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Einen guten Spannungsroman in der Masse der Neuerscheinungen zu finden, gleicht für mich bisweilen der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Da ich explizite Grausamkeiten und vor allem Darstellungen von Gewalt gegen Kinder auch nur bis zu einem gewissen Grad ertragen kann (und der ist definitiv sehr weit unten angesiedelt!), fallen von vorneherein viele Veröffentlichungen aus meinem  Beuteschema heraus.

Reden ist silber…

Nun behandelt „Das Gerücht“ von Lesley Kara zwar genau das – den Mord an einem Kind – dennoch fand ich das Buch wirklich lesenswert. Es ist ein sehr ruhiger Thriller, der mit einer guten Prämisse neugierig macht und Zusammenhänge gekonnt verschleiert, so dass die Wendung gegen Ende für viele eine echte Überraschung sein dürfte. Ich jedenfalls konnte die Entwicklung nicht voraussehen und fand die Idee ebenso amüsant wie gemein.

Ein Gerücht zieht Kreise

Alles beginnt ganz harmlos: Joanna zieht mit ihrem Sohn Alfie von London in eine Kleinstadt am Meer, um noch einmal neu anzufangen, da Alfie in seiner alten Schule gemobbt wurde. So weit, so gut. Eines Tages hört Joanna, dass die Kindermörderin Sally McGowan, die als Zehnjährige einen Freund umgebracht hat, unter anderem Namen in der Stadt leben soll. Obwohl Joanna eigentlich keine Gerüchte verbreiten mag, erzählt sie anderen Müttern davon. Sie ahnt nicht, was sie damit lostritt. Das Gerücht zieht immer weitere Kreise. Bis Joanna plötzlich Drohungen erhält und befürchten muss, in den Fokus von Sally McGowan geraten zu sein.

Das Ungewöhnliche im Gewöhnlichen erkennen

Lesley Kara stellt mit Joanna eine Protagonistin in den Mittelpunkt, die eher gewöhnlich als ausgefallen ist. Immobilienmaklerin, alleinerziehende Mutter. Weder besonders ex- noch introvertiert. Man kann sich mit ihr identifizieren; mit ihrer natürlichen Neugier und den schwachen Momenten, in denen sie Dinge weitererzählt, um sich interessant zu machen bzw. als Neue von den Kleinstadtmamas akzeptiert zu werden. Gar nicht einmal unbedingt um ihrer selbst willen, sondern vielmehr aus Angst, ihrem kleinen Sohn könnten Nachteile entstehen, wenn sie als Mutter nicht integriert ist.

Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Joanna plappert sich mehrfach um Kopf und Kragen. Aus einem Gerücht wird ein konkreter Verdacht. Aus einem Verdacht, zielgerichtete Wut. Und man fragt sich, wo das hinführen mag. Lebt Sally McGowan wirklich in der Stadt? Geht von ihr eine Gefahr aus? Oder muss man sich eher um die Hexenjagd Sorgen machen, die einige Bewohner veranstalten?

Mehr Dichte bitte

Stellenweise wünscht man sich für diese pfiffige Geschichte einen strafferen Spannungsbogen. Joannas Alltag wird für meinen Geschmack doch etwas ausufernd mit vielen unnötigen Ausschmückungen dokumentiert, ein Manko, das leider viele Thriller aufweisen. Andererseits bleibt Lesley Kara durchgehend glaubwürdig und erspart uns LeserInnen etliche populäre Manöver aus dem Schema-F-Baukasten des Kriminalromans, wie etwa dramatische Cliffhanger am Endes jeden Kapitels.

Wer also gerne herumknobelt und dabei auch ohne Blut auskommt, der sollte in „Das Gerücht“ durchaus einmal einen Blick werfen. Die Geschichte ist sicher nicht spektakulär, aber stimmig und clever erdacht.

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Das Gerücht von Lesley Kara
Originaltitel: The Rumour
Übersetzung: Britta Mümmler
Broschiert: 400 Seiten
Verlag: dtv
Erscheinungsdatum: 21. Februar 2020
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3423262422

One Reply to “[Rezension] „Das Gerücht“ von Lesley Kara”

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