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Ich mag es, wenn Autoren ungewöhnliche Wege beschreiten und Geschichten erzählen, die anders sind. Genau das schätze ich auch an „Tyger“ vom britischen Autor S.F. Said. Dieses Buch ist märchenhaft-mythisch. Stellenweise aber auch recht düster, weshalb die Altersempfehlung ab 12 Jahren gut gewählt ist.

Das Setting ist eine Art alternative Realität Großbritanniens, in der Fremdenfeindlichkeit und Sklaverei herrschen und der Galgen wieder existiert. Gut geht es nur der weißen Oberschicht, die alle Güter und Ländereien für sich beansprucht. Feudalismus 2.0.

Der junge Adam wurde in England geboren. Seine Eltern stammen jedoch aus dem Nahen Osten, weshalb er in einem Ghetto leben muss. Mit Reparatur- und Näharbeiten hält sich die Familie über Wasser. Bei einem seiner Botengänge begegnet Adam der schwer verletzten Tyger, ein uraltes Wesen aus der Unendlichkeit. Tyger hat gefährliche Feinde und Adam möchte ihr unbedingt helfen. Dazu muss er aber zunächst Licht und Kraft in sich selbst finden.

Beim Lesen wechseln wir zwischen traum-haften, mystischen Szenen und einer trostlosen Realität, die klare historische Bezüge aufweist. Kein Buch, in das man sich einfach fallen lassen kann, eher eines, das den Leser fordert. Unterstrichen wird alles von skizzenhaften, kraftvollen Schwarz-Weiß-Illustrationen.

Die Botschaft des Buches hat mir sehr gefallen und lässt sich anhand dieses Zitates vielleicht ganz gut verdeutlichen:

„Jede Welt kann sich in unendlich viele Richtungen entwickeln und ihr auch. Also dürft ihr nie aufhören, Fragen zu stellen. Überlegt immer, wie die Welt und alles hier um euch herum noch sein könnte“. (S. 180)

Mut, Kreativität, Liebe und Zusammenhalt – wenn Menschen wollen, können sie vieles erreichen. So findet auch Adam im Laufe der Geschichte eine ungeahnte Stärke in sich. Und mit der aufgeweckten Zadie eine neue Freundin.

Stellenweise ist die Story aber schon recht abgedreht. Manche Erlebnisse gleichen transzendenten Erfahrungen, in denen Adam aus seinem Körper heraustritt, in eine Welt des Lichts. Begreifen lässt sich das alles eher mythisch als rational.

Was mir nicht so gut gefallen hat, ist das Fehlen von Grautönen in der Gesellschaftsbeschreibung. Die pauschale Trennung in weiße Oberschicht und unterdrückte Ausländer (so der Begriff im Buch), wirkte auf mich, als jemand, der in der multikulturellen Gesellschaft groß geworden ist, zu stark vereinfacht. Natürlich war und ist die Thematik Fremdenfeindlichkeit aktuell und wichtig, aber hier erscheint sie mir zu stereotyp.

„Wer kommt denn einem Ausländer zu Hilfe!“ Der Mann grinste immer breiter. „Also her mit der Tasche, du elende Kakerlake.“ (S. 11)

Fazit: Kein Wohlfühlbuch. Eine spezielle, andersartige, mythische Geschichte über die Kraft, die Gesellschaften von jeher zum Wandel antreibt. Könnte ich mir auch als Schullektüre vorstellen.

 

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„Tyger“ von S. F. Said
Original: Tyger
Illustrationen: Dave McKean
Übersetzung: Christophe Fricker
Verlag: Karibu
Erschienen: 4. Mai 2024
Hardcover: 304 Seiten
ISBN: 978-3961294114
Empfohlenes Lesealter: ‎ ab 12 Jahren

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