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Es gibt Menschen, die zu meinem Alltag gehören, über die ich
rein gar nichts weiß. Man begegnet ihnen auf der Straße und tauscht flüchtige
Begrüßungen aus, um dann schnell weiter zu kommen. Oft ertappe ich mich dabei, dass ich viele von
ihnen aufgrund von Vorurteilen in bestimmte „Schubladen“ einsortiere und mich
deswegen auch nicht mit ihnen unterhalten möchte. Denn meist mache ich mir gar
nicht erst die Mühe, mein Schubladendenken zu überprüfen. Manchmal aber frage
ich mich, was passieren würde, wenn ich einfach mal ein Gespräch mit ihnen
anfangen würde. Wahrscheinlich müsste ich viele Vorurteile verwerfen und würde
interessante und nette Menschen kennenlernen. Als Kind wäre es mir sicher
leichter gefallen, denn Kinder sehen die Welt und die Menschen noch mit anderen
Augen. Dieses Phänomen kann man auch an dem 5-jährigen Kasimir – der
literarischen Hauptfigur aus „Elke – Ein schmales Buch über die Wirkung von Kuchen“ von Christian Duda – beobachten.
Als Kasimir sich wie jeden Morgen auf den Weg in den Kindergarten
macht, beobachtet er Elke – eine Frau,
die einen leckeren Kuchen über die Straße in ein Café bringt. Plötzlich steht
sie samt Kuchen vor ihm, und da Kasimir Kuchen liebt, fragt er, ob er ein Stück
bekommen kann. Elke wird sonst nie einfach so angesprochen. Man grüßt sie
höchstens oder geht stur an ihr vorbei. Prompt lädt sie den kleinen Kasimir
ein, sie ins Café zu begleiten, um ein Stück ihres leckeren Kuchens zu kosten. Aus
diesem ersten Aufeinandertreffen entwickelt sich etwas ganz besonderes, dass
der Leser mit den literarischen Figuren teilen darf.
Diese zeitlose Geschichte findet überwiegend in einem Café
statt, das anfangs kaum Gäste hat. Mit jedem weiteren Treffen von Elke und
Kasimir kommt auch mehr Leben in das Café.
Auch wenn das Buch „Elke – Ein schmales Buch über dieWirkung von Kuchen“ heißt, hält sich Elke eher im Hintergrund. Man könnte
sagen, dass sie alle Hebel dieser Geschichte in Bewegung setzt und Menschen
zusammenbringt, die sich wohl sonst nie begegnet wären. Und selbst wenn sich
ihre Wege womöglich gekreuzt hätten, wären sie wahrscheinlich nur
aneinander vorbeigelaufen. Oft entstehen aus diesen sich entwickelnden
Beziehungen, sehr nützliche und lohnende Freundschaften. Haben diese Menschen
erst einmal zueinandergefunden, zieht Elke sich sachte zurück in ihr eigenes
Leben. Es einsam zu nennen wäre einfach, denn einsam ist sie nicht. Sie ist
dankbar für ihre unerwarteten Begegnungen und die Menschen, denen sie
weiterhelfen kann. Elke ist ein Mensch, der sein eigenes Leben, seine
Bedürfnisse und seine Gesundheit immer an die letzte Stelle stellt.
An dem Schreibstil und der Erzählfreude Christian Dudas
bemerkt man, wie wichtig ihm diese Geschichte ist. Er berichtet ausdrucksstark und
humorvoll über das Leben und über die Menschen in einer Großstadt. Besonders
kreativ finde ich die Gestaltung seiner literarischen Figuren. Sie sind sehr
menschlich gezeichnet. Sie haben Ecken und Kanten und Duda zwingt sie auf bestimmte
Ereignisse zu reagieren und sich zu verändern. Die verschiedenen und
kontrastreichen Betrachtungsweisen auf jene Situationen waren sehr
unterhaltsam. Einige tiefsinnige Passagen muss man mehrfach lesen, um sie im ganzen Umfang
zu genießen. Viele gelungene Illustrationen stimmen den Leser auf jedes neue
Kapitel ein. Abgerundet wird diese köstliche Geschichte von einem fantastischen
Kuchenrezept, das ich unbedingt ausprobieren musste, und einem bedeutungsschweren
Nachwort von Christian Duda.
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Ein Buch, das mich zum Backen bringt muss ein ganz besonderes sein. Aber es hat mich nicht nur dazu gebracht einen leckeren Kuchen herzustellen. Ich versuche, mich bei einer Begegnung von dem Schubladendenken zu befreien, um vielleicht irgendwann einen besonderen Menschen wie Elke zu treffen und ihn zu sehen wie er wirklich ist …