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Jedes Jahr zu Weihnachten serviert uns der Piper Verlag einen Burger. Jedes Jahr mundet er ein bisschen anders und doch vertraut. In „Tödliche Geliebte“ muss der Heidelberger Kommissar Alexander Gerlach gleich an zwei Fronten ermitteln: Beruflich, weil einem Nerd die Nase weggeschossen wurde, privat, weil den ergrauten Eltern die Liebe abhandenkam. Gerlach, das ist nicht zu übersehen, ist der sympathischste aller sympathischen Beamten, den je ein Autor erfunden hat!
In der privaten Story agieren wie liebe Bekannte in einer Vorabend-Soap die netten Zwillingstöchter des verwitweten, oftmals geprüften Vaters. Doch Hanni und Nanni werden flügge. Aber mögen anderswo die Fetzen fliegen, Papa Gerlach, der verständnisvollste aller verständnisvollen Papas, löst alle Probleme, selbst solche, die gar keine sind. Auch seine eigenwillige Geliebte hat Sorgen und nölt beim trauten Zusammensein auf der Matratze. Dass die schöne Theresa gleichzeitig Ehefrau von Gerlachs Chef ist, muss niemanden beunruhigen, denn der ist schwul und einverstanden mit dem Techtelmechtel. Kummer bereitet dem Kommissar, dass es plötzlich Muttern von der sonnigen Algarve neckarwärts in die gemütliche Altbauwohnung des Sohnes zieht, wo sie sich in alles, aber wirklich in alles, einmischt. Und so ist es gut, dass es wenigstens im Job etwas zu tun gibt.
Gerlachs persönliches, kreuzbürgerliches Umfeld bildet das Kontrastiv zu seiner dienstlichen Tätigkeit, die sich naturgemäß kriminellen Machenschaften widmet. Und da nichts die weiße Weste des Rechtschaffenden mehr bedrohen kann als das Geschäft mit dem Sex, muss der Leser erschüttert zur Kenntnis nehmen, dass auch hinter den anmutigen Fassaden der Neckarstadt die Prostitution floriert. Dreh- und Angelpunkt des Romans ist ein aus Rumänien importiertes Luder, das den Zuhältern entflohen ist und nun auf eigene Rechnung eine feste Kundschaft aus den besten Kreisen bedient.
Nun haben manche Krimis – wie Vorabendserien – für eine bestimmte Klientel zweifellos eine Daseinsberechtigung. Sie funktionieren nach dem gut erkennbaren Strickmuster, zwei links, zwei rechts, und teilen die Welt in ein überschaubares Gut und Böse. Traute Heidelberger Häuslichkeit, böses Heidelberger Gewerbe. So ist es auch in Burgers Kriminalroman. Das ist in Ordnung. Warum sollte Gerlach nicht mal ins Rotlichtmilieu eintauchen? Wenn er Gefallen daran findet, kann ja zur Frankfurter Sitte wechseln.
Besser nicht. Denn der redliche Kommissar gibt die pikanten Vorkommnisse auf eine Weise zum Besten, dass sich der bestürzte Leser erstaunt fragt, ob nicht der biederste aller biederen Kommissare seit Erik Ode wohlmöglich selbst Schaden bei den Verhören nimmt. Großzügig berichten die illustren Freier von ihren sexuellen Vorlieben, die haarscharf an der Grenze der Legalität vorbeischrammen. Wie ermutigend, dass Gerlach nur für die Gesetzestreue zuständig ist. Und wie beruhigend, dass sich die spendablen Herren allesamt als arme Schweine auf der Suche nach Liebe outen. Denn auf dem Feld der Liebe, so verrät der weise Kommissar dem gerührten Leser, ist alles möglich. Und Gerlach selbst? Der träumt von Sex auf einem weißen Bärenfell in einer einsamen Waldhütte. Na, so ein Saubub! Wer hätte das gedacht! Da ist es gut, dass vor Antritt seiner Urlaubsreise die Welt wieder in Ordnung gebracht wird.
„Tödliche Geliebte. Ein Fall für Alexander Gerlach“ von Wolfgang Burger
Band-Nr.: 11
Klappenbroschur: 416 Seiten
Verlag: Piper
Erscheinungsdatum: November 2014
ISBN: 978-3-492-06006-6