Heute mal etwas Aufmerksamkeit für ein Kultbuch der Abenteuer-Literatur, von dem ich hoffe, dass es noch von vielen Generationen gelesen/gehört wird. Auf unserem Blog besprechen wir regelmäßig Neuerscheinungen. Und bei mehr als 80.000 Büchern, die jedes Jahr auf den deutschen Markt kommen, fällt es nicht schwer, ständig neue, schöne Geschichten zu entdecken. Trotzdem sollten wir auch die etwas älteren Buchschätze nicht vergessen. „Die Brautprinzessin“ von William Goldman habe ich mit 16 Jahren zum ersten Mal gelesen, mit Mitte 20 wieder. Und seitdem es die großartige Lesung von Jochen Malmsheimer gibt, läuft das Hörbuch bei uns in regelmäßigen Abständen, meistens während einer langen Fahrt in den Urlaub.
Ein Abenteuer, nicht weniger, aber mehr
Eine Inhaltsangabe zu schreiben ist gar nicht so einfach: Ist es ein Abenteuerroman? Ja, aber nicht nur. Ist er witzig? Sehr. Geht es um Liebe? Ja, aaaaabber…
Goldman erzählt auf zwei Ebenen. Er beginnt mit der Rahmenhandlung (in der Hörbuchfassung leider monoton heruntergeleiert von „Arzt“ Bela B., der in meinen Ohren eine totale Fehlbesetzung ist). Der Anfang erfordert aber auch in Buchform etwas Geduld: Ein klein wenig ausholend berichtet Goldman, der zugleich sein eigener Protagonist ist, von seinem Werdegang als Schriftsteller. Um seinem Sohn die Liebe zur Literatur näherzubringen, beginnt er, diesem aus dem Buch „Die Brautprinzessin“ von einem angeblichen S. Morgenstern vorzulesen, seiner Erinnerung nach eines der spannendsten Abenteuer aller Zeiten. Beim Erzählen stellt er nun aber fest, dass das Buch unerträglich langweilig ist. Wie das sein kann? Ganz einfach: Sein eigener Vater – der ihm in der Kindheit daraus vorlas – hat offensichtlich viele Passagen frei interpretiert und gekürzt, im Grunde also eine ganz andere Geschichte daraus gemacht.
Wahre Liebe, edle Helden, fiese Bösewichter
Goldman beginnt diese selbst umzuschreiben. Und da setzt der eigentliche Erzählstrang ein, den Jochen Malmsheimer mit einer Stimmenvielfalt vorträgt, die eine wahre Freude ist: Darin geht es um Butterblume, das schönste Mädchen im ganzen Land und um Westley, einen Stalljungen, der ihr treu ergeben ist, um einen sadistischen Prinzen, Degenkämpfe, Giftmischer, Piraten und mehr. Mit viel Humor, wendungsreich und spannend wird ein höchst originelles Märchen erzählt, in dem jede noch so aberwitzige Figur liebevoll gestaltet ist. Dazwischen immer wieder die ironischen Anmerkungen Goldmans zu seinen jeweiligen Änderungen an Morgensterns Vorlage, die es in Wirklichkeit natürlich nie gegeben hat. Als Interaktion mit dem Leser sind diese Zwischenkapitel ziemlich spaßig: Wer zum Beispiel Interesse an einer öden Kussszene hat, die Goldmans Kürzung zum Opfer gefallen ist, der könne den Autor persönlich anschreiben, liest man hier.
Fazit: Ob „Die Brautprinzessin“ konzeptionell noch immer so einzigartig ist, wie 1977, als sie erstmals erschienen ist? Wahrscheinlich nicht. Auch, wenn mir Vergleichbares noch nicht untergekommen ist. Unabhängig davon ist und bleibt das Buch ein großer Spaß und ein tolles Märchen mit unvergesslichen Charakteren, das Alt wie Jung fesselt und zwei Erzähletagen virtuos zu etwas ganz Besonderem zusammenfügt. Mein Sohn liebt diese Geschichte inzwischen ebensosehr wie ich selbst. Die Helden darin sind nicht immer die schlauesten, ebensowenig wie die Bösewichter. Und ob die wahre Liebe am Ende siegt, war selten so ungewiss wie bei Goldman. Gewiss ist nur eines: Dieses Abenteuer ist zeitlos. Lest es! Hört es! Lasst es nicht in der (Buch-)Versenkung verschwinden.
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„Die Brautprinzessin“, ungekürzte Ausgabe von William Goldman
Gelesen von: Jochen Malmsheimer und Bela B.
Audio: 9 CDs, 545 Minuten
Verlag: tacheles!/ROOF Music
Erscheinungsdatum: 22. November 2002
ISBN: 978-3936186079
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