Ich kann mich nicht erinnern, je einen so krassen Twist in einem Jugendbuch gelesen zu haben. An dieser Wendung werden sich die Geister scheiden. Mir fallen nur Superlative dafür ein: super spannend, höchst überraschend, massiv diskutabel, extrem mutig.
Dabei hat mich Holly Jackson im dritten Teil ihrer „Good Girl’s Guide to Murder“-Reihe anfangs fast eingelullt. Die Geschichte schlägt viele kleine Richtungen, aber keine erkennbare Hauptspur ein. Pip plagen die Geister der Vergangenheit. Sie wird die Erinnerungen an die Verbrechen, die sie erlebt hat, einfach nicht los. Zumal Vergewaltiger Max noch immer auf freiem Fuß und seine Verurteilung fraglich ist.
Good, bad und alles dazwischen
Pip tut nun etwas, was viele – mich eingeschlossen – von einer sympathischen jugendlichen Hauptfigur nicht erwarten würden. Sie besorgt sich Schlafmittel bei Drogenhändler Luke und gerät quasi in Abhängigkeit. Erste Überraschung! Dabei läuft keineswegs alles schlecht in Pips Leben: Auf ihren Partner Ravi Singh kann sie sich zu hundert Prozent verlassen. Freunde und Familie stehen fest an ihrer Seite.
Monstermäßig genialer Twist
So vergehen einige Kapitel, bevor sich die Handlung verdichtet: Pip erkennt plötzlich ein Muster in einigen Vorkommnissen der jüngeren Zeit. Morbide Kreidezeichnungen und tote Tauben vor ihrem Haus lassen Pip vermuten, dass sie einen Stalker hat.
Ab jetzt zieht Holly Jackson die Spannungsschraube stark an. Die große Enthüllung zur Mitte des Buches kommt dabei gar nicht mal so unerwartet. Wohl aber alles, was sich in der Folge ereignet.
Die Reihe hat von Anfang an Fragen nach Schuld, Moral und Gerechtigkeit ins Zentrum gerückt und ihre Figuren mit diesen Begrifflichkeiten ringen lassen. Im dritten Teil setzt sich dieser innere Kampf konsequent, aber absolut drastisch fort.
Unter Schock
Ich stand in der zweiten Hälfte unter Schock, war zum ersten Mal versucht, zur letzten Seite zu blättern, um von der unerträglichen Ungewissheit, in die uns die Autorin stürzt, erlöst zu werden, habe es aber Gott sei Dank nicht getan.
Selten war ich so gefesselt. Vor allem, weil Holly Jackson wirklich großartig schreibt und dabei äußerst sorgfältig und überzeugend vorgeht. Sie versetzt uns in die Gedankenwelt ihrer Protagonistin Pip, zeigt uns ihre Überlegungen, Hoffnungen und Ängste und baut eine fantastische Spannung auf.
Fazit: Harter, überraschender, mit Konventionen brechender dritter Teil der Reihe. Genial und unerträglich spannend. Nicht jedem wird die Richtung gefallen. Für mich war das Buch ein Jahreshighlight.
Ich hatte übrigens Print- und Hörbuchausgabe, habe abwechselnd gelesen und gelauscht und kann daher auch das Audiobook sehr empfehlen. Miriam Kaufmann hat sich von Band zu Band gesteigert und gehört inzwischen zu meinen liebsten Sprecherinnen.
(Abschließend ein Rat: Das empfohlene Lese-/Höralter wurde nicht ohne Grund auf 14 Jahre gesetzt und sollte meiner Meinung nach auch besser nicht unterschritten werden.)
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As Good as Dead #3 von Holly Jackson
Übersetzung: Sabine Schilasky
Verlag: ONE/Lübbe
Erschienen: 15. März 2023
Taschenbuch: 512 Seiten
ISBN: 978-3846601730
Empfohlenes Lesealter: Ab 14 Jahren