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Als Fan der Besonderen-Reihe, kam ich an „Die Legenden der besonderen Kinder“ nicht vorbei. Ich ergehe mich selten in Lobpreisungen über Aufmachungen, aber allein die Gestaltung lässt mein Herz höher schlagen. Der nostalgische, grün-goldene Einband macht sofort Eindruck und in den verschlungenen Pflanzenornamenten wurden liebevoll inhaltliche Details versteckt. Der Spruch „außen hui, innen pfui“ trifft bei diesem märchenhaften Buchschatz auch zum Glück kein bisschen zu.
Ein ähnliches Konzept glückte bereits Rowling mit ihren „Märchen von Beedle dem Barden“ und auch hier klappt es ausgezeichnet. Zehn Geschichten hat Ransom Riggs seiner Trilogie hinterhergeschickt. Erzählerisch alle im typischen Märchengewand, aber dennoch modern und wendungsreich erzählt, illustriert mit kunstvollen schwarz-weiß Bildern, jedoch ohne
die Fotos und Montagen, die man aus den Büchern kennt. Laut Herausgeber Millard – für Fans kein Unbekannter – handelt es sich um Sagen, mit denen viele besonderen Kinder aufgewachsen sind. Das mit den „Kindern“ ist allerdings so eine Sache. Da die Besonderen-Trilogie ab 14 Jahren empfohlen wurde, dürfen sich eher Jugendliche und Erwachsene angesprochen fühlen, die nichts gegen etwas Skurrilität einzuwenden haben. Schon die erste Geschichte ist bezeichnend. Sie berichtet von dem seltsamen Pakt, den ein Dorf mit einer Gruppe Kannibalen eingeht. Und wie man es von Riggs gewohnt ist, wird es bizarr, unappetitlich und boshaft, ohne ins Bierernste zu schwenken.
Stilistisch lässt sich der Autor schwer festlegen –
Horrorelemente sind bei ihm ebenso zu finden, wie Märchenhaftes und
Satire. Letzteres häufig in kurzen Fußnoten und Millards vereinzelten Ansprachen an den Leser zu finden. Auffallend ist wieder, mit wieviel Fantasie Riggs schreibt. Selten greift er auf Bekanntes zurück, sondern kreiert fleißig selbst. Zum Beispiel Albträume, die sich an Bindfäden aus Ohren ziehen lassen, ein Kind, das die Gestalt des Lebewesens annimmt, das es am meisten liebt, menschliche Inseln, zweifelhafte Superkräfte und vieles mehr. Natürlich fehlt auch die Moral nicht – immer lässt sich eine kleine Weisheit mitnehmen. Oft geht es darum, sich selbst treu zu bleiben, den eigenen Platz im Leben zu finden, bedacht zu handeln. Es geht um Akzeptanz und Toleranz, um Liebe und Mitgefühl und darum, wohin uns Habgier, Stolz oder Hass führen. Riggs schwingt zwar kräftig die märchentypische Moralkeule, wird aber nie schulmeisterlich-anbiedernd, sondern lässt immer wieder ein Augenzwinkern durchblicken.
Wie bei jeder literarischen Sammlung, gibt es Geschichten, die der persönlichen Vorliebe mehr oder weniger entsprechen. Meine Favoriten sind die atmosphärisch dicht inszenierten „Die erste Ymbryne“ und „Das Mädchen, das Albträume zähmen konnte“, als etwas schwächer empfand ich die inhaltlich etwas mauen „Tauben von St. Paul’s“. Gelangweilt habe ich mich allerdings keine Minute und hatte Spaß an den kleinen Bezügen zur Serie, zu finden beispielsweise im letzten Märchen vom Riesen Cuthbert und den besonderen Tieren.
Für Fans ist die Sammlung eine tolle Zugabe. Aber auch Liebhaber des Besonderen, des Skurril-Fantastischen und Morbiden können die „Legenden der besonderen Kinder“ vollkommen ohne Kenntnis der Trilogie konsumieren und anschließend als Blickfang in die erste Reihe ihres Buchregals stellen.
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Die Legenden der besonderen Kinder von Ransom Riggs
Illustrationen: Andrew Davidson
Übersetzung: Silvia Kinkel
Original: Tales of the Peculiar
Hardcover: 208 Seiten
Verlag: Knaur
Erscheinungsdatum: 3. April 2018
ISBN: 978-3426226568