"Aufschrei in Ascot" von Arthur Escroyne , Krimi
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Frustriert von überkandidelter Werbung, abgetoßen von den Zuvielversprechungen der Klappentexte und vor allem ermüdet von den ewig gleichen Jugendbuchthemen, trauerte ich neulich meinem (überraschenden) Highlight der Krimi-Szene des letzten Jahres hinterher: Der „Killer im Lorbeer“ von Arthur Escroyne war ein Zufallsgriff und hat mich nicht nur während der Lesestunden, sondern auch noch lange danach mit nostalgischem Flair erfüllt. Ich bin ein Leser, der sich vor allem von den Protagonisten verführen lässt. Handelt eine Figur nicht nachvollziehbar, wird übertrieben viel rot (vor allem ein Fluch der Jugendbuchszene), oder ist schlicht unsympathisch, so kann ich mich nicht für eine Handlung erwärmen – so gut sie auch sein mag. Ist ein Charakter jedoch interessant, spleenig, liebenswürdig, Ehrfurcht einflößend, beeindruckend, charmant oder kauzig, so kann er – meiner Meinung nach – auch die langweiligste Storyline zu einem Genuss machen und den ödesten Ort zum Paradies werden lassen – so wie Arthur Escroyne. Schmollend googelte ich also nach seiner Lordschaft, in der Hoffnung, auf Buchtipps zu stoßen, die ähnlich grandiose Lesestunden versprechen. Und siehe da: Ein neuer Escroyne ist erschienen – „Aufschrei in Ascot“, Verzückung bei Krink! Ein Wink des Schicksals, den ich sofort ergriff, sodass ich mich alsbald in vertrauter Umgebung wiederfand.

Öde ist der Schauplatz von Arthur Escroynes Figuren ganz und gar nicht – eher pittoresk-beschaulich. In der englischen Grafschaft Gloucestershire lebt Sir Harold Philipp Arthur Escroyne, 36. Earl of Sutherly auf einem verfallenen Schloss aus dem 13. Jahrhundert mit seiner Lebensgefährtin Rosemary Daybell, Detective Inspector der örtlichen Polizei. Während der blaublütige Erzähler sich mit einer handfesten Lebenskrise herumschlägt, geschieht ein Mord – ausgerechnet beim jährlichen Sporthighlight der Region, dem Derby. Ein schürzenjagender Moderatoren-Star wird mafiös mit seiner eigenen Brille erstochen, sodass Rosy anschließend bei der Mörderjagd über Landesgrenzen und Gesellschaftsschichten hinaus getrieben wird. Da eine Menge Verdächtiger der royalen Klasse angehört, legt der verarmte Arthur das Gartenbesteck für ein Wochenende beiseite und mimt den steinreichen 36. Earl of Sutherly, indem er sich unter die Blaublütler und Neureichen des Landes mischt – leider viel weniger unauffällig als erhofft.

Arthur führt auch durch diesen Fall als Ich-Erzähler mit typisch englischem Humor und unvergleichlichem Charme. Ob Privatleben oder Ermittlung – Sir Escroyne und seine Rosy zu begleiten ist ein einziger Spaß. Beide Figuren sind so unterschiedlich wie sympathisch und ergänzen sich in mehr als nur einer Hinsicht. Der Kriminal-Plot ist nichts für eingefleischte Splatter-Fans, denn er folgt nahezu unblutig dem klassisch-britischen „Whodunnit“-Konzept, ist aber in diesem Band spannender als der erste. Wie beim „Killer im Lorbeer“ wird auf subtile Spannung, psychologische Fallstudien, bestechende Kulisse und atmosphärische Dichte gesetzt. Einen Punktabzug gibt es für das Lektorat des Verlages – hier wäre etwas mehr Sorgfalt wünschenswert gewesen. Wenn Autor und Übersetzer eine derart virtuose sprachliche Unterhaltung kreieren, verdrießen fehlende Satzzeichen und ähnliche Makel den Leser nur.

Leider bringt aber auch die beste Lektüre einen Wermutstropfen mit sich: das unvermeidlich Ende. Ich würde seiner Lordschaft noch lauschen, wenn er seine Schwertlilienzuchterfahrungen niederschreiben würde. So muss ich mich leider bis zum nächsten Band gedulden. Also: Hau in die Tasten, Arthur!

Hinter dem Autor steckt übrigens tatsächlich Harold Philipp Arthur Escroyne, der 36. Earl of Sutherly. Auch er arbeitetet, wie der Erzähler des Romans, als Werbegrafiker für einen bekannten englischen Shortbread-Hersteller, widmet sich mit Leidenschaft dem Gärtnern und ist mit einer Polizistin liiert. Escroyne wurde für seine Nacktstängel-Schwertlilienzucht mehrfach ausgezeichnet. Ein bezauberndes Interview könnt mit ihm könnt ihr auf der Seite des Piper Verlags lesen. 

Aufschrei in Ascot von Arthur Escroyne
Erscheinungsdatum: 10.06.2014
Verlag: Piper
Klappenbroschur: 272 Seiten
ISBN: 978-3-86612-369-4 

2 Replies to “[Rezension] „Aufschrei in Ascot“ von Arthur Escroyne

  1. Ich finde die Cover dieser Reihe sehr schön und ich glaube, wenn ich mal wieder Lust auf einen Krimi bekomme, dann greife ich zu diesen hübschen Exemplaren. Genau wie du, liebe ich außergewöhnliche Charaktere. Positiv ist auch, dass nicht zu viel Blut vergossen wird. Danke für deinen schönen Bericht!
    LG

    1. Ich mag die Aufmachung auch sehr. Da hat der Piper Verlag ganze Arbeit geleistet. Die Klappenbroschur liegt auch viel besser in der Hand als die TB.
      Ja, greif auf jeden Fall zu, wenn dir nach unblutiger Krimilektüre ist. Diese Reihe ist etwas für alle Fans von Downton Abbey, Inspector Barnaby und Elizabeth George.
      LG!

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