"Hannahs Briefe" von Ronaldo Wrobel, Roman
Copyright: Aufbau Verlag

Ich verreise für mein Leben gern und
entdecke ferne Länder, andere Völker mit ihren Sitten und Bräuchen. Doch oft –
eigentlich immer – fehlt mir das nötige Kleingeld, um dieser Leidenschaft
nachzugehen. Zum Glück gibt es Bücher, die den Leser, auch ohne viel Geld und
schweres Kofferpacken, in ferne Länder entführen, um ihn aufregende Geschichten
erleben zu lassen, die das Leben schreibt. In „Hannahs Briefe“ von Ronaldo
Wrobel verschlug es mich nach Rio de Janeiro im Jahr 1936. Eine sehr schwierige
Zeit, denn Brasilien war zu jener ein beliebtes und hoffnungsvolles Ziel für
Emigranten, die sowohl vor den Nazis als auch vor den Kommunisten flohen.
Diktator Vargas befürchtete mit diesem Flüchtlingsstrom eine aufkommende
Unzufriedenheit seiner Bürger und Gefahr für das von ihm erschaffene Regime.
Geheimdienstliche Bespitzelungen, Verhaftungen und Morde waren die Folge.

Der Schuhmacher Max Kutner floh vor dem Zweiten Weltkrieg
und der großen Armut in Polen.  In Rio de
Janeiro baute er sich ein komplett neues Leben auf. Unauffällig fügte er sich
in die Gesellschaft ein und schaffte es, eine kleine Schuhmacherwerkstatt zu
errichten, die gut von den Bewohnern Rios angenommen wurde. Aber auch ein
unauffälliger Jude wurde von dem Regime mit Argusaugen bewacht. Eines Tages
bekommt Max unerwarteten Besuch. Die brasilianische Geheimpolizei möchte, dass
Max Briefe aus dem Jiddischen übersetzt, um mögliche Geheimbotschaften, die zu
einer Gefahr für Vargas Regierungszeit werden könnten, herauszufiltern. Max hat
keine andere Wahl und übersetzt viele Briefe. Briefe, in denen er nicht nur von
vielen Schicksalen erfährt, sondern auch von vielen Dingen des alltäglichen
Lebens in Brasilien. Viele darin beschriebene Ereignisse sind sehr bewegend und
er fühlt sich unwohl dabei, von ihnen zu wissen. Über die Anekdoten des
täglichen Lebens – wobei der Personen ihm nicht immer unbekannt sind – muss er
oft schmunzeln. Doch Hannahs Briefe berühren ihn ganz tief in seinem Inneren,
denn sie sind mit so viel Feingefühl verfasst, dass er sich ihnen nicht
entziehen kann. Als der Schumacher seine Reparaturaufträge durchgeht, erkennt
er eine ihm sehr vertraute Schrift. Hannah! Sie wird sein Geschäft besuchen, um
ihre reparierten Schuhe abzuholen.

Manchmal spielt das Leben eine andere Melodie, als die
die man sich vorstellt. Und manchmal sind die für uns so faszinierenden
Menschen widersprüchlich und geheimnisvoll. Auch Hannah…

Obwohl ich es in einer für mich sehr unruhigen Zeit
gelesen habe, war ich fasziniert von der gelungenen Mischung aus gut verpackten
Details dieser politisch kritischen Zeit und einer Geschichte über Liebe, Verrat,
Freundschaft und Hingabe. Die besondere Atmosphäre und die Umgebung des
damaligen Brasiliens vermittelt Wrobel sehr gekonnt durch seine wunderschöne,
metaphernreiche und bildhafte Sprache. Alle Charaktere in diesem Buch wurden
mit sehr viel Feingefühl gestaltet und somit für den Leser nachvollziehbar.
Wrobel spielt mit der Gefühlswelt seiner Leser. Er bringt sie zum Staunen und
zum Lachen, beschwört tief empfundene Sehnsüchte herauf und lässt sie die
Emotionen der Protagonisten teilen und erschüttert sie mit überraschenden
Wendungen.

„Hannahs Briefe“ von Ronaldo Wrobel beschäftigt mich
schon sehr lange, obwohl ich es vor einigen Wochen gelesen habe. Es ist eines dieser Bücher, die den Leser weit über das Ende hinaus beschäftigen und wohl kaum vergessen lassen.

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Gebundene Ausgabe: 328 Seiten 
Verlag: Aufbau Verlag
Erscheinungsdatum: 6. März 2013 
ISBN: 978-3351035242

4 Replies to “[Rezension] „Hannahs Briefe“ von Ronaldo Wrobel

  1. Ich finde deine Rezension sehr schön und wenn ich mich für solche Bücher begeistern könnte, würde ich es mir auch sofort zu legen. Der Titel und das Cover sagen mir zumindest schon mal sehr zu. Leider mag ich solche Bücher an sich nicht so.
    Schade 😀

    Liebe Grüße, Lotti Lunatic

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