"Bluescreen" von Dan Wells, SciFi
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Schon seit den 80er Jahren haben Cyberthriller ihren festen Platz in den Regalen der Buchläden. Doch in letzter Zeit erfreuen sich gerade im Jugendbuchsektor dystopische Zukunftsszenarien allergrößter Beliebtheit. Dabei ist es gar nicht leicht als Autor den richtigen Geschmack der Leser zu treffen. Denn oft müssen stimmige Technikdetails und ein logischer Plot zugunsten der sehr viel populäreren Dreiecksbeziehungen und jeder Menge Herzschmerz zurücktreten, oder die Menge an versierten Computerbschreibungen übersteigt den Unterhaltungswert, indem man mit einem Wörterbuch für Cyberslang durch den Text ackert. Der neue Jugendbuch-Roman von Thrillerautor Dan Wells, „Bluescreen“, macht hier zum Glück einiges richtig – auch wenn er auf ein paar Trends und Hipster-Klischees hätte verzichten können.

Selbstverständlich kann man heutzutage das Rad nicht neu erfinden – schon gar nicht als Science-Fiction-Autor, der ein klassisches Zukunfstszenario ohne große Innovationen entwirft: Die Mobiltelefone wurden im Jahre 2050 durch Kopfimplantate ersetzt, durch die man permanent online ist. Durch Blinzeln kann man sich direkt auf der Netzhaut durch das Internet klicken. Auch in virtuelle Welten kann der Körper versetzt werden, indem man sein Implantat, das sogenannte Djinni, per Kabel anschließt. Die Gesellschaft ist – Cyperpunk-typisch – in Armut verfallen, da die Arbeit der Menschen nun hauptsächlich von Drohnen erledigt wird. Bandenkriege und Drogengeschäfte prägen das Leben im Ghetto-ähnlichen Los Angeles, wo die junge Marisa lebt, eine begnadete Hackerin. Eines Tages gerät ihre Freundin an die Droge „Bluescreen“, einen USB-Stick, den man sich (wer ist so blöd?) direkt in sein Djinni schiebt. Fiese Ganoven wollen damit die Weltherrschaft an sich reißen, was Marisa und ihre Freunde um jeden Preis verhindern wollen. 

Mit Marisa hat Dan Wells eine wunderbare Heldin geschaffen, die sich weder von gut aussehenden Jungs noch gesellschaftlichen Moralvorstellungen von ihrem Vorhaben, die Welt zu retten, abbringen lässt. Die toughe und ironische Hackerin mit dem Roboterarm weiß sich zu helfen und führt den Leser rasant und unterhaltsam durch ihre Geschichte, die Elemente von „I, Robot“ bis zu „Firefly“ aufweist. Dabei hat Dan Wells alles bereits dagewesene auf so abwechslungsreiche Art kombiniert, dass ein solider Jugendthriller entstanden ist.

Leider ist das Trend-Pferd, auf das er aufgesprungen ist, teilweise etwas mit ihm durchgegangen: Die – meist völlig unpassenden und überflüssigen – Outfit-Beschreibungen der Protagonistinnen ergaben oftmals keinen Sinn. Vermeintlich innovative technische Errungenschaften gibt es leider schon seit etlicher Zeit – und sind bereits sogar wieder als dysfunktional in der Versenkung verschwunden (siehe Apple-Steckersysteme etc.). Warum sollte die Droge nach einem Windows-Fehler benannt sein, wenn die Betriebssysteme nicht mehr existieren? Oder läuft alles über Windows, das man bestimmt gerne IN SEINEM KOPF ANGESCHLOSSEN HABEN MÖCHTE? Der ganze Plot mit dem virtuellen Spiel, der Name der Gruppe („Cherry Dogs“) und der tausendmal erwähnte, sowieso schon geistlose, aber in Übersetzung noch furchtbarere, Kampfspruch der Mädchen („Spiel verrückt!“) ist gänzlich überflüssig. Und der vermeintlich trendige Slang der Mädels lässt vermuten, dass niemand in dieser Altersgruppe im Jahre 2050 derart sprechen wird. Und zuletzt kann den Werbestimmen, die behaupten, der Roman sei vor allem etwas für Technik-affine Menschen, getrost widersprochen werden; denn gerade die merken schnell, was da zusammengeschrieben wurde. Auch einen „Blick in die Zukunft“ garantiert uns „Bluescreen“ mitnichten.

Nichtsdestoweniger hat Dan Wells einen spannenden Thriller entworfen, dessen düstere Zukunftsvision zwar nicht innovativ, aber durchaus unterhaltend ist, und mich, obwohl ich inzwischen ein Verächter von Reihen bin, auf den nächsten Band warten lässt.

„Bluescreen. Ein Mirador-Roman.“ von Dan Wells
Originaltitel: Bluescreen
Reihe: Band 1
Übersetzung: Jürgen Langowski
Broschur: 368 Seiten
Erscheinungsdatum: 04.10.2016
Verlag: Piper 
ISBN: 978-3-492-28021-1

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