"Der unsichtbare Wink" von Emily Jenkins, Kinderbuch
Copyright; Carlsen

Die Tage kommen uns kürzer vor; es ist draußen dunkel, kalt und meist auch noch nass und man möchte sich die Decke über den Kopf ziehen. Zeit für magische, wärmende, rund-um-glücklich Lektüre! Emily Jenkins fantastische Kinderbuchreihe um den „unsichtbaren Wink“ und seinen Freund Hank Wolowitz wollte ich euch eigentlich schon als Halloween-Rezi präsentieren; sie passt aber vom Handlungszeitpunkt des dritten Bandes viel besser in die neblige Vorweihnachtszeit. Jetzt wird es also höchste Zeit, dass alle, die Wink und Hank noch nicht kennen, von dem liebens- und lesenswerten Duo unterrichtet werden, denn Emily Jenkins‘ Bücher haben jenen gewissen Zauber inne, der auch Werken von Cornelia Funke oder Sven Nordqvist inhärent ist. Für wen „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ oder „Hinter verzauberten Fenstern“ und „Morgen, Findus, wird’s was geben“ oder „Pettersson kriegt Weihnachtsbesuch“ zur absoluten Must-Read-Every-Single-Year-Without-Exceptions gehören, der wird auch von Wink begeistert sein, der das halloweenig-herbstliche Pendant zu den genannten Büchern ist – und bestimmt das einzige Buch, das bei winterlichen Temperaturen Lust auf Eiscreme schürt. Für mich ist die Ankündigung eines Folgebandes jedes Jahr die Einläutung des Herbstes. Da ich noch keine Kinder habe, muss ich mich allein im fiktiven „Großen runden Kürbis“ vergnügen, aber bald kann ich mir ja zum Glück ein paar kleine Erdenbewohner zum gemeinsamen Schmökern ausleihen, nicht wahr, Kathrineverdeen?

Band 1, „Der unsichtbare Wink“: Hank Wolowitz wohnt in Brooklyn und ist etwas einsam, seit sein bester Freund Wainscotting in einen anderen Bundesstaat gezogen ist und er obendrein von einem fiesen Mitschüler Gullicut gemobbt wird. Doch eines Tages macht er in der Eisdiele seiner Eltern, dem „Großen runden Kürbis“, Bekanntschaft mit einem unsichtbaren Wesen – Wink, dem letzten Bandapaten auf der Erde. Dessen absolute Leibspeise ist nämlich Kürbis, doch trotz des vielversprechenden Namens verkaufen Hanks Eltern gar nichts von dem köstlichen Gut – was für ein Dilemma! Gemeinsam wollen sie das Problem lösen – und das des fiesen Mitschülers gleich mit. Das gelingt auch – irgendwie -, aber endet ganz anders als gedacht…

Band 2, „Der unsichtbare Wink und die Kürbisse des Grauens“: Halloween – ein Fest, das für Hank aus verschiedenen Gründen eher negativ konnotiert ist, entwickelt sich seit seiner Freundschaft zu Wink, der inzwischen in seinem Wäschekorb wohnt, zu einem echten Problem. Dessen Abhängigkeit nach Kürbisfleisch gefährdet Nadias (Hanks Schwester) Teilnahme  am Kürbisschnitzwettbewerb ihrer Schule. Und auch alle anderen Jack-o-Lanterns der Stadt schweben in größter Gefahr, dem unsichtbaren Bandapaten zum Opfer zu fallen. Zusätzlich belasten familiäre Konflikte die Idylle, sodass es pünktlich zum Fest zu einem Eklat kommt, bei dem nicht nur eine Kürbis-Bombe platzt…

Band 3, „Der unsichtbare Wink und das Eiskeksduell“: Es ist Vorweihnachtszeit in Brooklyn und die Stimmung bei Familie Wolowitz so trübsinnig wie das Wetter. Wink leidet unter Frischkürbisentzug, Hank wird von seiner Mutter zum Schwimmunterricht gezwungen, obwohl alle aus seiner Klasse im erfolgreicheren Team schwimmen und zu allem Überfluss werden Hanks Eltern in dieser, für Eisverkäufer ohnehin wirtschafltich bedenklichen Zeit, von einer Konkurrentin bedroht: Betty-Ann, deren Eiskekse reißenden Absatz finden, hat ihren Wagen direkt vorm „Großen runden Kürbis“ aufgestellt. Eine Lösung muss her – am besten für alle Probleme auf einmal! Das das nicht immer so leicht ist, stellen Hank und Wink bald fest. Aber eines ist sicher: Freundschaft hilft über die größten Krisen hinweg und gemeinsam ist man stärker…

Copyright: Carlsen Verlag

Was für ein Spaß! Hank und Wink sind ein so unberechenbares, unkonventionelles und unfassbar komisches Duo, dass ich jedes Mal nach einem Buch den Tränen nah bin – vor Lachen, aber auch vor Traurigkeit, weil ich ein Jahr auf das nächste Abenteuer warten muss. Ich möchte nicht zu viel verraten, denn – der empfohlenen Altersklasse gemäß – ist das große Lesevergnügen ohnehin jedes Mal viel zu schnell vorbei.

Einige der größten Stärken von Jenkins sind die authentische Erzählweise und die zauberhaften Charaktere. Hanks Sicht beschreibt die Ereignisse mit der richtigen Mischung aus Ironie, Situationskomik und Gefühl. Die Menschen sind nicht fehlerlos, das Leben nicht konfliktfrei und die Auflösung nicht realitätsfern – im Gegenteil: Jenkins erzählt von Alltagssorgen, Familienproblemen und Geldnöten, ohne die moralische Keule zu schwingen oder unnötigen zu dramatisieren. Ernstere Töne werden von einem magischen Hauch abgefedert, ohne hinter diesem zu verblassen. Dadurch wirkt die Geschichte – trotz des fantastischen Elements eines unsichtbaren Bandapaten – realistisch, originell und gefühlvoll und ist vergleichbar mit denen von Funke, Nordqvist und Sommer-Bodenberg. Kinder sollten sich in Geschichten wiederfinden, ohne dass ihnen die Magie der Kindheit genommen wird. Wie sehr habe ich mir als Kind einen Vampirfreund gewünscht und wie oft habe ich nach Wichteln im Wald Ausschau gehalten und Mucklas auf dem Dachboden erspähen wollen. Siebenjährige Leser werden in dieser Reihe eine neue Inspiration für ihre Fantasie bekommen – einen unsichtbaren Wink! – und gleichzeitig in ihren Kindersorgen und -ängsten sensibel und nachhaltig betreut. Vermittelt wird vor allem, Stärke aus sich selbst heraus zu entwickeln. Denn Winks Ratschläge sind in der Regel gut gemeint, aber wenig hilfreich, sodass Hank sich mit der Zeit eigene Lösungen überlegen muss und dadurch hilfreiche Fähigkeiten entwickelt. Hierbei geht es weniger um Heroentum und Wunderwerke als um Selbstbewusstsein, Scharfsinn und Verantwortung. 

Sollte ich einen Liebling unter den Geschichten wählen – die im Übrigen alle unabhängig voneinander gelesen werden können, auch wenn es hier und da Anspielungen auf vorige Ereignisse gibt -, könnte ich mich nicht entscheiden. Der erste Band ist vielleicht der witzigste (ich schwöre euch, ich habe Tränen geheult vor Lachen bei „Würztuda Örk“), der zweite der halloweenigste und der dritte der weihnachtlichste und konfliktreichste. Also: alle gut – alle lesen!

Optisch und haptisch hat der Carlsen Verlag natürlich wieder einmal ganze Arbeit geleistet: Die Bände kommen als Hardcover im laminierten Pappeinband daher und zählen an die 160 Seiten. Ein besonderes Gimmick ist der unsichtbare Wink, der durch Reiben auf der Coveroberfläche sichtbar wird. Viele liebevolle und detailreiche schwarz-weiß Zeichnungen von Joelle Tourlonias begleiten das erzählte Geschehen. Der Zeichenstil will mir persönlich zwar überhaupt nicht zusagen, ist aber objektiv wirklich gut gelungen. Gabriele
Haefs zeigt sich für die Übersetzung ins Deutsche verantwortlich und hat ihren Job gut gemacht! „Der unsichtbare Wink“ hat 2013 den Leipziger Lesekompass gewonnen.

„Der unsichtbare Wink“ von Emily Jenkins
Hardcover: 208 Seiten
Erscheinungsdatum: August 2012
Verlag: Carlsen
ISBN:

978-3-551-55593-9

„Der unsichtbare Wink und die Kürbisse des Grauens“ von Emily Jenkins
Hardcover: 144 Seiten
Erscheinungsdatum: Oktober 2013
Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-551-55606-6

„Der unsichtbare Wink und das Eiskeksduell“ von Emily Jenkins
Hardcover: 160 Seiten
Erscheinungsdatum: Oktober 2014
Verlag: Carlsen
ISBN: 978-3-646-92666-8

6 Replies to “[Rezension] „Der unsichtbare Wink“ von Emily Jenkins

  1. Ich nehme dich beim Wort! Die kleine "Buch-Schmöker-Leihgabe" sitzt schneller im Zug als du hier schreien kannst 🙂
    Vielen Dank für diese tolle Buchbesprechung! Ich schauen ja jetzt schon vermehrt nach interessanten Geschichten für Kinder, auch wenn es dafür eigentlich noch viel zu früh ist. Diese Bücher werde ich mir auf jeden Fall zulegen!!!
    LG

    1. Ja, gern! Sag einfach Bescheid, dann sitze ich im Zug – mit der Wink-Reihe im Gepäck! 😀
      Die Bibliophilie kennt keine (Alters-)Grenzen, man kann nie früh genug mit Büchernachschub anfangen. Natürlich ist das auch der Grund, warum ich Kinderbücher lese – alles Recherchezwecke für später, ganz selbstlos… *hust hust*

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