Als Ernesto die Geschichte von einem Freund hört, kann er
es nicht glauben: Ein Mädchen soll mutterseelenallein, fernab der Zivilisation,
in einer zusammengenagelten Hütte in einem düsteren Wald leben. Zweifelnd macht
sich Ernesto auf den Weg, den Wald zu finden, um sich selbst davon zu
überzeugen, dass dieses Mädchen wirklich existiert. Dann steht er plötzlich vor
der verfallenen Hütte und begegnet ihr: Liberty Bell.
Liberty Bell ist im Wald aufgewachsen und Ernesto ist der
erste Junge, den sie je zu Gesicht bekommen hat. Ernesto setzt alles daran, um
herauszufinden, was diesem Mädchen wiederfahren ist, dass es einsam in diesem
Wald leben muss. Doch diese Neugierde ruft ungeahnte Folgen hervor.

"Liberty Bell. Das Mädchen aus den Wäldern" von Johanna Rosen, Jugendbuch
Copyright: Arena

Als ich mich vorab über „Liberty Bell. Das Mädchen aus den Wäldern“ von Johanna Rosen informierte, habe ich mir eine etwas andere
Geschichte vorgestellt. Eine Liebesgeschichte zwischen einem zivilisierten
Jungen und einem Mädchen, das in einem Wald aufwuchs. Nicht im Entferntesten
ahnte ich, was diese zarte Liebesgeschichte mit sich bringen würde. Eh ich mich
versah, wurde ich gefangen genommen von einer liebenswerten aber auch sehr
tragischen Geschichte in der mit jeder gelesenen Seite neue Fragen aufgeworfen
und Geheimnisse enthüllt wurden. Und mit jeder Enthüllung wurde die Handlung
komplizierter, dichter, spannender und von einer zunehmend bedrückenden
Atmosphäre begleitet.

Am Anfang tat ich mich jedoch etwas schwer. Zu verwirrend
und blass waren die vielen Charaktere mit ihren unendlich langen Namen (z.B.
Darayavahush), die meist in Grüppchen auftraten und von mir sehr schlecht
auseinander gehalten werden konnten. Diese Gruppe von 17-  bis 18-jährigen Jungen begleitet und
unterhält den Leser während der ganzen Geschichte. Die oft von Testosteron
geschwängerten Dialoge kann jeder Leser anders erleben. Der eine wird belustigt
sein, doch ein anderer stört sich vielleicht an den pubertären Ausdrucksweisen
und hält sie für einfältig. Für mich passte es einfach zu dieser Gruppe und zum
Thema. Nach ca. fünfzig  gelesenen Seiten
hatte ich dann Ernestos Freunde besser kennengelernt, konnte sich etwas besser
auseinander halten und mich auf das Geschehen konzentrieren. Es ist auch
notwendig, sich während des Lesens zu konzentrieren, denn der Schreibstil der
Autorin ist sehr sprunghaft und man bekommt immer wieder kleinere
Puzzleteilchen zugeworfen, die es gilt, zusammen zu setzten. Alte Briefe und
Tagebücher tauchen plötzlich auf und steigern die Spannung. Gut konstruierte
Fassaden fangen an zu bröckeln und enttarnen gut gehütete Geheimnisse. Auf den
letzten hundert Seiten bleibt dem Leser keine Zeit, um dieses Buch aus der Hand
zu legen. Die Ereignisse überschlagen sich, werden bizarr und verwirren. Und plötzlich
passen alle Puzzleteile zusammen, weil alle Fragen beantwortet werden.
Fasziniert war ich von Liberty Bell, denn sie ist, im
Vergleich mit Ernesto, ein völliger Kontrast zu unserer zivilisierten Welt. Was
für jeden als „normal“ bezeichnet wird, ist ihr fremd. Während wir ganz
gemütlich zum Kühlschrank gehen, wenn wir hungrig sind, muss Liberty Bell sich
ihr Essen erst erkämpfen. Sie wird nicht abgelenkt vom Internet oder Facebook,
sondern lebt ein Leben beschränkt auf die wesentlichen Dinge. Irgendwann wird
sie jedoch mit dieser Welt konfrontiert und muss dazu lernen, auch wenn sie von
großen Ängsten begleitet wird.
„Liberty Bell. Das Mädchen aus den Wäldern“ von Johanna
Rosen ist keine einfache Geschichte. Sie hat einen sehr ernsten Hintergrund,
der mit einer Liebesgeschichte abgemildert wird. Die oft schockierenden und
sehr bewegenden Ereignisse, durch die zwei liebenswerte Hauptprotagonisten den
Leser führen, werden viele Emotionen in dem Leser wachgerufen und lassen ihn
nachgrübeln.

Liberty Bell. Das Mädchen aus den Wäldern von Johanna Rosen
Gebundene Ausgabe: 375 Seiten 
Verlag/ Bildquelle:  Arena 
Erscheinungsdatum: 1. Juni 2013 
ISBN: 978-3401068046

7 Replies to “[Rezension] „Liberty Bell. Das Mädchen aus den Wäldern“ von Johanna Rosen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert