"Mehr als das" von Patrick Ness, Jugendbuch
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Schon mit den ersten Sätzen machte Patrick Ness deutlich, dass
sein neues Buch mit dem imposanten Titel „Mehr als das“ kein locker leichtes
Leservergnügen bietet. Gerade mit den ersten Seiten entscheidet der Leser, ob
er sich auf diese dramatische Thematik einlassen kann oder nicht, denn im
Prolog dieser Geschichte wird man mit einem erschreckenden Szenario
konfrontiert. Wir Leser werden zu stummen Zeugen und müssen einem Jungen bei
seinem aussichtslosen und verzweifelten Todeskampf zusehen und erleben mit ihm die letzten Minuten seines Lebens, ohne ihn zu kennen. Man liest die letzten Gedanken, erlebt
den letzten Schmerz, der durch seinen Körper fährt, bevor er stirbt.
Eigentlich wäre das doch ein passendes Ende für eine Geschichte, also wieso
lässt Patrick Ness seine literarische Hauptfigur Seth gleich zu Beginn sterben? 

„Ist das die Hölle? Für immer und ewig allein in deiner schlimmsten Erinnerung gefangen zu sein? Irgendwie ergäbe das Sinn.“ Seite 47


Das sind Seths erste Gedanken, nachdem er an einem seltsamen
und verlassenen Ort nackt und verletzt, aber völlig lebendig, erwacht. Mit dem
Ort sind vielen furchtbaren Erinnerungen aus seiner Kindheit verbunden. Während
Seth zu verstehen versucht, was mit ihm und um ihn herum geschieht, erwacht
eine leise Hoffnung in ihm. Vielleicht ist das nicht das Ende und das Leben
bietet noch mehr als das
Nachdem mir, der sehr dramatische Prolog die Luft zum Atmen
nahm, musste ich lange warten, bis dieses atemlose Gefühl vergangen war. Denn
während Seth versucht, sich an diesem verlassenen und einsamen Ort zu
arrangieren, prasseln immer wieder längst verdrängte Erinnerungen auf ihn ein.
So bekommt man einen guten Eindruck von seinem vergangenen Leben und erfährt
viele Schwierigkeiten, mit denen Seth zu kämpfen hatte. Von komplizierten und
nicht geduldeten Beziehungen und einer großen Schuld, an der er schwer zu
tragen hat. Bevor man als Leser jedoch alle Erinnerungsbruchstücke
zusammensetzen kann, verfliegen etliche Kapitel, in denen man oft ins Grübeln
gerät. 
In vier Teilen mit kurz gehaltenen Kapiteln begleiten wir
Leser Seth durch sein neues Leben, das nicht nur uns viele Rätsel aufgibt. Ness
gibt nur sehr spärlich Informationen an Seth und die Leser weiter. Diese
Tatsache ist vor allem für seine literarische Hauptfigur sehr zermürbend. Nach
jedem beendeten Teil kommt man der Wirklichkeit etwas näher…denkt man. Ich
hatte viele Vorahnungen, allerdings verwirrten mich viele gut herausgearbeitete
Details des Autors aufs Neue und warfen meine konstruierten Denkansätze restlos
über den Haufen. Zum Ende ließ mich Ness jedoch etwas ratlos zurück, denn ich
hatte so viele offene Fragen, die der Autor nicht beantwortet hat. So blieb mir
nichts anderes übrig, als mir ein eigenes Ende zusammen zu spinnen.

Ness bearbeitet viele wichtige Themen in diesem Buch – ohne
mahnend den Zeigefinger zu erheben und philosophische Weisheiten mitzuteilen -,
die mich wirklich beschäftig haben. Durch seinen wortgewaltigen Stil erschafft
er eine besondere Stimmung. Eine bedrückende und schwermütige Atmosphäre, die
unter die Haut geht. 

„Mehr als das“ war für mich ein etwas anderes Leseerlebnis,
denn ich war völlig fasziniert von Nessˈ Fähigkeit,
mir eine literarische Figur so nahe zu bringen, dass ich dessen Emotionen am
eigenen Leib spüren konnte. Für mich persönlich wurde diese Geschichte
allerdings auch sehr schwermütig, denn Seth führte ein sehr bewegtes Leben. 

Mehr als das von Patrick Ness 
Gebundene Ausgabe: 512 Seiten 
Verlag: cbt
Erscheinungsdatum: 24. März 2014 
ISBN: 978-3570162736

2 Replies to “[Rezension] „Mehr als das“ von Patrick Ness

  1. Das Buch steht schon auf meiner WuLi, aber du hast mich jetzt noch neugieriger darauf gemacht, dass es gleich mal ein paar Zeilen nach oben gerutscht ist. 🙂 Vielen Dank für die tolle Rezension. 🙂
    GLG
    Kitty ♥

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