Ganz Amerika wird Anfang des 20. Jahrhunderts vom
Tuberkolse-Virus heimgesucht. Das „Waverly Hills Sanatorium“ in Luisville, Kentucky, ist eine renommierte Klinik. Da
zu dieser Zeit aber weder Antibiotika noch andere heute erprobte
Behandlungsmethoden bekannt sind, fallen tausende Menschen dem „weißen Tod“
zum Opfer. Die Leichen der Verstorbenen werden durch einen
Tunnelschacht zum örtlichen Bahnhof gebracht, um dort per Zug zu den
Krematorien abtransportiert zu werden. Im Sommer 1951 spricht Doris
Greathouse, selbst ehemalige Patientin, im Tuberkulose-Sanatorium
vor, in der Hoffnung, trotz fehlender Mittel eine Aufnahme ihrer
erkrankten Tochter Cora zu erwirken. Der tödliche Virus grassiert
nach wie vor in den USA, auch wenn der medizinische Fortschritt
inzwischen zu einer Besserung der Lage beigetragen hat. Doris bekommt
vom Direktor eine Stelle als Krankenschwester zugewiesen, die ihr die
Bezahlung von Coras Aufenthalt ermöglicht. Doch die siebenjährige
scheint sich nicht recht einzufinden: Sie fragt nach Menschen, von
deren Existenz sie nichts wissen dürfte, da diese längst verstorben
sind. Bald wird klar, dass Cora von Geistern ehemaliger Bewohner mit
Informationen über das Sanatorium versorgt wird. Informationen, die
das uneigennützige Image der Einrichtung in ein ganz anderes Licht
rücken und die Cora in höchste Gefahr bringen…[Spoilerwarnung]

Der Hardcover-Band aus dem Hause Egmont/Ehapa
umfasst alle Teile der Trilogie (Das Santorium/Der Tunnel/Der weiße
Tod) auf etwa 160 Seiten. Die Geschichte spielt in drei
unterschiedlichen Zeiten: Anfangs findet sich der Leser in der
Gegenwart wieder, in der das Sanatorium abgerissen werden soll und
die örtlichen Bauarbeiter nächtens auf seltsame Geräusche und
Schatten stoßen. Dann wird die Handlung in die Zeit 1951 versetzt,
die wiederum unterbrochen wird von kurzen Erzählungen aus der
Gründungszeit der Klinik. Dieser Ebenenwechsel bringt die Geschichte
des unheimlichen Gebäudes anschaulich näher und lässt eine
schön-schaurige Gruselstimmung aufkommen.

Doch die bedrohliche Atmosphäre kippt rasch ins Horrorhafte. Je mehr
Cora von den Geistern heimgesucht wird und je eindringlicher Doris Nachforschungen zu den
unlauteren Machenschaften der Ärzte anstellt, desto
makaber-düsterer wird die Geschichte, die in einem albtraumhaften
Showdown endet. Das möchte ich gerne vorwegnehmen, da dieses „Bad Ending“ vielleicht nicht für
jedermann geeignet ist. Ich selbst hatte ein gutes Ende erwartet,
jedenfalls in dem Sinne, wie es bei Horror-Geschichten eben vorkommt: mit einer Menge Toten zwar, die aber wenigstens abschließend
gerächt werden. Hier wird niemand gerächt und der Leser bleibt
seltsam grauen-erfüllt zurück.

Wer eine typische Asylum-Horror-Story erwartet, der wird auf seine
Kosten kommen. Die splatterhaften Szenen sind allerdings nichts für
schwache Nerven und wirken auf mich nicht immer moralisch
einwandfrei, wenn nicht sogar vulgär. Diese Gore-Elemente wirken
gerade deshalb so schwer verträglich, weil die sympathischen
Protagonisten am Ende nicht siegen, sodass das Mitleid regelrecht aufs Gemüt schlägt und das Entsetzen
lange nachwirkt. Auch eine Horrorgeschichte sollte den Leser –
meiner Meinung nach – am Ende befriedigt zurücklassen – und ich
bezweifle, dass eine Darstellung sadistischer Gewalttaten ohne
jegliche Folge bei den meisten Lesern viel mehr als Verstörung oder
Traurigkeit hervorruft. Fairerweise muss man anfügen, dass die Geschichte auf einer wahren Begebenheit beruhen
soll – die Ruine des Waverly Hill Sanatorium gehört heute zu den zehn unheimlichsten Orten der Welt. Wenn es also in der Realität mit den Menschen kein guten Ende nahm, dann ist es
den Autoren nicht unbedingt vorzuwerfen, dass die Umsetzung sich an
die realen Geschehnisse hält. Trotzdem hätte ein positiver Wink dem Ganzen
die Schwere genommen.

Die Gestaltung der Bilder wiederum ist extrem gelungen. Passend
zum Grusel-Flair spielt die Haupthandlung im Herbst/Winter, was in
detailreichen Landschaftsbildern mit entsprechend dezenten Farben sorgfältig
ausgearbeitet wurde. Das 29 x 22 cm große Format lässt dem
Leser viel Raum, um die aufwändigen Bilder zu studieren, die
mühelos eine geisterhafte Atmosphäre erschaffen.

Insgesamt hat „Pandämonium“ alles, was eine richtig gruselige
Geistergeschichte braucht. Leider ist der Ausgang so deprimierend,
dass man hinterher nicht nur gegruselt, sondern auch geschädigt
zurückbleibt. Für mich war es etwas zu viel des Guten (oder auch Bösen), zumal sich
ein hoffnungsvoller Twist am Ende leicht hätte realisieren lassen,
ohne das die Geschichte ihren düsteren Ausgang verloren hätte. Wer
sich von all diesen Kritikpunkten nicht abschrecken lässt, dem sei ans
Herz gelegt, dieses Comic nicht unbedingt allein unter der Bettdecke
zu lesen. Im Sonnenschein bei 30° ist es immer noch beklemmend
genug.

Pandämonium von Christophe Bec und Stefano Raffaele
Gebundene Ausgabe: 160 Seiten
Verlag: Egmont Ehapa Comic Collection
Erscheinungsdatum: April 2012
ISBN: 978-3770435449

4 Replies to “Halloween-Rezi # 1: „Pandämonium“ von Christophe Bec und Stefano Raffaele

  1. Klingt wirklich sehr schaurig, eigentlich mag ich solche Geschichten nicht, aber der Inhalt hört sich spannend an. Villeicht besorge ich es mir für Halloween. Mal schauen 😉

    Liebe Grüße Franzi

    1. Huhu, ja, dafür ist es auf jeden Fall stimmig. Schön, dass ich mit meiner Rezi schonmal Halloween-Stimmung verbreiten konnte. Der reale Hintergrund der Story macht das Ganze echt super creepy. Man muss aufpassen, dass einem beim Lesen nicht die Augen aufgerissen stehen bleiben. 😉

      Liebe Grüße!

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