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Der Mann in der Arena des Lebens
Aufgewachsen auf einer Farm im tiefsten Missouri, deren
kargen Böden ein Auskommen abzuringen von Jahr zu Jahr schwieriger wurde,
begann William Stoner 1910 im Alter von 19 Jahren ein Studium der Agrarwissenschaften.
Wissen sollte er erlangen, um die Böden zu verbessern und den Eltern die Arbeit
und damit ihr hartes Leben zu erleichtern.
Zunächst scheint der Plan aufzugehen. Das Studium fällt
ihm leicht, obwohl er nebenbei noch hart für Kost und Logis bei entfernten
Verwandten arbeiten muss. Doch dann muss Stoner ein Pflichtseminar zur
Einführung in die englische Literatur absolvieren, das ihm schwerer fällt als
alles zuvor und in dem er die Liebe seines Lebens trifft: die Liebe zur Sprache
und zu dem, was sie auszudrucken vermag, ohne es zu sagen – den Bedeutungen
und Gefühlen, die Literatur schaffen kann.
Stoner wäre nicht er selbst, schlüge er seinen neuen
Lebensweg ohne zu zögern ein. Seine Eltern zu enttäuschen und ihnen die
Wahrheit zu sagen bringt er bis zum
Abschluss seines Literaturstudiums nicht übers Herz. Nachdem es aber
getan ist und sie ihn, zwar sichtbar erschöpft aber ohne offene Vorwürfe ziehen
lassen, empfindet er eine starke Verbundenheit und Liebe zum Leben,
die ihn nie verlassen werden. Auch in den schwersten Zeiten nicht. Denn eines
gibt es in der Welt aus der er kommt und der er sich zugehörig fühlt nicht: Aufgabe.
John Williams ist mit Stoner – der bereits
bei seinem Erscheinen im Jahr 1967 großen Erfolg hatte – ein wunderbarer Roman
über ein nur scheinbar stilles und wenig ereignisreiches Leben, aber dennoch
bemerkenswertes, Leben gelungen. Dieser Erfolg setzt sich nach der
Wiederentdeckung 2006 nicht nur in den USA fort.
Der Grund dafür liegt wohl genau darin, dass hier nicht
von Reichtum, überbordendem Erfolg oder lebenslang währender Liebe zwischen
zwei Menschen erzählt wird. Sondern von einem zwar durchaus klugen und beruflich
anerkannten Menschen, der zwar nicht heiß umschwärmt aber beliebt, ein durchschnittliches
Leben führt. Er ist der Mann, den Theodore Roosevelt in seiner 1910
gehaltenen Rede Citzizenship in a
republic als wahren Helden zeichnet: der Mann, der Großes wagt,
indem er sich in die Arena begibt, die Leben heißt. Zwar strauchelt und
Fehler macht, aber immer wieder aufsteht, sich tapfer bemüht und so seinen Weg
geht. Er wagt das Leben, genießt die Höhen zurückhaltend und zerbricht nicht an
den Tiefen.
Ein vollkommener Roman, der einfach und mühelos
wirkt, der einen packt und nicht mehr loslässt. Die Figur des William Stoner
wird mich noch lange begleiten, da bin ich mir sicher. Dieser Mann, der wie aus
einer anderen Zeit wirkt, der manch einem Leser antiquiert oder langweilig
vorkommen mag, hat sich meine höchste Achtung und Wertschätzung erworben – auch
wenn er eine fiktive Person ist. Er hat mich verzaubert, ohne dass ich in Worte
fassen kann, wodurch – allein durch sein Sein.
John Williams Sprache und Stil passen sich dem Leben
William Stoners in der realen und in der Welt der Literatur unaufdringlich und
perfekt an. Alleine das ist ein Meisterstück. Auch noch bald 50 Jahre nach
seiner Entstehung wirkt dieses Buch tief berührend. Diese Zeitlosigkeit
zu erreichen, das nenne ich wahre Kunst und Literatur.
Die Wiederentdeckung dieses grandiosen Romans ist ein Geschenk
und sollte dankbar als solches entgegengenommen werden. Denn wer gewillt ist,
Stoner zu erkennen und zu verstehen, der wird viel über das Leben und die Liebe
lernen.
„ Als William Stoner jung war, hatte er die Liebe
für einen vollkommenen Seinszustand gehalten, zu dem Zugang fand, wer Glück
hatte. Als er erwachsen wurde, sagte er sich, die Liebe sei der Himmel einer
falschen Religion, dem man mit belustigter Ungläubigkeit, vage vertrauter
Verachtung und verlegener Sehnsucht entgegen sehen sollte. Nun begann er zu
begreifen, dass die Liebe weder Gnade noch Illusion war; vielmehr hielt er sie
für einen Akt der Menschwerdung, einen Zustand, den wir erschaffen und dem wir
uns anpassen von Tag zu Tag, von Augenblick zu Augenblick durch Willenskraft,
Klugheit und Herzensgüte. … „ (Seite 246)
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