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„Der Tag, der nie kommt“ von Oliver Reps ist eines jener Bücher, die fast unmöglich zu rezensieren sind. Weil es die Absicht des Autors ist, zu überraschen, zu irritieren und aus der Fassung zu bringen. Deshalb ist im Grunde jedes Wort ein Wort zu viel. Wer unbedarft an die Geschichte herangehen will, sollte keine Rezensionen lesen. Auch diese nicht.

Über viele Seiten hinweg ist „Der Tag, der nie kommt“ eine echte Wohlfühlgeschichte. Sie erzählt von einer wunderbaren Freundschaft, von der Liebe zwischen Bruder und Schwester und von einem magischen Ort mitten im Wald, an dem die Protagonisten – der 17-jährige Elias, seine Schwester Evi und Polly, die wie ein Blitz in Elias‘ und Evis Leben einschlägt – einen kurzen, schönen Sommer verbringen.

„Später, auf dem Heimweg, schlug sie vor, dass wir einmal in der Nacht hingehen sollten. Bei Vollmond, um die Waldelfen und Wassernymphen tanzen zu sehen. Denn wenn es Waldelfen und Wassernymphen wirklich gibt, können sie nur an einem Ort wie diesem leben.“ (S. 91)

 

Ein mulmiges Gefühl

Gleichzeitig hat die Handlung von Beginn an einen nachdenklichen, beunruhigenden Unterton, der nicht unbedingt ein Happy End erwarten lässt. Und doch: Auf das, was dann kam, war ich in keiner Weise vorbereitet. Die letzten 40 Seiten sind mir regelrecht um die Ohren geflogen. Ich habe entsetzt dagesessen und sehr lange nachgedacht, das Gelesene neu bewertet und sortiert und trotzdem nach Stunden nicht verdaut.

Der Tag, der nie kommt, der moment, wenn es kippt

Erzählt wird alles von Elias, an nur einem einzigen Abend, was man aber immer wieder vergisst, weil Elias‘ Erinnerungen ständig die Gegenwart durchdringen. Gleich anfangs läuft etwas schief, als bei Elias‘ geliebter Schwester Evi ein aggressiver Tumor im Bein diagnostiziert wird. Elias kommt damit nicht klar, sucht ein Ventil für seine Wut und ist dabei zu kippen. Er tut Dinge, die richtig böse sind. Irgendwann macht er eine Therapie. Von da an wird es besser. Vor allem, als er die 15-jährige Polly kennenlernt, die aussieht wie Uma Thurman, Türkis und das Meer liebt. Als auch seine jüngere Schwester Evi eine starke Bindung zu Polly aufbaut, scheint alles perfekt. Die drei sind unzertrennlich.

am besten zweimal lesen

Durch den sicheren, fließenden Schreibstil, der nicht einen Moment an ein Debüt denken lässt, gleitet man durch die Handlung, an der Seite von Polly, Evi und Filmfan Elias, der oft von seinen Lieblingsfilmen und -figuren erzählt. Das Buch ist voll mit popkulturellen Referenzen, die zwar mehrheitlich nicht unbedingt den Vorlieben der heutigen, jungen Generation entsprechen dürften (u.a. „Matrix“, „Apocalypse now“), aber allesamt sorgfältig und bewusst ausgewählt wurden. Sie fügen sich perfekt in die Handlung ein und werfen zum Teil existentielle Fragen auf. Ab wann ist ein Leben nicht mehr lebenswert?

Man ist vereinnahmt und gefesselt. Bis zum bitteren Ende. Aufmerksame Leser*innen können manches wohl kommen sehen. Ich habe es nicht. Nicht in dieser Weise. Auch heute, einen Tag später, lässt mich die Geschichte nicht los und ich lese einige Passagen ein zweites, drittes Mal. Die Konzeption ist genial. Aber auch hart. Extrem hart. Der Preis für das beste Jugendbuch in den Niederlanden vor einigen Jahren ist sicher gerechtfertigt. Allerdings möchte ich für besonders sensible Leser*innen eine deutliche Triggerwarnung aussprechen.

 

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Der Tag, der nie kommt Gebundene von Oliver Reps
Original: De dag die nooit komt (2018)
Übersetzung: Ulrich Faure
Verlag:360 Grad Verlag GmbH
Erschienen: 13. April 2022
Hardcover: ‎ 190 Seiten
ISBN: ‎ 978-3961857791
Empfohlenes Lesealter: ‎ ab 14 Jahren

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