"Johnny Sinclair - Beruf: Geisterjäger" von Sabine Städing, Kinderbuch
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Geisterjäger haben anscheinend Hochkonjunktur! Während der Altersgruppe 12/13+ Jackaby und Lockwood wohlige Schauer über den Rücken jagen, gibt es für Kinder ab 10 Jahren nun fast zeitgleich zwei neue Serien: Nach Frank M. Reifenbergs „House of Ghosts – Das verflixte Vermächtnis“ kommt nun „Johnny Sinclair – Beruf: Geisterjäger“ von Sabine Städing in die Buchhandlungen. Viel gemeinsam haben die beiden Bücher außer dem Thema allerdings nicht. Vor allem nicht, was das Tempo angeht. Denn während „House of Ghosts“ sich hübsch allmählich und mit viel Zeit (manchmal zuviel Zeit) entwickelt, geht’s bei Johnny Sinclair zackig-turbulent zur Sache (für mich manchmal etwas zu turbulent).

Johnny Sinclair ist 12 Jahre alt und lebt zusammen mit seinem haitischen Kindermädchen Cécile auf dem alten, schottischen Anwesen Greyman Castle, während seine Eltern – geachtete Ethnologen – in der Weltgeschichte herum bummeln. Langweilig wird es Johnny in der gruseligen Burg mit ihrer düsteren Bibliothek, den zerfallenen Türmen und Geheimgängen aber nicht. Denn seit kurzem sieht Johnny Geister. Und davon gibt es hier gleich vier auf einen Streich. Weil ihm keiner glauben will, muss Johnny sich selbst helfen und bekommt dabei ungewöhnliche Unterstützung von einem eigenwilligen, sprechenden Totenschädel.

Mit Geistern kann man mich fast immer glücklich machen, und auch Sabine Städing ist es gelungen, mir – obwohl deutlich Ü10 – ein paar schöne Lesestunden zu bescheren. Insgesamt erfindet die Autorin das Gespensterrad zwar nicht neu, peppt Bekanntes aber gekonnt mit eigenen Ideen auf, wie etwa die Geisterjagd mit Salzwasserpistole. Ganz im Gegensatz zum großen Vorbild „Geisterjäger John Sinclair“ geht es hier größtenteils humorvoll zu. Mit viel schottischem Moor-und-Nebel-Flair auch (der Zielgruppe entsprechend) gruselig und so unterhaltsam, dass man sich fix durch die Seiten liest.

Was jedoch sofort auffällt, ist der Schreibstil: Viele Dialoge, rasche Szenenwechsel, wenige Beschreibungen und leider auch wenige Erklärungen. Die Geschichte ist spaßig heruntergeschrieben, ein einordnender Erzählrahmen und eine intensivere Charakterzeichnung habe ich jedoch vermisst. Nicht nur
dem Hauptprotagonisten würde ein wenig mehr Kontur gut zu Gesicht
stehen. Auch die Nebenfiguren könnten etwas Farbe um die Nase definitiv
vertragen. Und: Warum kann Johnny eigentlich plötzlich Geister sehen? Wo kommen die her? Was wollen die? Warum kann anfangs nur Johnny Geister sehen, im Laufe des Buches aber auch alle anderen? Was hat es mit dem Voodookult des Kindermädchens auf sich? Wo genau sind Johnnys Eltern? Fragen über Fragen, auf die es vielleicht in den nächsten Bänden Antworten gibt.

Auf der Plus-Seite muss der einfache, natürliche Erzählton genannt werden. Die Autorin vermeidet eine gewollt-coole Teenagersprache und besticht durch ungekünsteltes, lebendiges Erzählen. Und: Sie steigt ohne langen Vorlauf in die Geschichte ein, so dass junge Leser schnell gefesselt sein dürften.

Das Buchensemble ist im Zusammenspiel überschaubar, aber bunt und vielversprechend: das voodoo-affine Kindermädchen Cécile, der trottelige, treue Freund Russell, der altkluge Schädel und die sonderliche junge Millie, spielen sich so langsam warm und könnten sich zu einem tollen Team entwickeln.

Es handelt sich zwar um einen Reihenauftakt, allerdings kann man die Geschichte prima als Einzelband lesen: Johnny macht erste Erfahrungen mit der Geisterwelt, legt sich gemeinsam mit seinen Freunden wirksame Strategien gegen die spukenden Störenfriede zurecht und am Ende hat er seinen ersten „Fall“ erfolgreich abgeschlossen und ist bereit für neue Abenteuer.

Fazit: Burg Schreckenstein trifft Geisterjäger. Altersgerecht-gruseliges und humorvolles Buch für Jungs, an dem sicher auch Mädchen ihre Freude haben. Einige Erklärungen und eine prägnantere Charakterzeichnung könnten aber nicht schaden. Da darf man der Altersgruppe ruhig mehr zutrauen!

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Johnny Sinclair – Beruf: Geisterjäger“ von Sabine Städing
Illustrationen: Mareikje Vogler 
Hardcover: 272 Seiten
Verlag: Bastei Lübbe (Baumhaus)
Erscheiningstermin: 16. März 2017
ISBN: 978-3833904677
Altersempfehlung: 10 – 12 Jahre

2 Replies to “[Rezension] „Johnny Sinclair – Beruf: Geisterjäger“ von Sabine Städing

  1. Hey Alex!
    Deine Rezension ist auch klasse! Du hast Recht, mache Details werden einfach ausgelassen, so habe ich mich mehrmals gefragt, wie die zwei Jungs aus Johnnys Klasse auf einmal in die Burg kommen und warum die Gespenster sich am Anfang nur ihm zeigen und am Ende allen Leuten aus dem Dorf. Aber ich hoffe wie du, dass sich da noch einiges in den nächsten Büchern aufklären wird.
    Liebe Grüße
    Svenja (Pan Tau Books)

  2. Hi Svenja.
    Ja, einige Erklärungen wären schön, denn es ist ja ansonsten wirklich ein nettes Buch. Ich hoffe auch, in den nächsten Bänden mehr von den Nebencharakteren sehen zu dürfen. Da geht noch was. 😉
    LG Alex

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