Als ich den Klappentext von Marisha Pessls „Niemalswelt“ las, fühlte ich mich sofort an den Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ (1993) erinnert. Denn auch im Jugendbuchdebüt der US-Amerikanerin geht es um eine Zeitschleife. So humorvoll wie das allbekannte Murmeltier ist die Geschichte aber nicht. Ernsthaft, tiefgründig und ungeheuer fesselnd erzählt Marisha Pessl von fünf Freunden, die Tag für Tag dieselben elf Stunden durchleben. Nach einem Autounfall stecken sie in der sogenannten Niemalswelt fest, eine Art Zwischenwelt, die sie erst verlassen dürfen, wenn sie entschieden haben, wer von ihnen überlebt.
Die ersten Seiten las ich relativ unbeteiligt… dann kam der Wächter!
Viel Kritik habe ich dieses Mal nicht. Ich brauchte ein paar Seiten, um ein Gefühl für die Geschichte zu entwickeln. Die Autorin setzt ohne lange Erklärungen an einem Punkt an, an dem sich bereits tragische, handlungsrelevante Dinge ereignet haben. Und auch die Charaktere konnte ich zunächst nur schwer einschätzen. Manche sind mir bis zum Schluss fremd geblieben. Trotzdem war ich zunehmend begeistert. Und zwar ziemlich genau ab Ende von Kapitel zwei, wenn der mysteriöse Wächter erstmals auftaucht und die Zusammenhänge klarer werden. Ab da konnte ich das Buch kaum noch aus der Hand legen.
Niemalswelt – zwischen Alptraum und Faszination
Um aus der Niemalswelt zu entkommen, müssen Beatrice, Whitley, Kipling, Connor und Martha nicht nur einen Überlebenden bestimmen, sondern sich auch mit dem rätselhaften Tod ihres Freundes Jim auseinandersetzen. Wie sich herausstellt, gelingt ihnen das nur gemeinsam. Doch leichter gesagt, als getan: Anfangs scheint die Situation völlig festgefahren und die Aussicht auf Einigung in weiter Ferne. Zu verschieden sind die fünf: Beatrice hat den Ruf, nett und lieb zu sein, Martha ist einzelgängerisch und nerdig, Kipling, Connor und Whitley sind exzentrisch bis unberechenbar. Mit der Zeit raufen sie sich zusammen und entwickeln abenteuerliche Pläne. Dabei laufen sie jedoch Gefahr, sich für immer in der Niemalswelt zu verlieren.
Liefert Stoff zum Nachdenken
Die Geschichte ist surreal und abgefahren, ich empfand sie aber nicht als abgehoben. Ich war fasziniert von der Niemalswelt und ihren Gesetzen, den Ideen der Jugendlichen und dem, was sie mit der Zeit herausfinden. Zwischendurch hatte ich meine Zweifel, dass Marisha Pessl alles logisch auflösen kann, war nach den letzten Seiten aber sehr zufrieden mit dem Ende, auch wenn sich einige Zufälle addieren. Tatsächlich habe ich die ersten Kapitel direkt noch einmal gelesen – und ja, für mich ergab alles einen Sinn. Manche Sätze habe ich ebenfalls mehrfach gelesen, weil sie wirklich wunderbar formuliert sind und zum Nachdenken anregen. Ich würde das Buch daher auch nicht der reinen Spannungsliteratur zuordnen.
Fazit: Klasse! „Niemalswelt“ ist surreal, intensiv, spannend und die Idee dazu auf positive Weise krass, verrückt und nachdenklich machend. Abgesehen von kleinen Schwächen bei der Figurenzeichnung habe ich nichts zu bemängeln. Das Buch war für mich ein großer Glücksgriff.
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Niemalswelt von Marisha Pessl
Original: Neverworld Wake
Übersetzung: Claudia Feldmann
Hardcover: 384 Seiten
Verlag: Carlsen
Erscheinungsdatum: 22. März 2019
ISBN: 978-3551584007
Altersempfehlung: Ab 14 Jahren