"HELIX. Sie werden uns ersetzen" von Marc Elsberg, Thriller
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Aller guten Dinge sind … na? Drei? Nein, ausnahmsweise
leider nicht. Zweimal konnte Marc Elsberg mich bereits mit seinen spannenden
und thematisch hochaktuellen Technikthrillern überzeugen – dieses Mal hat es
leider nicht geklappt. Nach seinem Stromkollapsszenario „BLACKOUT. Morgen ist es zu spät“ und dem
Datenkraken-Pageturner „ZERO. Sie wissen, was du tust“, schaffte es „HELIX. Sie werden uns ersetzen“ leider nicht annähernd, mich
vergleichsweise zu begeistern. Mit der Wahl der Thematik für sein neues Buch erweist
sich Marc Elsberg allerdings erneut als Meister im Aufspüren brisanter Sujets. Es
geht um Genmanipulation in erschreckendem Ausmaße, um die Frage, wohin die
Wissenschaft steuert und was tatsächlich bereits möglich ist.

Ein toter Außenminister, dessen Obduktion eine seltsame Mutation
am Herzen ergibt, genetisch veränderter Supermais in Tansania, eine
verschwundene Studentin und ein kinderloses Paar in einer Klinik für künstliche
Befruchtung – diese Handlungsstränge macht Elsberg auf und begibt sich gleich
darauf auf eine Art Spothopping. Alle paar Seiten wechselt er Schauplätze und Handlungsebenen.
Konzentration ist gefragt, ruhige Leseatmosphäre hilfreich, um anfangs Orte und
(einige gleich klingende) Namen auseinanderhalten zu können. Mit der nötigen
Aufmerksamkeit gelingt der Einstieg allerdings leicht. Die Frage treibt um, was
hinter den verschiedenen Ereignissen steht und die Überzeugung wächst, dass
alle miteinander zusammenhängen, was selbstverständlich der Fall ist. Die Schauplätze dienen
Elsberg dazu, sich einer komplexen Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln zu
nähern, sie einzugrenzen sowie Möglichkeiten und Gefahren aufzuzeigen. Dieses
Unterfangen beginnt vielversprechend, schien mir nach einigen hundert Seiten
(von insgesamt fast 650) allerdings zu entgleiten. Das meiste war gesagt, das wichtigste
erklärt – nun galt es, die wissenschaftlichen Aspekte in eine spannende
Romanhandlung einzubetten. Und hier hapert es gewaltig.

Das Erschaffen vielschichtiger Romanfiguren ist Elsbergs
Stärke nicht – als schematisch und eindimensional werden sie häufig bezeichnet,
dienen sie doch eher als Stichwortgeber, um das große Feld von Technik und
Forschung aufzuarbeiten. In „HELIX. Sie werden uns ersetzen“ entfernt sich Marc Elsberg allerdings
weiter als beispielsweise in „BLACKOUT. Morgen ist es zu spät“ von der derzeitigen Realität hin zu
einer fiktiven Zukunft. Diesem fiktionalen Anteil fehlen meinem Empfinden nach
deutlich die Zugpferde, überzeugende Charaktere und leider auch ein guter
Spannungsbogen. In schnellem
Wechsel hetzen die Protagonisten durch Handlungsebenen und –orte. Gleichzeitig
verliert sich der Plot in Details, etliche Ereignisse enden in Sackgassen,
Teile werden nicht zu Ende gedacht, andere mehrfach wiederholt, Figuren werden eingeführt,
die kurz darauf wieder von der Bildfläche verschwinden, Charaktere angerissen
und nicht weiter vertieft.

Der Begriff „holprig“ fällt mir ein, wenn ich beschreiben
sollte, auf welche Weise schließlich die Handlungsfäden zusammenfinden.
Ungelenk und uneben gipfeln sie in einer Vision aus genetisch veränderten
Superkindern, die in einer abgeschlossenen Anlage heimlich bereits seit Jahren „hochgezüchtet“
werden. Eine ebenso beängstigende, wie fesselnde Vision, die – aus den
genannten Gründen – weit unter ihren erzählerischen Möglichkeiten bleibt.


Die eigentliche Leistung liegt in meinen Augen (erneut)
in der guten Recherche einer Thematik, die bisher wohl viele in ihren realen
Ausmaßen kaum wahrnehmen. Die Geschichte brachte mich dazu nachzulesen, von
Elsberg verwendete Begriffe zu googlen und zu überprüfen und so musste ich
erschrocken feststellen, dass in der aktuellen Forschung tatsächlich weitaus
mehr möglich ist und möglich gemacht wird, als ich bisher angenommen hatte. Von Superkindern à la „HELIX“
sind wir aufgrund des komplexen Zusammenspiels von Genen wohl noch ein ganzes
Stück entfernt. Darüber nachzudenken, was geschehen könnte, wenn die letzten Geheimnisse
der DNA gelüftet sind, ob wir die dann entstehenden Möglichkeiten ausschöpfen
würden oder nicht, war für mich ein spannendes Gedankenspiel, das viele unheimliche
Gänsehautmomente beinhaltete, aber auch einen überraschend großen Graubereich offenbarte,
den ich persönlich weder fassen kann, noch zu bewerten vermag.

Angetrieben hat mich die Frage, wie weit Marc Elsberg den
wissenschaftlichen Forschungsdrang in „HELIX. Sie werden uns ersetzen“ auf die Spitze treibt und mit
welchem Gefühl er seine Leser wieder in die Gegenwart entlässt. In beiden Fällen
bleibe ich ratlos zurück. Die durchgängige Austauschbarkeit und
Undurchsichtigkeit der Figuren, das sprunghafte Hindümpeln der Handlung und
schließlich ein Finale, das in spannungslosen, unnötigen Actionszenen gipfelt, lenkten
meine Aufmerksamkeit von genau diesen Fragen zu sehr ab und erst auf den
allerallerletzten Seiten konnte mich Marc Elsberg mit einem teuflisch
nachvollziehbaren Ausblick wieder versöhnlich stimmen.

Selten habe ich eine negative Bewertung so sehr bedauert. Denn
dass Marc Elsberg seine Leser zu packen weiß, hat er bereits zweimal bewiesen
und in mir eine treue Leserin gefunden. In diesem Sinne habe ich die Hoffnung,
dass aller guten Dinge einfach mal vier sind und der Autor mit seinem nächsten
Werk zu alter Stärke zurückfindet. Egal, was er dann wieder ausgräbt, ich bin auf jeden Fall dabei!

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HELIX. Sie werden uns ersetzen von Marc Elsberg 
Gebundene Ausgabe: 648 Seiten 
Verlag: Blanvalet Verlag 
Erscheinungstermin: 31. Oktober 2016 
ISBN: 978-3764505646

2 Replies to “[Rezension] „HELIX. Sie werden uns ersetzen“ von Marc Elsberg

  1. Beide Bücher erwecken den Anschein, die Handlung könne hier und jetzt sofort real werden. Daher die Spannung…ich habe beide trotz des eher nüchternen Erzählstils verschlungen. Vielleicht gibst du ihnen noch eine Chance… 😉
    Liebe Grüße

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