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Ich liebe Fantasy! Aber mein Problem mit Jugendbüchern
dieses Segments ist, dass sich erfolgreiche Plots in abgewandelter Form zu oft in
anderen Büchern wiederfinden. So stößt man ständig auf das gleiche Grundgerüst.
Das muss ganz und gar nicht immer schlecht sein, aber nach wirklich sehr vielen
gelesenen Fantasyromanen ist die Langeweile bei mir oft programmiert. Deshalb bin ich inzwischen froh
und glücklich, wenn ich in dem Genre auf etwas Neues treffe – was selten vorkommt,
hier aber der Fall ist. „Das dunkle Herz des Waldes“ von Naomi Novik ist … anders!
Es ist ein Mythos, ein Märchen, es ist zugleich hell und düster, zart und
gewalttätig. Es beginnt wie ein kleiner Strudel und entwickelt sich zu einem
reißenden Strom. Obwohl oberflächlich betrachtet viel Altbewährtes
vorhanden sind, bricht die Geschichte mit Erwartungshaltungen und Klischees.
Agnieszka und Kasia sind seit ihrer Kindheit befreundet. Sie
leben in einem kleinen Dorf am Rande eines dunklen Waldes, der ein seltsames
Eigenleben besitzt und gefährliche Wesen beherbergt. Die Bewohner werden von dem mächtigen
Magier Sarkan geschützt, der allgemein nur „der Drache“ genannt wird. Dieser
wählt jedoch alle zehn Jahre ein Mädchen des Dorfes aus und nimmt es mit in seinen
Turm, wo es fortan ohne Kontakt zu Familie und Freunden leben muss. Nach jeweils
zehn Jahren gibt der Drache die Mädchen frei, die dann seltsam verändert
scheinen und nie in ihr Dorf zurückkehren. In diesem Jahr gehören Agnieszka und
Kasia zur Gruppe der Mädchen, aus denen der Drache wählt. Allen scheint klar,
dass Sarkans Wahl auf Kasia fallen muss, die Schönste und Mutigste der kleinen Gemeinschaft. Doch das Unerwartete
geschieht: Der Drache wählt die unscheinbare und ungeschickte Agnieszka aus.
Ich muss sagen, dass ich mir anfangs recht sicher war, wie
sich alles entwickeln würde. Denn, hey … ein junges Mädchen wird von einem
Typen in einen Turm verschleppt, wo es zehn Jahre – allein mit diesem Typen –
ausharren muss. Was bitte soll man da schon denken? Offenbar das Falsche. Denn Naomi
Novik hat mich mehr als einmal überrascht. Obwohl sich Teile der Geschichte wie
erwartet entwickeln, tun sie es andererseits auch wieder nicht. Das liegt
daran, dass die Autorin den Twists sehr ungewöhnliche Ingredienzien beimischt,
diese dann ganz allmählich liebe- und fantasievoll unterfüttert und Stereotype immer
wieder umschifft.
Agnieszka wird nicht zur Liebessklavin von Sarkan und sie bleibt
auch keine zehn Jahre in dem Turm. Stattdessen entwickelt sich „Das dunkle Herzdes Waldes“ zu einem Epos um uralte Fehden, ein gespaltenes Königreich, Geheimnisse
und Magie. Zu dem anfänglichen Rätsel um den Drachen und die Dorfmädchen
gesellen sich mit jeder Seite mehr Puzzlestücke hinzu. Herz der Geschichte ist aber
eine ungewöhnlich starke Mädchenfreundschaft, ein genial-gruseliger Wald und
eine gleichzeitig präsente wie nebensächliche Liebesgeschichte.
Man kann die Story vermutlich ansatzweise als esoterisch
bezeichnen, allerdings auf eine intelligente, keinesfalls plumpe Art. Sehr
angenehm ist, dass Naomi Novik nicht alles bis ins Detail aufdröselt oder mit
pseudoschlauen Weisheiten abhandelt. Viele Schlüsse bleiben dem Leser
überlassen. Selbst im Finale bleiben Fragen offen und lassen Freiraum für die
eigene Fantasie. Obwohl ich nicht das Gefühl habe, etwas nicht verstanden zu
haben, hat sich mir einiges auf eine irgendwie unausgesprochene, eher
empfundene Art erklärt.
Zentrales Motiv ist das Wechselspiel zwischen kühler Logik und
mythischem, inneren Wissen. Naomi Novik beschreibt zwei unterschiedliche Formen,
sich die Welt und ihre Geheimnisse zu erschließen. Während die Magier (ja, es
gibt außer Sarkan noch weitere Zauberer), sich auf klare, gut geprüfte Zaubersprüche
verlassen, schöpfen andere Figuren ihre Kraft aus intuitiver, naturverbundener
Magie, was zu vielen gegenseitigen Zweifeln führt und zu wirklich zauberhaften
Szenen, in denen genau diese Zweifel überwunden werden und beide Magiearten
zusammenfinden. Der sehr bildhafte, lebendige Schreibstil der Autorin trägt
nicht unwesentlich dazu bei. Aber natürlich auch der unheimliche Wald, der als
Setting ebenso faszinierend-dunkel wie märchenhaft ist und geradezu danach schreit,
3D auf die Großbildleinwand zu kommen, liebe Produzenten weltweit!
Agnieszka fand ich richtig gut.
Obgleich sie einen Hang dazu hat, alles in Unordnung zu bringen und kleinere
Katastrophen zu verursachen, ist sie keinesfalls die übliche unsichere Heldin.
Sie macht eigentlich keine große Wandlung durch, sondern ist von Anfang an sehr
bei sich und besitzt trotz ihrer tollpatschigen Art ein natürliches
Selbstbewusstsein, was Sarkan (dem großen, mächtigen Drachen) mehr als einmal
zu schaffen macht, worüber ich dann mindestens ebenso oft lachen musste.
Nach all den Lorbeeren aber einige Zeilen an Kritik. Obwohl mir die Geschichte wirklich extrem gut gefallen hat und ich
zu jedem Zeitpunkt wissen wollte, wie es weitergeht, ist die zweite Hälfte deutlich
schwächer als die erste. Bis zur Mitte baut sich enorm viel Spannung auf,
werden Charaktere eingeführt, kommen Geheimnisse ans Licht und schließlich wird
es ziemlich blutig. Nach dem steilen Anstieg, gibt es dann leider eine endlose
Ebene am königlichen Hof. Hier hätte man deutlich straffen oder einfach den
Schwerpunkt verlagern können. Das Ganze wird recht ausladend. Natürlich gibt es
auch wichtige Erkenntnisse für den Leser, aber daneben leider einige
Wiederholungen und unwichtige Details. Das Gefühl, dass sich die Handlung
zieht, hält dann leider bis zum Ende an.
Lange gegrübelt habe ich über die Liebesgeschichte innerhalb
des Buches. Sie nimmt erstaunlich wenig Raum ein, obgleich sie immer anwesend
ist. Man hätte es wohl auch bei einer innigen Freundschaft belassen können.
Andererseits hat mir die Botschaft dieser Verbindung im Zusammenspiel mit den
beiden sie betreffenden Persönlichkeiten wirklich gut gefallen. Die allerletzte
Szene ist großartig!
Fazit: Ein spannendes, bildgewaltiges, ab der Hälfte etwas ausladendes
Fantasymärchen um einen gruseligen Wald, den Sinn und Unsinn von Kriegen,
Liebe, Freundschaft und Magie! Nach diesem Buch habe ich mir eine Gießkanne
geschnappt und ausgiebig alle Pflanzen in meiner Wohnung gegossen!
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Das dunkle Herz des Waldes von Naomi Novik
Originaltitel: Uprooted
Übersetzer: Marianne Schmidt
Gebundene Ausgabe: 576 Seiten
Verlag: cbj
Erscheinungstermin: 21. November 2016
ISBN: 978-3570172681
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 13 Jahren
Hi Lex!
Das Buch habe ich mittlerweile schon ziemlich häufig gesehen und alle Rezensionen waren richtig, richtig positiv. Darum war ich immer sehr neugierig auf das Buch und auch das, was du darüber schreibst, klingt wirklich sehr verlockend…wobei ich doch etwas zöglerlich bin, wenn die hohe Spannung ab der Hälfte abnimmt. Das ist meist enttäuschend, weil es so gut angefangen hat und man sich dann schnell langweilg, wenn es nicht so gut weiter geht…
Liebe Grüße
Laura
Hallo Laura.
Es ist leider so, ab der Hälfte verliert sich die Handlung teilweise in Ausschmückungen, aber nicht falsch verstehen… es wird nicht komplett langweilig, es gibt nur Passagen, die man meiner Meinung nach kürzer hätte fassen können. Trotzdem kann ich dir das Buch wirklich empfehlen – die märchenhafte Atmosphäre ist sehr besonders. Behalt' es unbedingt im Auge!
Liebe Grüße
Alex
Hallo Alex,
eine gute Rezension, die mich neugierig machte auf dieses ungewöhnliche Buch. Es klingt so ein bisschen märchenhaft.
Deinen Beitrag möchte ich am Freitag für die KW 19 auf meiner Wanderung durch die Welt der Bücherblogs verlinken
Grüße, Daniela
Ich bleibe gerne als Leser
Hallo Daniela.
Schön, dass ich dich neugierig machen konnte. Das Buch ist wirklich ungewöhnlich. Die Autorin bringt Motive aus polnischen Märchen mit ein, was der Geschichte ein sehr besonderes Flair verleiht. Und der Grusel-Wald ist einfach nur genial! Danke für's Verlinken – freu mich!
Liebe Grüße und prima, dass du bleibst 🙂
Alex
Nach deiner Schwärmerei bin ich ja gleich in den Buchladen gestiefelt und habe es mir gekauft. Ich als Natur liebender Mensch bin schon sehr gespannt auf dieses Buch.
LG
Du wirst die Natur danach mit anderen Augen sehen. 😉 Die Geschichte hat fast schon Horrorelemente. Da wird ja auch oft aus etwas ganz Gewöhnlichem, Ungefährlichem etwas fies Furchterregendes gemacht… ein Hotel (Shining), ein Auto (Christine)…. und hier ein Wald! Bei der Altersempfehlung habe ich zwischendurch geschluckt. Aber über der Handlung liegt immer das Märchenhafte.
Liebe Grüße und ich hoffe, dir gefällt's
Oh nein, jetzt habe ich Angst! 😉