"All die verborgenen Dinge" von Sarah Moore Fitzgerald, Jugendbuch
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Manche Orte auf dieser Welt scheinen eine besondere Anziehungskraft
für uns Menschen zu haben. Und wahrscheinlich kann sich jeder noch an genau die
Orte aus seiner Kindheit oder Jugend erinnern, die man trotz eines elterlichen
Verbotes immer gerne besucht hat. Womöglich hat dieses Verbot das Fleckchen
Erde für seine Besucher noch viel reizvoller gemacht. 
Für Minty, der
literarischen Hauptfigur aus „All die verborgenen Dinge“, gibt es auch so einen
verlockenden Ort: Nettlebog, ein Stück Land mit einem tosenden Fluss. Das
Verlockende an Nettlebog ist aber nicht nur, dass es scheinbar der einzige
Platz auf der Welt ist, an dem sich Minty nicht verstellen muss und sagen kann,
was sie denkt. Sondern auch Ned – der undurchschaubare Neue aus ihrer
Klasse, den alle Mitschüler seltsam finden, weil ihm scheinbar alles egal ist –
, der in einem Wohnwagen direkt am Flussufer lebt, ist ein weiterer Grund.

„Er ging mir ständig durch den Kopf. Der Junge, der im
Wohnwagen lebte. Der Junge, der um Mitternacht ein großes Feuer machte und auf
einem Autoreifen über den Fluss schwang, vor und zurück, und dabei laute,
unverständliche Schreie ausstieß. Dieser Junge, von dem alle sagten, er tauge
nichts.“ Seite 32

Für Minty ist Neds natürliche Wildheit sehr beeindruckend
und die zwischen ihnen zart aufkeimende Freundschaft, lässt Minty die Welt mit
anderen Augen sehen und sie erkennt, was anderen verborgen bleibt.

Sarah Moore Fitzgerald, die Autorin von „All die verborgenen Dinge“, ist für mich keine Unbekannte, denn vor über einem Jahr kredenzte mir
diese Autorin mit „Das Apfelkuchenwunder oder Die Logik des Verschwindens“ einen
literarischen Leckerbissen, der mich tief berührt hat. Dem entsprechend waren
meine Erwartungen etwas höher, als bei anderen Büchern. Gespannt folgte ich
Mintys Einführung in die Geschichte, ohne zu wissen, wer mir diese Geschichte
erzählt. Ohne sich vorzustellen plaudert eine unbekannte Erzählerstimme – erst ertwas später erfährt der Leser, um wen es sich dabei handelt -, munter drauf los und berichtet von einem aufregenden
Schultag, der zusammen mit einem neuen Schüler dafür verantwortlich ist, dass
sich Mintys Leben für immer verändern wird. Jedoch gibt es für diese gravierende
Veränderung auch noch andere familiäre Ursachen, über die uns Minty im Laufe
der Geschichte berichtet. Wir Leser haben Teil an Mintys Schicksal und erleben,
wie sie sich entwickelt und über sich hinauswächst.

Den ausdrucksstarken und bildhaften Schreibstil von Sarah
Moore Fitzgerald erkennt man mit der ersten gelesenen Zeile und hätte ich mir
jedes schöne und manchmal sehr poetische Zitat farblich im Buch gekennzeichnet,
wäre mein Exemplar jetzt kunterbunt.

„Gerüchte sind nur Wörter. Sie schweben durch die Luft, von
einer Stimme zu anderen, und sie sind unsichtbar. Komisch, wenn man sich
überlegt, wie viel Macht sie trotzdem haben können. Manche schneiden wie spitze
Messer, andere sind eiskalte Hämmer – sie können so viel Schaden anrichten, als
wären sie reale Gegenstände, die herumfliegen und dich ins Gesicht treffen,
wenn du es am allerwenigsten erwartest.“ Seite 67

Die vielen kurzgehaltenen Kapitel und die sehr flüssige
Schreibweise machen es dem Leser sehr leicht durch die Zeilen zu fliegen. Und
doch konnte mich die Autorin nicht komplett mit ihrer Geschichte überzeugen.
Das lag vor allem an der sprunghaften Erzählweise. Sarah Moore Fitzgerald
beschäftigt sich in ihrem neuen Buch mit vielen gewichtigen Themen, wie dem
Erwachsenwerden, der Freundschaft, Vorurteilen, die Liebe zu Pferden und damit, wie
Eheprobleme die Kindheit belasten können. Es gelingt ihr jedoch nicht, all
diese an sich wunderbaren Elemente miteinander verschmelzen zu lassen. Es wirkt
manchmal wie ein Puzzle, dessen Teile nicht zusammenpassen. 
Durch die kurze und
sprunghafte Abhandlung der vielen Themen fehlt es der Geschichte an Tiefe. 
Auch
die literarischen Figuren sind leider nicht so bestechend und einige hätte die
Autorin auch gut einsparen können, weil sie für die Geschichte unwichtig und
noch dazu sehr blass wirkten.

Schon sehr lange fieberte ich dem Erscheinen von „All die verborgenen Dinge“ von Sarah Moore Fitzgerald entgegen und konnte es kaum
erwarten, einen neuen literarischen Leckerbissen zu genießen. Jedoch wollte der
Funke der Begeisterung dieses Mal nicht auf mich überspringen.

All die verborgenen Dinge von Sarah Moore Fitzgerald
Übersetzung: Adelheid Zöfel
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten 
Verlag: FISCHER KJB 
Erscheinungstermin: 23. März 2017 
ISBN: 978-3737351973 
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 12 Jahren

5 Replies to “[Rezension] „All die verborgenen Dinge“ von Sarah Moore Fitzgerald

  1. Meine liebe Katrin,

    Auch hier sind wir mal wieder ganz einer Meinung. Leider hat auch mich das Buch nicht so wirklich überzeugen können und meine Kritikpunkte ähneln deinen sehr. Zu viele Themen, zu wenig Tiefe und zu blasse Charaktere und für mich wars außerdem zu viel Pferd 🙁

    Aber da du jetzt schreibst das dich das Apfelkuchenwunder sehr berührt hat, geb ich dem Buch eine Chance. Es steht hier schon 🙂

    Liebe Grüße Ina

  2. @Ina

    Oh ja! Mach das bitte! Ich fand es sehr schön. Allerdings hat mich die Thematik auch sehr interessiert.

    Du sagst es: Das Pferd war zu viel! Sie hätte sich mehr auf ihre Charaktere und deren Baustellen konzentrieren sollen. Das hätte völlig ausgereicht.

    @BuboBubo

    Wenn du es liest berichte bitte, ob es dir gefallen hat 🙂

    Liebe Grüße
    Katrin

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