Mit Ursula Poznanski und mir ist es eine seltsame Sache. Bis auf eine einzige Ausnahme („Layers“) habe ich alle ihre Bücher gelesen und freue mich jedes Mal, wenn etwas Neues von ihr angekündigt wird. Nichtsdestotrotz hadere ich seit einiger Zeit mit ihren Geschichten. Und bin auch mit „Thalamus“ nicht rundum zufrieden. Es ist wirklich kein schlechtes Buch. Diese Bemerkung vorab. Unterhaltsam geschrieben sind Poznanskis Thriller ja sowieso alle. Allein ihre unverbrauchten, modernen Themen sind immer einen Blick wert.
Prota mit Köpfchen
Dass die Hauptfiguren der Österreicherin dabei relativ austauschbar sind, kenne ich mittlerweile und es stört mich noch am wenigsten. Ihre Charaktere sind immerhin pfiffig, nehmen den Leser mit in ihre Köpfe und handeln (meistens) nachvollziehbar. Auch Timo in „Thalamus“ ist so ein logischer, sympathischer Typ, dem man gerne bei seinen Erlebnissen über die Schulter blickt. Einer, der aufmerksam ist, analysiert und an den richtigen Stellen Skepsis an den Tag legt.
Einsame Flure
Dreh- und Angelpunkt ist die abgelegene Rehaklinik Markwaldhof, wo Timo nach einem Mopedunfall auf die Beine kommen und sein Sprechvermögen wiederfinden soll. Ein stummer Patient also. Und eine einsame Klinik. Streifzüge durch dunkle Krankenhausflure. Ein nahender Sturm. Bis zur Mitte hatte mich Poznanski!
Die Autorin wendet sich abseits spezifischer Jugendinteressen dem Feld der Neurobiologie zu. Pauschal gesagt, geht es um eine besondere medizinische High-Tech-Behandlung und ihre möglichen Auswirkungen. Poznanski öffnet Türen zu interessanten (und gar nicht mal weit hergeholten) Ansätzen, von denen gegenwärtig niemand weiß, wohin sie führen. Spannend, darüber nachzudenken.
Noch mehr Flure
Lange hat das auch Spaß gemacht. Ab der Hälfte wurde mir die Geschichte einerseits zu unrealistisch, andererseits zu eintönig. Klar, Timos Aktionsmöglichkeiten sind begrenzt. Aufstehen, umherwandern. Da wiederholt sich manches. Konnte ich mich anfangs kaum von den Seiten lösen, musste ich mich bald aufraffen weiterzulesen. Wieder eine Nacht, ein Ausflug in andere Gebäudeteile. Wieder eine Begegnung, ein belauschter Gesprächsfetzen.
Thalamus – Der Fantasie freien Lauf
Bis zum Ende gibt es immer wieder Szenen, bei denen man den Atem anhalten und mitfiebern kann. Aber der Nervenkitzel der ersten Kapitel wird nicht mehr erreicht. Den ultimativen Dämpfer bekam mein Lesehöhenflug, als die Geschichte stark in den Fantastischen Bereich kippte. Die Autorin verlangt einiges an Vorstellungskraft. Manches wirkt wie Science-Fiction, anderes fast wie Fantasy.
Generell hinkt die Logik. Das fängt bei Kleinigkeiten an. Wie etwa der Tatsache, dass Timo seitens der Klinikleitung keinerlei Kommunikationsmittel zur Verfügung gestellt werden, was natürlich Spannung erzeugt, aber schwer vorstellbar ist.
Zurück ins Leben
Ein Wort zu den Nebenfiguren: Hier gibt es einige unkonventionelle Individualisten: Mona, eine gelähmte, toughe Sportlerin, der gutgelaunte Carl, der sensible Jakob. Alle bleiben leider recht blass. Hier hätte ich mir gewünscht, dass Poznanski die Figuren früher zusammenrücken lässt, was Timos einsame Alleingänge etwas aufgelockert hätte.
Da ich die Geschichte abwechselnd gehört und gelesen habe, noch eine Info am Rande: Wer nicht zum Buch, sondern zum Hörbuch greift, darf sich immerhin auf eine tolle Leistung von Jens Wawrczeck freuen, der Timos Erlebnisse vorträgt, als würde er alles live mitverfolgen. Grandios!
Fazit: Eigentlich möchte ich nichts anderes, als endlich mal wieder schreiben: Jaaaa, das ist es! Nach „Erebos“ das neue, perfekte Poznanski-Buch! Dieses Mal war von „klasse“ über „langatmig“ und „etwas zuviel des Guten“ für mich leider erneut alles dabei. Wer zuletzt einige Kritikpunkte zu den Romanen der Autorin hatte, wird ähnliche vermutlich auch hier finden.
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„Thalamus“ von Ursula Poznanski
Taschenbuch: 448 Seiten
Verlag: Loewe
Erscheinungsdatum: 13. August 2018
ISBN: 978-3785586143
Altersempfehlung: 14 – 17 Jahre
Interessante und gute Rezension. Ich hatte bei den letzten Jugendbüchern von Ursula Poznanski das gleiche Problem wie du. An Erebos kommt einfach nichts heran. Es könnte aber auch daran liegen, dass die Art und Weise immer ähnlich ist. Daher wäre es interessant Erebos mal wieder zu lesen, um zu sehen, ob es mich immer noch so packt. Ich habe nur noch Teile davon im Kopf.
Nichtsdestotrotz fand ich, dass sich „Thalamus“ wieder mehr an die besseren Zeiten annähert. Nicht ganz, aber etwas 😉 auf meinem Blog habe ich Thalamus ebenfalls rezensiert. Falls du neugierig bist 🙂
Hi Chris,
du hast recht, Poznanskis Stil ist immer sehr ähnlich, unverkennbar. Ich mag ihre Art des Erzählens, daran liegt es nicht. Es ist eher so, dass ich meine, den Geschichten geht teilweise zu schnell die Puste aus. „Elanus“, „Aquila“ und „Thalamus“ sehe ich da auf einem ähnlichen Level. Erst total fesselnd, im Mittelteil viele Wiederholungen und gegen Ende tendenziell zu unwahrscheinlich. Aber das ist nur mein subjektiver Eindruck. „Erebos“ müsste ich auch mal wieder lesen. Ob ich das Buch heute anders wahrnehmen würde? Gute Frage.
Und klar war ich neugierig, hab‘ schon auf eurem Blog vorbeigeschaut! 😉
LG,
Alex