Copyright: Suihrkamp |
Maya ist 19 Jahre alt und in der mehr oder weniger
selbstgewählten Verbannung auf einer kleinen Insel an der Südküste Chiles. Chiloé
wird ihr Zuflucht und Heimat. Verstecken muss sie sich mit ihren 19 Jahren vor
ihrem früheren Leben im Drogenmilieu und den dazugehörigen Menschen.
In dieses Leben der Drogen rutscht sie durch ein
traumatisches Erlebnis, das sie mitten in einer der problematischsten
menschlichen Phasen, der Pubertät, trifft. Unsicher bezüglich ihrer eigenen
Persönlichkeit, wie so viele Jugendliche im Alter von 16 Jahren, kann sie das
Trauma nicht einfach abschütteln und geht in den inneren und äußeren
Widerstand. Auch gegenüber den Menschen, die sie lieben und für sie da sein
wollen.
Chiloé ist eine kleine Insel, auf der nach dem Putsch
1973, nach Haft und Misshandlung, einige Chilenen ins Exil geschickt wurden.
Eine Insel, auf der Gemeinschaft wichtig ist und etwas zählt. Wo jeder
willkommen ist, der sich einbringt. Wo man einen Gefallen nicht direkt, sondern
auch im Ringtausch erwidern kann. Ruhe, Stille, Natur und der eigentliche Sinn
des Lebens – das bloße Sein – helfen Maya, ihre Vergangenheit, die sie
einzuholen droht, abzuschließen und sich selbst eine Zukunft erschaffen zu
können. Aber auch Manuel, der einsiedlerisch lebende Soziologe, bei dem
Maya Unterschlupf findet, wird ein Teil ihrer Zukunft, nicht zuletzt weil sie
einiges über seine Vergangenheit in Erfahrung bringt …
Gewohnt einfühlsam und kenntnisreich verschafft
Isabel Allende dem Leser den Zugang zu Lebenswelten, die man persönlich
nie wirklich durchleben möchte. Die zwei Leben der Maya Vidal: vor und nach den
Drogen. Interessanterweise werden nicht die sog. weichen und harten, aber
jeweils illegalen Drogen als schwer entrinnbar bezeichnet, sondern die legalste
und angesehenste Droge wohl aller Gesellschaften: der Alkohol. Überall
verfügbar, in seiner Wirkung komplett unterschätzt, benötigt man ein gerüttelt
Maß an Stärke, um dem Dämon nicht wieder zu verfallen.
Allende gelingt es meisterhaft, die kurze Spirale des Abstiegs
eines von Drogen bestimmten Lebens aufzuzeigen. Die Schamlosigkeit, wenn
es um die Beschaffung des nächsten Schusses geht, die vor keinem noch so erbärmlichen
Diebstahl halt macht. Das nur Sekunden anhaltende Hochgefühl,
bevor die Wirkung der Droge wieder verpufft. Da fragt man sich, woher weiß eine
Autorin wie Isabel Allende das so genau –
nicht direkt aus eigener, dennoch aus familiärer Anschauung. Weiß der
Leser das, so nimmt er Maya alles ab, was sie über ihr Verhalten, ihr Leben im
Rausch preisgibt.
Mayas Tagebuch lässt den Leser, so er es zulässt,
eintauchen. In eine Geschichte, in verschiedene Leben, in eine andere Kultur.
Das Eintauchen geschieht genauso allmählich, wie das Leben auf Chiloé
gemächlich ist. Und das tut gut in Zeiten der allgemeinen Schnelllebigkeit, in
der sogar das Bücher lesen zum Konsum ausarten kann.
Tröstlich, humor- und liebevoll zeigt Allende auch
hier wieder eines:
Man kann Dinge nicht ungeschehen machen, aber es ist
möglich, sich neu zu (er)finden und alte Dämonen abzuschütteln.
Auch trotz einer Tatsache:
die Finger, an Problemen dagegen kann man sich festklammern, sie sind rau und
hart und geben Halt. … „ (Seite 150)
Folgende Links kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung
Mayas Tagebuch von Isabel Allende