"Death Note #1" von Tsugumi Ohba und Takeshi Obata , Manga
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Wie Ihr vor ein paar Tagen hier auf „Kathrineverdeen“ lesen konntet,
habe ich einem Treffen der Was-liest-Du?-Community in Dortmund einen Lesetipp
aus dem Mangagenre zu verdanken! Und da muss ich gleich mal beichten: Bisher
habe ich um die Mangaecke mit ihren krakenartigen, teilweise mehrere hundert
Bände umfassenden (und deshalb leicht furchterregenden) Reihen immer einen
dezenten Schlenker gemacht. Der speziellen Ästhetik (grellbunte Cover, große
Kulleraugen) konnte ich bislang nichts abgewinnen. Und wie das so ist mit
Vorurteilen vor Fremdem – es bleibt einem eben auch fremd.

In die Serie „Death Note“ von Tsugumi
Ohba und Takeshi
Obata wollte ich daher erst einmal vorsichtig reinschnuppern. Weil ich mir
nicht sicher war, ob dieses Genre etwas für mich ist, habe ich mir nur das erste
(von insgesamt 12) Bändchen an einem verregneten Samstag in der Bibliothek ausgeliehen.
Eine Stunde später war ich eiligen Schrittes erneut auf dem Weg zur Bücherei,
um mir schnellstens Nachschub zu besorgen. „Death Note“ hat mich
BEGEISTERT und begeistert mich noch immer. Ich weiß nicht, was ich erwartet
hatte, aber keinesfalls so eine mörderspannende
Geschichte – ein Genremix zwischen Fantasy und Detektivroman. Anders,
radikal und vor allem: verdammt genial!

„Death Note“ erzählt die Geschichte von Light, einem der
begabtesten Schüler Japans, die große Hoffnung seiner Familie. Eines Tages
findet Light das Death Note, ein magisches Relikt, das vom Todesgott Ryuk in
die Welt der Menschen gebracht wurde. Wer in das Death Note den Namen einer
Person schreibt, erhebt sich zum Richter über Leben und Tod, denn diese Person
muss kurz darauf sterben. Light fasst den Entschluss, das Buch zum Wohle der
Gesellschaft zu nutzen und die Welt von Verbrechern zu befreien. Innerhalb
kurzer Zeit trägt er hunderte Namen in das Buch ein. Der Tod so vieler
Gewalttäter ruft die Polizei auf den Plan – und mit ihr Japans besten Agenten,
der nur unter dem Pseudonym L bekannt ist. Es
entspinnt sich ein Katz-und-Maus-Spiel zweier hochintelligenter Köpfe – auf der
einen Seite Light, der überzeugt ist, richtig zu handeln, aber immer mehr
Gefallen an der Macht des Death Notes findet; auf der anderen Seite L, der die
Aktionen Lights teilweise ebenso kalt erwidert und getrieben wird von dem
Ehrgeiz, jeden noch so kniffligen Fall zu lösen … was ihm bisher noch immer
gelungen ist.


Die Prämisse ist von vorneherein so stark, dass ich nach
wenigen Seiten emotional an die Geschichte gekettet war. Herz des Plots sind
die schachzugartigen Überlegungen von Light und L, die versuchen, dem jeweils
anderen einen Schritt voraus zu sein bzw. die Züge ihres Kontrahenten voraus zu
ahnen. Auf diese Weise verringert sich kontinuierlich die Distanz zwischen
beiden, was unheimlich fesselnd zu lesen ist. „Death Note“ kommt dabei völlig
ohne Kampfszenen und Action aus, überzeugt dafür mit überraschenden, klugen
Wendungen und vielschichtigen unterschwelligen Fragen, die aufgrund ihrer
immanenten Wertungsfreiheit viel Platz für eigene Überlegungen lassen.

Hatte ich zu Beginn die Befürchtung mit der besonderen
Leseform von Mangas (von hinten nach vorne, von rechts nach links)
Schwierigkeiten zu haben, stellte ich schnell fest, dass mir dies nicht nur
problemlos gelang, sondern die Art der Rezeption, also die Haptik und der
Vorgang des Lesens selbst (ähnlich wie bei guten Büchern und Filmen) komplett
in den Hintergrund trat. Ich versank derart in der Geschichte, dass ich jede
körperliche Wahrnehmung ausblendete und auf Unterbrechungen (zum Leidwesen meiner
Umgebung) äußerst verstimmt reagierte.

Obgleich die zwei Hauptcharaktere beileibe keine Sonnenscheinchen
sind und für ihre jeweiligen Überzeugungen buchstäblich über Leichen gehen, haben
mich die durchdachten, messerscharfen Betrachtungen von L und Light mit beiden
mitfiebern lassen. Einerseits zog mich alles auf die Seite der Gerechtigkeit,
andererseits ist Light ein derart ausgebuffter Charakter, dass man innerlich
den Hut vor der Figur zieht. Light ist ohne Zweifel ein kaltblütiger Mörder.
Aber er ist auch ein wirklich heller Kopf und Teil einer normalen, netten
Familie, deren Unwissenheit und Unschuldigkeit einem ein so qualvolles,
seelischen Ziehen bereitet, dass man insgeheim hofft, ihnen möge der Schrecken
der Erkenntnis erspart bleiben.

Wer aber Wert auf moralisch eindeutig handelnde Figuren
legt, der sollte vom „Death Note“ die Finger lassen. Denn natürlich gibt es
viel herzloses Töten. In diesem ersten Band springen zwar ausschließlich
Randfiguren über die Klinge, aber ich fürchte, das könnte sich ändern. Und doch
lebt die Geschichte von genau dieser Art Radikalität. Der Inhalt richtet sich damit
aber uneingeschränkt an ältere Jugendliche und Erwachsene. Die Altersempfehlung
„ab 15 Jahren“ ist absolut angemessen.

Was die Zeichnungen angeht … habe ich weiter oben von
grellbunter Optik und großen Kulleraugen gesprochen? Ts ts … da muss ich gleich
mal zurückrudern. Die Zeichnungen sind in schwarz-weiß gehalten und die Augen
nicht in der Weise überzeichnet, wie man dies vielleicht von Animes her kennt.
Die Bilder sind häufig auf die Gesichter komprimiert, in denen sich die ganze
Bandbreite der Emotionen spiegelt, so treffend, dass ich Mangas nun mit einem
neuen Blick betrachte und gestern schon ganz andächtig in der Mangaabteilung
eines Buchladens die Zeit vertrödelt habe.

Im Vergleich zu manch einem Comic
gibt es nur wenig Text, so dass man die Geschichte zwischendurch ohne viel
Aufwand wegsuchten kann. Mit wenigen Worten, soviel ausdrücken zu können ist –
unabhängig davon – aber auch eine ganz erstaunliche Leistung.

Für Mangastarter ist „Death Note“ übrigens eine gute
Einstiegsserie, da sie bereits seit zehn Jahren abgeschlossen ist und mit 12
Bänden zu den kürzeren gehört – und zu den bekanntesten. „Death Note“ von Tsugumi
Ohba und Takeshi
Obata wurde bereits mehrfach in Japan für Film und Fernsehen adaptiert,
eine Umsetzung durch Hollywood ist (natürlich!) ebenfalls geplant.

Ich bin aber erst mal
noch mit der Mangaform der Geschichte beschäftigt und schon ganz fix und
fertig, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie diese Wahnsinnsreihe, die alle
paar Seiten mit einer haarsträubenden, immer glaubhaften Wendung daherkommt,
wohl enden mag. Ich halte schlichtweg alles für möglich!

Fazit: WOW!

Death Note #1 von Tsugumi Ohba und Takeshi Obata
Taschenbuch: 208 Seiten 
Verlag: TOKYOPOP 
Erscheinungsdatum: 28. August 2006 
ISBN: 978-3865806116 
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 15 – 17 Jahre

2 Replies to “[Rezension] „Death Note #1“ von Tsugumi Ohba und Takeshi Obata

  1. Hey, das freut mich aber, dass du jetzt auch auf den Mangazug aufgesprungen bist! 🙂 Wie Romane bieten auch Mangas tolle Geschichten und eine große Vielzahl an Genres! Als ich damals meinen ersten Manga gelesen habe, war ich auch zunächst unschlüssig und habe mir den Kopf darüber zerbrochen, ob ich mit dieser "speziellen" Leserichtung überhaupt in einen Lesefluss kommen kann – es stellte sich wie bei dir schnell heraus, dass meine Sorge komplett unbegründet war. 😀

    Death Note ist eine echt tolle Serie, aber ich habe sie nur als Anime geschaut. Falls es dich irgendwann in den Fingern jucken sollte, auch mal einen Anime zu schauen, ist das ein super Einstieg, da es ihn komplett auf Deutsch gibt. Die Story wird noch viel spannender, da vieles unvorhersehbar ist und ich wünsche dir noch gaaaaanz viel Spaß damit! Lediglich gegen Ende war für mich leider die Luft ein wenig raus, was aber an einem bestimmten Charakter liegt… Ohne jetzt spoilern zu wollen: Du wirst schon merken, was ich damit meinte.^^

    Finde es immer wieder toll, wenn "Neulinge" das Medium Manga für sich entdecken und über ihren Schatten springen! 😉 Auf meinem Blog geht es übrigens mitunter sehr viel um Mangas und ich habe schon einige Rezensionen zu kürzeren Serien verfasst. Außerdem veranstalte ich immer mal wieder spezielle Manga-Lesenächte (wäre bald mal wieder an der Zeit). Fall du also mal teilnehmen und ein bisschen mehr aus der Mangawelt kennenlernen möchtest, schau doch gerne mal vorbei! Wir sind in der Lesenacht immer stets einsteigerfreundlich, da schon so manch einer extra mit dem Manga lesen begonnen hat, um daran teilzunehmen. XD

    Langer Kommentar, ich weiß.^^
    Wünsche dir einen schönen Abend 🙂

    Lena von Awkward Dangos

  2. Huhu Lena.
    Na das ist mal ein Kommentar! Grins…
    Ich habe mich schwuppdiwupp direkt mal ein wenig auf deiner Seite herumgetrieben und sehe schon, da kann ich mir meine nächsten Tipps holen. Das "Death Note" kann ich kaum aus der Hand legen, bin inzwischen bei Teil 8 angekommen und jetzt ist gerade etwas passiert… oh Mann, wie soll das nur enden? Es kommen einige neue Charaktere hinzu und ich hoffe sehr, dass es auf demselben genialen Niveau weiter geht.
    Deine Manga-Lesenächte behalte ich im Auge! Ich hatte keine Ahnung, dass es im Manga-Genre so innovativ zugeht. Da gibt es ja richtig cooles Zeug. 🙂
    LG

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