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Heute darf ich euch einen der zur Zeit heiß gehandelten Tipps der Jugend-Literaturszene vorstellen – einen Thriller, der nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch hohen Unterhaltungswert versprach. Stigmata von Beatrix Gurian (oder auch Beatrix Mannel) konnte den hohen Erwartungen, die im Vorfeld so eifrig geschürt wurden, leider nicht ganz gerecht werden – trotz einer außergewöhnlich anschaulichen Gestaltung. Aber fangen wir von vorne an.
Darum geht es: Nach dem vermeintlichen Unfalltod ihrer Mutter bekommt die junge Emma ein anonymes Schreiben, in dem sie dazu aufgefordert wird, nach den Mördern ihrer Mutter zu suchen. Sie erhält ein altes Fotoalbum und Instruktionen zur Suche, die sie in ein christliches Jugendcamp in einem ablegenden Schloß in den Bergen führt. Dort begegnen ihr weitere mysteriöse Fotografien, die mit dem finsteren Schloß und ihrer Mutter in Verbindung stehen. Während Emma immer tiefer in die dunkle Vergangenheit eintaucht, ereignen sich in der Gegenwart immer seltsamere Ereignisse – und schnell schwebt Emma selbst in großer Gefahr…
Wer die Leseprobe gelesen hat, der weiß, dass das Geschehen sogleich seinen Lauf nimmt und zeitweise von rückblickenden Passagen aus Emmas Leben kurz nach dem Tod ihrer Mutter durchbrochen wird. Die Textausschnitte wurden gut gewählt – leider so gut, dass die Spannung für mich im ersten Teil komplett auf der Strecke blieb. Zwar sind durchaus einige Entwicklungen zu verzeichnen – doch die ganze Geschichte wirkt so vorhersehbar und oft erlebt, dass mir das Geschehen – und das ist am schlimmsten – schlichtweg egal war.
Berichtet wird aus Emmas Perspektive, was einem die robuste – und realistische! Pluspunkt! – Protagonistin näher bringt. Doch auch dieser charakterliche Vorteil entwickelte sich im Laufe der Handlung zurück. Insgesamt leistet Emma zu wenig Denkeinsatz und lässt sich zu sehr von Selbstmitleid und Gruppenzwang leiten, als dass sie die anfängliche Sympathie aufrecht erhalten kann. Auf der einen Seite möchte sie um jeden Preis eigenbrödlerisch handeln, auf der anderen Seite spricht sie keinen Verdacht offen aus, geht ohne jede Sicherheitsmaßnahme in das Camp, lässt sich wiederholt an der Nase herum führen und rennt gutgläubig in jede (offensichtliche) Falle. Das alles wirkte auf mich etwas unausgegoren. Obwohl Setting und Ambiente vielversprechend und atmosphärisch dicht inszeniert wurden, fehlt es dem hübschen Äußeren an Seele und zu viele Klischees treffen auf zu wenig Handlung. Die Spannung, die ab zwei Dritteln des Buches etwas ansteigt – man möchte doch wissen, wie es ausgeht – kann da leider auch nicht mehr viel reißen, denn die Aufklärung bleibt schal.
Eine wirklich gelungene Sache ist aber die Ausstattung des Buches. Wie es sich für ein gutes Hardcover gehört, kommt Stigmata mit Lesebändchen und Schutzumschlag daher, letzterer ein wahrer Augenschmaus. Und nicht nur der mit Silberfolie veredelte Einband lässt bibliophile Herzen höher schlagen, auch die Innenausstattung ist dekorativ gestaltet. Die Handlung wird mit insgesamt 14 außergewöhnlichen Fotografien von Erol Gurian begleitet, die der Geschichte etwas Atmosphäre einhauchen.
Wer im Thriller- und Horrormilieu noch nicht beheimatet ist und sich gern einmal jenseits von Fantasy und Dreiecksbeziehungen unterhalten lassen will, der könnte sein Regal mit Stigmata durchaus etwas aufmotzen. Wem außergewöhnliche Figuren und Schnappatmung aber wichtiger sind als Cover und Co, der sollte zu vergleichbaren, aber etwas fesselnderen Jugendthrillern wie „Schattengrund“ oder „Das Tal“ greifen.
Stigmata – Nichts bleibt verborgen von Beatrix Gurian
Erscheinungsdatum: Juni 2014
Verlag: Arena
Hardcover: 384 Seiten
ISBN:
978-3-401-06999-9
Auch wenn es dich nicht richtig überzeugen konnte, hast du mich neugierig gemacht.
Und weil das Äußere schon so gelungen ist muss man einfach wissen, wie es innen aussieht 🙂
LG
Ja, du kleiner Cover-Fetischist wirst mit Sicherheit auf deine Kosten kommen! 🙂
Schade, dass es nicht absolut deins war. Ich hatte "Stigmata" super schnell verschlungen und fands vor allem spannend. Auch fand ichs recht nachvollziehbar, dass Emma teilweise recht verstört reagier und nicht immer die richtigen (und auch logischsten) Entscheidungen trifft. Ich glaub in so einer Situation könnte ich mir auch nicht zutrauen, alles überlegt und nachvollziehbar anzupacken. Fands eher schade, dass das Ende dann doch bisschen einfach gehalten war.
Ja, ich fand es auch sehr, sehr schade. Die eher positiven Einschätzungen haben mich wirklich verwundert. Ich fand dieses "Highlight" fast noch schlimmer als "Obsidian" – es hat aber wegen der zauberhaften Aufmachung noch einen Gnadenpunkt bekommen.
Richtige und logische Entscheidungen hätten es nicht sein müssen – aber auch die intuitiven wirkten auf mich nicht nachvollziehbar. Und die Hintergründe und die Aufklärung blieb mir viel zu dünn und oberflächlich, immer so nach dem Motto: Ist halt jetzt so. Warum zum Beispiel ist die Aufseherin so menschenverachtend? Warum hatte sie immer Agnes auf dem Kieker? Ist halt so. Warum hat die Mutter ihrer Tochter nichts gesagt? Ist halt so. Warum hat Emma keine Freunde, die sie mit nimmt oder die sie informiert? Ein Backup-Handy? Nein? Aha. 😉
Aber schön, dass es dich unterhalten konnte – trotz des dürftigen Schlusses! 🙂
Hm, schade das es dich nicht so recht fesseln konnte, aber ich glaube ich werde dem Ganzen trotzdem mal eine Chance geben 🙂
Allein die Fotos reizen mich schon, das fand ich schon bei Die Insel der Besonderen Kinder toll! Ich liebe auch illustrierte Bücher! Manche meinen ja das würde die Fantasie einschränken, aber ich finde so etwas unterstützt meine Vorstellungskraft noch eher! 🙂
Liebe Grüße,
Hannah
Das geht mir genauso – eine tolle Gestaltung untermauert die Handlung doch auf wundervolle Weise meist. Die Bilder sind wirklich nett aufbereitet. Sie haben nicht den Zauber von Riggs, weil sie im Gegensatz zu den "originalen" Zeitzeugnissen ja gestellt sind – aber Herr Gurian kann auf jeden Fall fotografieren! 🙂
Ich bin gespannt auf deine Meinung!