwas an, was während der Lektüre immer deutlicher wird: Ida ist häufig „nur“ die Tochter des berühmten Marc Chagall, obwohl sie dafür sorgt, dass seine Bilder in den geeigneten Ausstellungen zu sehen sind, sich dort bestens verkaufen und der erlöste Gewinn der Familie Sicherheit und Fluchtmöglichkeiten bieten kann. Obwohl Gloria Goldreich die Figur der Ida ins Zentrum des Romans stellt, dreht sich gefühlt doch alles um deren Vater. Der Originaltitel des Buches aber spricht ein Werk an, das wohl im wahren Leben der Ida Meyer als auch im Roman eine große Bedeutung hat: The Bridal Chair – Der Hochzeitsthron.
Goldreich wollte nach eigener Aussage den Fakten treu bleiben. Das hat sie sicherlich gewissenhaft getan und so erlebt der Leser einen nicht eben sympathischen Künstler, seine Frau Bella als eine häufig kränkelnde, ätherische Schönheit, der vor allem am Wohl und der Kunst ihres Mannes gelegen ist und ihre starke Tochter, die ihr eigenes künstlerisches Talent brachliegen lässt und ihr Leben zu großen Teilen dem Wohl ihrer Eltern widmet. Die Männer, die Idas Leben teilen bleiben, wie Ida im Übrigen selbst, eher etwas blutleer. Trotz ihrer kämpferischen Stärke und ihres unglaublichen Durchhaltevermögens verblasst sie  – wohl wie im echten Leben – neben ihrem Vater und seiner Kunst.

Detail- und Faktentreue, kenntnisreiche Recherche und Kunstverstand kennzeichnen diese mit 592 Seiten breit angelegte Romanbiografie, deren großes Plus es ist, eine Frau zur Hauptfigur zu erklären, deren Wirken bisher – zumindest was das World Wide Web angeht – doch recht stiefmütterlich betrachtet wurde. Nebenbei macht die Lektüre große Lust darauf, sich mit dem Werk Chagalls weiter zu beschäftigen.

Die Tochter des Malers ist der zweite Teil einer neuen Reihe von biografischen Romanen im Aufbau Verlag, über Frauen, deren Leben mit denen großer Künstler verbunden waren. Man darf gespannt sein, was der Verlag innerhalb dieser Reihe noch zutage fördert.

Die Tochter des Malers von Gloria Goldreich
Originaltitel: The Bridal Chair
Übersetzer: Kathrin Bielfeldt
Taschenbuch: 592 Seiten
Verlag: Aufbau Taschenbuch
Erscheinungsdatum: 21. September 2015
ISBN-13: 978-3746631820

One Reply to “[Rezension] „Die Tochter des Malers“ von Gloria Goldreich”

  1. Den Schreibstil finde ich sehr schlecht, schade. Der Stil ähnelt einem Kinderbuch- so einfach und langweilig geschrieben.
    Vielleicht liegt es auch daran, dass das letzte Buch das ich gelesen habe, Homo Faber war (Max Frisch), denn die zwei Bücher (Also Homo Faber und Die Tochter des Malers) verglichen, sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Der Schreibstil von Die Tochter des Malers ist meiner Meinung nach eine 1 von 10.

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