"Der Russe ist einer, der Birken liebt" von Olga Grjasnowa, Roman
Copyright: Hanser

„Eigentlich hielt ich nichts von vertrauten Orten – der
Begriff Heimat implizierte für mich stets den Pogrom. Wonach ich mich
sehnte, waren vertraute Menschen, nur war der eine tot, und die anderen
ertrug ich nicht mehr. Weil sie lebten.
“ (S. 203)

Mascha
ist jung und eigenwillig, sie ist Aserbaidschanerin, Jüdin, und wenn
nötig auch Türkin und Französin. Als Immigrantin musste sie in
Deutschland früh die Erfahrung der Sprachlosigkeit machen. Nun spricht
sie fünf Sprachen fließend und ein paar weitere so „wie die
Ballermann-Touristen Deutsch“. Sie plant gerade ihre Karriere bei der
UNO, als ihr Freund Elias schwer krank wird. Verzweifelt flieht sie nach
Israel und wird schließlich von ihrer eigenen Vergangenheit eingeholt.

Mit
unglaublicher Situationskomik, die sehr gut durchdacht ist, erzählt
Olga Grjasnowa den Lesern eine Geschichte einer jungen Frau, die sich
nichts sagen lässt und ihr Ziel immer verfolgt. Auf der einen Seite
schwach und auf der anderen Seite stärker als wir es vielleicht sind.
Die Hauptfigur Mascha ist ein sehr undurchschaubarer Charakter, dessen
unterschiedliche Facetten erst mit der Zeit ans Licht kommen und somit
den Leser immer wieder überraschen. So äußert Mascha zum Beispiel oft
überraschende Gefühlswendungen, die sie nicht erklärt und uns so fragend
zurücklassen. Sie wird dadurch undurchschaubarer und interessanter.

Das
Pogrom im Kaukasus, das in Rückblenden beschrieben wird und ein Teil
von Maschas Leben ist, wird mit Sachlichkeit und Distanz erzählt, obwohl
es aus der Sicht einer kleinen Aserbaidschanerin erzählt wird, die
damals aufgrund der Gegebenheiten auf eine Seite gezogen wurde.
Olga
Grjasnowa äußert mit Sarkasmus und durch Anekdoten Kritik an der
Gesellschaft meist mit Hinblick auf die Themen Rassismus, Integration
und Migration. Die Ignoranz, mit der viele Menschen heutzutage diese
Themen behandeln, wird somit sehr klar ausgedrückt, nicht zuletzt mit dem
Aspekt, dass man bei der offensichtlichen Wahrheit lachen muss.
Es
wird sehr oft mit Klischees und Vorurteilen gespielt, die geschickt
gegen die Verursacher ausgespielt werden. Auch werden immer wieder
interkulturelle Konflikte erwähnt oder in lustigen Dialogen zur Schau
getragen.
Die Geschehnisse, Personen und kleine Details und Szenen
werden so anschaulich beschrieben, dass es schwer fällt sich
vorzustellen, dass es ausgedacht ist.

Olga Grjasnowa hat die Gabe so
zu schreiben, dass selbst unbeschreibliche Dinge von ihr in Worte
gefasst werden können. Und selten habe ich ein Buch gelesen, dass so
reich an Intellekt ist und zum Nachdenken anregt. Und zu guter Letzt
enthält es einen so guten Blick auf das Wichtige im Leben, dass ich mit
den Fragen zurückblieb: Was kann ich mit meinem Leben machen, um etwas
Großes und für mich Wichtiges zu erreichen? Wie werde ich glücklich?
Und: Sollte ich irgendwann einen Schritt wie Mascha wagen und alles
zurücklassen um neu anzufangen?

Dieses Buch hat etwas an sich, das
begeistert. Um das zu verstehen, muss man das Buch selbst gelesen haben
und ich empfehle wirklich jedem, das zu tun.

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Der Russe ist einer, der Birken liebt von Olga Grjasnowa
Gebundene Ausgabe: 288 Seiten
Verlag: Carl Hanser Verlag  
Erscheinungsdatum: 6. Februar 2012
Preis:
EUR 18,90

ISBN: 978-3446238541

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