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Als ich die letzten Seiten von „Daniel is different“ von Wesley
King gelesen hatte – inklusive des Nachwortes des Autors – musste ich
schlucken. Ich hatte keine Ahnung, dass der Schriftsteller seit seiner Kindheit
an Angststörungen und Zwangshandlungen leidet und Daniels Geschichte somit zum
Teil seine eigene Geschichte ist. Dies erklärte allerdings, weshalb es Wesley King
auf so eindringliche Weise gelungen ist, die Thematik in ein literarisches
Schicksal umzusetzen.
Meine
nächste Reaktion war: lächeln. Ich stellte mir vor, wie der Autor dieses Buch
irgendwann – vielleicht schon vor langer Zeit – einmal geplant haben musste.
Sein Anliegen wird es gewesen sein, möglichst viele Leute, vor allem junge
Leute, für das Thema Angst- und Zwangsstörungen zu sensibilisieren. Wie aber
schafft man das? Das Buch darf nicht zu schwermütig sein, wird er sich gedacht
haben. Es müsste aber dennoch eine gute Vorstellung von dem Leid der Betroffenen
vermitteln. Um Teenager anzusprechen, sollte in der Geschichte wohl Sport vorkommen.
Am besten Football. Superhelden wären gut. Superhelden gehen immer. Dann
natürlich Liebe und Verliebtsein und zuguterletzt sollte das Buch auch spannend
sein, also wäre ein Kriminalfall denkbar. Wenn mir jemand von dieser Idee
erzählt hätte, hätte ich zu bedenken gegeben, dies alles zusammen könnte vielleicht
ein klein wenig zu viel des Guten sein und das Ding ganz schön in die Hose gehen.
Glücklicherweise hat mich niemand gefragt. Denn dieser Mix funktioniert nicht
nur gut, sondern hervorragend.
Daniel ist ‚different’, also anders. Manchmal übernimmt irgendetwas
in seinem Körper die Führung. Er muss dann Dinge zählen und bestimmte Rituale befolgen.
Den Weg bis zur Toilette legt er mit exakt zehn Schritten zurück. Die Zähne
putzt er mit zehn Vertikal- und fünf Horizontalbewegungen pro Seite. Vor dem
Schlafen muss er das Licht fünfmal ein- und ausschalten, manchmal sehr viel
öfter. Weil er selbst nicht so genau weiß, was mit ihm los ist und sich für
seine Andersartigkeit schämt, versucht er diese Ticks vor seinen Eltern und
seinen Freunden Max und Raya geheim zu halten. Ablenkung findet er im Schreiben.
In seinen Geschichten ist Daniel ein Superheld, der die Welt retten muss. Eigentlich
aber möchte er nur normal sein. Dann wird Daniels Leben aus den gewohnten
Bahnen geworfen. Er soll im Footballteam spielen, obwohl er eine sportliche
Niete ist und lieber auf der Ersatzbank sitzen würde, ein Schulball steht an
und aus einer geheimnisvollen Nachricht in seinem Rucksack entwickelt sich eine
ungewöhnliche Freundschaft und vielleicht sogar ein echter Kriminalfall.
Es ist schon seltsam, mit welcher Freude und gleichzeitig
welcher Traurigkeit ich Daniels Geschichte gelesen habe. Wesley King gelingt es,
in einem jugendlichleichten, humorvollen Tonfall ein ausgesprochen ernstes
Thema zu transportieren. Daniels Perspektive, die Perspektive eines 13jährigen,
wirkt an einigen Stellen zwar zu reif für sein Alter, aber seine nervöse,
äußerst sympathische Persönlichkeit wird darin ebenso treffend eingefangen, wie
seine Ängste. Es wird deutlich, wie anstrengend Zwangsstörungen sind und wie
verzweifelt Betroffene ihr ausgeliefert sind. Oft dauert es Stunden, bis Daniel
schlafen kann, immer muss er sein Abendprogramm absolvieren, meist weint er
dabei. Der Leser erfährt von der sehr verständlichen Angst Daniels, verrückt zu
sein und für verrückt gehalten zu werden. Und er erfährt von den irrationalen,
für Daniel aber trotzdem realen Ängsten, jemand könnte sterben, wenn er die
Rituale nicht befolgt.
Das Leid und das Gefühl der Einsamkeit nehmen mit. Jedoch
ist der Autor sehr bemüht, immer wieder zurück zu einem leichten Ton zu finden.
Und das gelingt ihm auch. Die Erzählstruktur ist abwechslungsreich, die
Romanbesetzung liebenswert und erfrischend natürlich. Die üblichen Teenagerzickereien
sucht man hier vergeblich. Positive Charaktereigenschaften wie Mut,
Einfühlungsvermögen und Toleranz überwiegen und finden sich auch in der zweiten
Reihe der Buchfiguren wieder, Raya, Max, Sara und Emma. Die Erzählweise
erinnerte mich daher zeitweise an Emma Mills „Jane und Miss Tennyson“ – auch
aufgrund Footballthematik, die mir an manchen Stellen etwas zu detailliert
ausgefallen ist, jedoch ihren Zweck innerhalb der Geschichte erfüllt. Außerdem
werden (US-)Jugendliche dies möglicherweise etwas anders sehen.
Zur Handlung soll nicht viel mehr verraten werden, denn es
macht ernorm viel Spaß, sich von Wesley King durch eine ebenso originelle wie
bewegende Geschichte führen zu lassen, in der Freundschaften ganz groß
geschrieben werden und Andersartigkeit das Stigma des Pathologischen genommen
wird. Daniel mag an einer Krankheit leiden, andererseits aber ist er eben auch
ein ganz normaler Junge – ein sehr talentierter obendrein.
ich schon, dass das Buch auch spannend ist? Liebe kommt auch drin vor. Und
Superhelden!
Es lässt sich nur hoffen, dass dieses Buch den Weg in die
Hände möglichst vieler Betroffener findet, denn auf charmantere Weise kann man
eigentlich nicht Mut machen und Trost spenden. Der Autor selbst hat sich
übrigens erst mit knapp 30 Jahren Hilfe gesucht. In seinem Nachwort ruft er
dazu auf, sich sehr viel früher anderen Menschen zu öffnen und sich auch Ärzten
und Selbsthilfegruppen anzuvertrauen. Denn wie schlimm es sein kann, wenn man
dieses Paket alleine trägt … davon (und von sehr viel mehr!) erzählt „Daniel is different“. Ein Buch für Betroffene, aber auch ein Buch für alle, die gerne
ungewöhnliche Geschichten lesen.
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Folgende Links kennzeichne ich gemäß § 2 Nr. 5 TMG als Werbung
Daniel is different von Wesley King
Originaltitel: OCDaniel
Übersetzer: Claudia Max
Gebundene Ausgabe: 304 Seiten
Verlag: Magellan
Erscheinungstermin: 18. Januar 2017
ISBN: 978-3734847103
Vom Hersteller empfohlenes Alter: 12 – 15 Jahre
Ich finde es großartig, dass der Autor sich getraut hat, sich durch diese Geschichte zu offenbaren. Es ist ja kein Thema über das man gerne spricht.
Ich fühlte mich beim Lesen deiner schönen Rezension aber auch etwas an "Mit anderen Worten: ich" erinnert. Das solltest du unbedingt lesen 🙂
LG
Ah, die Handlung deines Buchvorschlags klingt ja ganz ähnlich. Kommt auf die WuLi! Und ja, ich finde es auch mutig und wichtig, mit solchen Tabuthemen an die Öffentlichkeit zu gehen. Wenn es dann noch so unterhaltsam geschieht wie in diesem Falle, kann man dem Buch wirklich nur die Daumen drücken, dass es von vieeelen gelesen wird.