"Aquila" von Ursula Poznanski, Thriller
Copyright: Loewe

Die deutsche Studentin Nika wacht eines Morgens in ihrer WG im italienischen Siena auf und erinnert sich …. an nichts. Mindestens zwei volle Tage ihrer Erinnerung sind gelöscht. Zwei Tage, in denen offenbar bizarre Dinge geschehen sind. Denn Nika starrt vor Dreck und hat kleinere Verletzungen. Im Bad liegt ein blutiges T-Shirt. Die Wohnungstür ist abgeschlossen, der Schlüssel nicht zu finden. Ihr Handy? Weg. Ihre Mitbewohnerin Jenny? Nicht da. Der Plan ist klar: 1. einen Weg aus der verschlossenen Wohnung heraus finden und 2. rekonstruieren, was geschehen ist. Erste Anhaltspunkte bietet eine kryptische Liste mit rätselhaften Sätzen, die Nika in ihrer Hosentasche findet.

Was Ursula Poznanski wirklich hervorragend beherrscht, sind  Ausdruck und Technik. Ihr Schreibstil ist unverkennbar. Obwohl sie in meinen Augen keine Meisterin der Charakterzeichnung ist, baut sie immer eine intensive Nähe zum Leser auf, indem sie tief in die Köpfe ihrer Figuren eindringt und eine bemerkenswerte Klarheit in deren Gedankengänge legt. Auch ihr neuer All-Age-/Jugendthriller „Aquila“ trägt eindeutig die Handschrift der Autorin. So richtig überzeugen konnte mich das Buch aber nicht.

1. Mensch, Nika! Als Leser befindet man sich in einer Art Gedankenkarussell von Nika, die überlegt, was genau passiert ist, welche Möglichkeiten sich ihr bieten und welche Auswirkungen bestimmte Handlungen nach sich ziehen. Nikas
Situation und ihre ersten Schritte sind äußerst spannend, umso mehr, da die Atmosphäre auf eine
klaustrophobische Weise bedrohlich ist. Blackout, alleine in einem
fremden Land, Probleme bei der Verständigung, keine Familie vor Ort. Noch dazu erfährt Nika mit der Zeit Dinge über die „gelöschten Tage“, die sie zunehmend an sich selbst
zweifeln lassen.
Das Problem ist: Nika rennt zu verbissen in ihrem einsamen Hamsterrad herum. Permanent spielt sie alle Eventualitäten durch, überlegt systematisch und logisch, verpasst aber in einem gigantischen Bogen den Punkt, an dem ihre Alleingänge für mich als Leser nicht mehr nachvollziehbar waren und der Gang zu einer deutschen Behörde oder ein Gespräch mit ihrer Mutter (Urlaubsreise hin oder her) am naheliegendsten gewesen wäre. Nikas Reaktionen waren mir zu starr auf Spannungseffekte ausgelegt und kamen mir mit der Zeit nicht mehr natürlich vor. Ähnlich erging es mir übrigens auch mit den Nebenfiguren.

2. Too much! Während ich die Ursache für Nikas Amnesie 
nachvollziehbar fand (ich habe gegoogelt, zumindest ist an der Sache was
dran), hielt ich den Einfall mit den Geheimbotschaften von Anfang an
für unsinnig. Rätsel und deren Entschlüsselung sind so ein typisches Poznanski-Ding, eine ihrer Vorlieben. Oft fügen sich solche Elemente hervorragend in den Spannungsgehalt eines Buches ein, hier aber wirkte
es aufgesetzt. Die ominöse Liste erschien mir unnötig und gezwungen, weil Nika sich die Sache damit selbst schwer macht. Ja,
die Autorin liefert dafür eine Erklärung. Und nein, abnehmen konnte ich
ihr diese Erklärung nicht. 

3. Gib Gas! Die Spannungskurve ist da, keine Frage. Trotzdem setzen sich die Puzzleteile des Plots extrem langsam zusammen. Der Leser bleibt fast bis zum Ende im Ungewissen. Selbst als endlich die wichtigsten Ereignisse geklärt sind, dehnen sich die Antworten auf letzte offene Fragen noch über mehrere Kapitel hinweg aus. Im letzten Drittel hätte ich mir deutlich mehr Tempo gewünscht.

4. Last but not least: Die Auflösung! Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Meine ersten Gedanken waren: Krass, völlig irre, gleichzeitig banal. Aber glaubwürdig? Eher nicht. Einzelne Aspekte… okay, möglich. Alles zusammengenommen halte ich jedoch für gnadenlos überkonstruiert. Stichwort „See“ und „Tunnel“ – also, was sich da so alles abgespielt haben soll, das war mir zuviel, weshalb das Ende letztlich auch das größte Manko für mich darstellt.

Fazit: Eine schwere Bewertung, da ich durchaus die Stärken von „Aquila“ sehe, den Stil der Autorin sehr schätze, mit der Auflösung und Teilen des Aufbaus aber nicht zufrieden bin. Das Spannungslevel ist hoch, dennoch schleicht sich mit der Zeit eine gewisse Eintönigkeit und Stagnation ein, was vor allem an den Charakteren liegt, die zu sehr dem abgesteckten Rahmen des Plots folgen. Die Auflösung halte ich für teilweise denkbar, teilweise für schwach. Für ein Jugendbuch sicherlich passend, jedoch zu unwahrscheinlich erschien mir auch die Sache mir der rätselhaften Liste. Alles in allem ein gut lesbarer Thriller für ältere Jugendliche, der bei mir persönlich anfangs einen starken, dann nachlassend guten Eindruck hinterlassen hat.

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Aquila von Ursula Poznanski
Format: E-Book
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 432 Seiten
Verlag: Loewe Verlag
Erscheinungstermin: 14. August 2017
ISBN-13: 978-3785586136
Altersempfehlung: 14 – 17 Jahre

9 Replies to “[Rezension] „Aquila“ von Ursula Poznanski

  1. Hey Lex!

    Dieses Buch steht noch auf meiner Wunschliste und du hast deine Kritikpunkte sehr nachvollziehbar dargestellt. Ich finde, dass der Klappentext sehr vielversprechend klingt, hatte aber dabei schon die vage Befürchtung, dass es passieren könnte, dass die Protagonistin sich in ihrer Situation verrennt. Ich habe bereits "Elanus" und "Layers" von Ursula Poznanski gelesen und fand ihren Stil nicht schlecht, habe aber auch immer schon vorausgesehen, wie die Geschichten ausgehen würden. Darum machen mich deine Worte zum Ende dieses Buches sehr neugierg, denn einerseits klingt es so, als sei es ziemlich bizarr, andererseits lese ich da aber auch raus, dass es vielleicht doch ziemlich simpel sein könnte…

    Liebe Grüße
    Laura

  2. Hi Laura.

    Zweiter Versuch! 😉
    Freut mich, dass du meine Rezi nachvollziehen kannst. Als ich den Text geschrieben, gab es ausschließlich positive Rückmeldungen, inzwischen habe ich auch kritische Meinungen gelesen. Trotzdem sind viele schwer begeistert.
    Bis auf "Layers" habe ich alle Bücher von Poznanski gelesen. Ich mag ihren Stil. Trotzdem habe ich in letzter Zeit immer ähnliche Kritikpunkte. Die Handlung und vor allem die Personen fühlen sich nicht echt an und viele Ideen wirken einfach total unglaubwürdig.
    Man kann nicht so leicht auf die Lösung kommen, wie du ja befürchtest. Das liegt aber daran, dass diese auch ziemlich abstrus ist. 😉 Sehr überladen mit Details, die zu entdecken für mich eher nervig waren.

    Nach diesem Buch werde ich wohl ernsthaft eine Poznanskipause einlegen. Die nächsten Werke lasse ich erstmal aus. Ich hoffe, dir gefällt Aquila besser. 🙂

    Liebe Grüße

  3. Huhu Lex,

    ich bin mir bei diesem Buch irgendwie noch total unschlüssig. Der Klappentext klingt schon nicht schlecht, aber irgendwie habe ich ein wenig Angst, dass mich die Geschichte dennoch nicht so packen kann. Du machst mich aber sehr neugierig auf die Auflösung, wobei ich auch hier Angst habe, dass ich deiner Meinung bin. 😀

    Liebe Grüße
    Sandra

  4. Hey Sandra.

    Kennst du schon andere Bücher von Ursula Poznanski? Einige sind wirklich super. "Erebos" hat mich vor Jahren sehr begeistert. Danach war es immer so ein Auf und Ab, wobei ich kein Buch der Autorin als wirklich schlecht bezeichnen würde.
    Ich denke bei Aquila kommt es u.a. darauf an, ob dich Nika durch die Geschichte mitnehmen kann. Ich habe leider irgendwann den Draht zu ihr verloren. Mit dem Effekt, dass mich immer mehr störte.
    Und das Ende, hm…. das ist dann nochmal eine andere Sache. Es ist schon sehr… speziell. Ich hatte mir eine pfiffigere Lösung erhofft. 🙂

    Aber, wie gesagt, anderen hat es super gefallen.
    Schönen Nachmittag dir!

  5. Huhu Lex,

    ja ich habe Erebos (welches ich genial fand), Fünf (ganz nett für einen Krimi) und Saeculum (hat mir gar nicht gefallen) gelesen. Daher kann ich dein Auf und Ab mit ihren Büchern verstehen. Aber die Verratenen-Trilogie soll ja noch richtig super sein. Hast du die schon gelesen?
    Ich tue mich manchmal mit Charakteren auch etwas schwer. Ich denke, erst mal steht es nicht ganz oben auf meiner Wuli.

    Liebe Grüße
    Sandra

  6. Guten Morgen, du.

    Ja, die „Verratenen“ habe ich gelesen – fand ich gut, nur der letzte Teil baut leider etwas ab. „Saeculum“ hat mir teilweise gefallen, aber die Charaktere haben alles verdorben. Ich fand sie unfassbar nervig. Spontan würden mir allerdings auch kaum Jugendthriller anderer Autoren einfallen, die wirklich empfehlenswert sind. Soviele gibt es insgesamt auch gar nicht, außer der Arena-Reihe. Da hat Ursula Poznanski schon eine gute Nische für sich entdeckt, zumal sie sehr altersübergreifend schreibt.
    Schade also um „Aquila“. Solltest du es irgendwann noch lesen, bin ich gespannt auf deine Meinung.

    Liebe Grüße 🙂

  7. Hi Lex!

    Ich bin doch etwas sekptisch wegen der Vorhersehbarkeit, auch wenn du sagst, dass es doch nicht ganz so einfach zu erkennen ist, wie ich vielleicht denken mag. Ich muss da nämlich immer an "Elanus" denken, wo ich vorausgeahnt habe, wie alles kommen wird (ich fand das Buch nicht schlecht, aber für mich war alles irgendwie so offensichtlich).
    Vielleicht ist eine Poznanski-Pause gar nicht mal so verkehrt, wenn es mittlerweile immer dieselben Dinge sind, die dich stören. Hast du bisher nur ihre Jugendbücher gelesen oder auch ihre anderen Werke? (Es wäre ja mal spannend zu schauen, ob dich bei diesen auch dieselben Punkte stören 🙂 ).

    Liebe Grüße
    Laura

  8. Hi Laura,

    ich habe wirklich so gut wie alles gelesen… bis auf "Layers", aber da sind die Kritiken auch etwas durchwachsen. Und ja, mich stören oft dieselben Dinge. Oft ärgere ich mich über die Charaktere oder empfinde den Plot nicht ganz stimmig. Trotzdem habe ich mich bisher auf jedes neue Buch gestürzt – vermutlich in der Hoffnung auf ein zweites "Erebos"… und weil ich den Schreibstil eigentlich echt gerne mag. Naja (seufz)… #nichtdiehoffnungaufgeben 😉

    Liebe Grüße

    P.S. Kennst du "Fünf"? Von den Erwachsenenthrillern hat mir dieses Buch von Upoz am besten gefallen.

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