Vor einigen Jahren las bzw. hörte ich „Die Gerechte“ – das zweite Buch des amerikanischen Krimiautors Peter Swanson – und fand es extrem unterhaltsam. Wenngleich die Charaktere um einiges zu stereotyp ausfielen, war es ein Pageturner mit pfiffigen Ideen und überraschenden Wendungen. Ein leichtes Buch für zwischendurch. Perfekt zum Berieseln nach einem anstrengenden Tag. Manchmal braucht man genau das.
Längst wollte ich ein weiteres Buch des Autors lesen und habe es jetzt endlich geschafft. „Angst sollst du haben“ spielt mit bekannten Versatzstücken des Genres. Künstlerin Henrietta Mazur glaubt, dass ihr Nachbar ein Mörder ist. Sie und ihr Mann Lloyd sind neu in der Stadt. Als die beiden zum Abendessen bei ihren Nachbarn eingeladen sind, entdeckt Henrietta eine Fechttrophäe, die vor Jahren von einem Tatort verschwunden ist, an dem ein junger Mann ermordet wurde. In Henrietta (Hen) keimt der Verdacht, dass der nette Lehrer Matthew, in die Tat verwickelt ist. Heimlich beginnt sie, Matthew zu beschatten.
„Angst sollst du haben“ – Solide Mittelklasse
Ich habe schon unzählige „sie/er beobachtet Mörder“-Krimis gelesen, von ganz unterschiedlicher Qualität. „Angst sollst du haben“ ist für mich ein solides Mittelklasse-Buch. Nicht überragend, aber auch nicht schlecht. Mit Schwächen und Stärken. Zu letzteren gehört der süffige Schreibstil. Die Geschichte liest sich fix. Und im Grunde ist sie auch recht spannend.
Rätselhaftigkeit geht schnell verloren
Der Autor hat sich dazu entschieden, sehr schnell – bereits nach wenigen Kapiteln – für klare Verhältnisse zu sorgen und die Frage, ob Matthew nun ein Mörder ist oder nicht, zu beantworten. Swanson konzentriert sich ab da größtenteils darauf, den Leser*innen Matthews und Hens Persönlichkeiten und Biografien näherzubringen, was im Rahmen eines schlichten Krimis auf keinen Fall die Tiefe erreichen kann, die es bräuchte, um zu überzeugen. Entsprechend driften die Figuren Hen und insbesondere Matthew schon arg ins Klischee ab. Die dominierende Darstellung von Männern als sexuell übergriffig, Ehebrecher und Wahnsinnige und dem gegenüber Frauen als hilflose Opfer, macht es keinesfalls besser. Immerhin kann Hen dem einiges entgegensetzen. Als Protagonistin mit bipolarer Störung fällt sie in die Kategorie „unzuverlässige Zeugin“, schon länger ein Trendthema im Thrillerfach, was dem Ganzen Würze verleiht, allerdings auch eher rudimentär durchentwickelt wirkt.
Die Geschichte hat einige Mankos. Zufälle, die ein wenig zu zufällig sind, Überraschungen, die – jedenfalls für mich – nicht überraschend sind. Und trotzdem: Wer einen Schmöker für den Urlaub oder das nächste verregnete Wochenende sucht, hat sicher einige Stunden Spaß mit „Angst sollst du haben“. Peter Swanson schreibt unkompliziert und abwechslungsreich genug, um seine Leser*innen bis zuletzt bei Laune zu halten.
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Angst sollst du haben von Peter Swanson
Übersetzung: Fred Kinzel
Verlag: Blanvalet
Erschienen: 15. März 2021
Broschiert: 416 Seiten
ISBN: 978-3734108884
Originaltitel: Before She Knew Him