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Er schreibt unter einem Pseudonym, das allein schon sommerliche Assoziationen aufruft: nach der salzigen Brise des Atlantiks, nach erfrischendem Cidre und köstlichem homard à l’armoricaine. Warum will er seinen Namen nicht preisgeben? Vielleicht, weil er seinen guten Ruf als homme de lettres mit dem Bekenntnis zur Autorschaft von Krimis gefährdet sieht? Das müsste nicht sein. „Bretonisches Gold“ ist ein amuse-gueule der Krimi-Szene. Á ta santé, Jean-Luc Bannalec!
Hinter dem einladenden Cover mit dem sprechenden Titel entspinnt sich ein neuer Fall für Kommissar Georges Dupin. Der ermittelt im südlichen Finistère zumeist verdrießlich – zudem mal mehr, mal weniger mit Zustimmung seines Vorgesetzten. Das verwundert allerdings nicht, denn Dupin wurde aus Paris in die Provinz strafversetzt und erliegt dem eigenwilligen Zauber von Land und Leuten, und vor allem dem, was sie an kulinarischen Köstlichkeiten zu bieten haben. Eher unfreiwillig ist Dupins Verstrickung in den Fall. Auf dringliche Bitte einer befreundeten Journalistin macht er sich auf in die zwischen der Mündung der Loire und der Vilaine gelegenen Salzgärten. Dass Dupin seinen Bezirk, das Commissariat de Police Concarneau, verlässt und nun dem abstrusen Hinweis einer investigativen Schnüfflerin nachgeht, ist dem Gourmet in ihm zu verdanken: In Le Croisic wartet im Le Grand de Large eine in gesalzener Butter goldbraun gebratene Seezunge auf ihn.
Man lernt in diesem Krimi viel über die bretonischen Gaumenfreuden. Vor allem natürlich über Salz. Seit dem zwölften Jahrhundert wird in der bizarren weitflächigen Salinenlandschaft der Guérande von den Paludiers, den Salzbauern, das Fleur de Sel gewonnen, das „weiße Gold“. Dessen Veilchenaroma verbindet sich mit dem Geruch schwerer Tonerde und dem Salz und Jod des Meeres zu einem so betäubenden Duft, dass er Halluzinationen hervorruft. So jedenfalls erzählt man sich in alten bretonischen Legenden, die auch Dupins Mitarbeiterin, Nolwenn, wachhalten. Ganz konkret sind dagegen die Schüsse, die auf den verdutzten Kommissar abgefeuert werden. Sie bilden den Auftakt zu einem kurzweiligen Kriminalfall, der sich im menschlichen Koordinatensystem von Habgier und Leidenschaft entwickelt.
Das ist eigentlich ein triviales Setting. Aber die Erzählkunst „Bannalecs“ entfaltet einen Krimi, der den Leser sinnlich verführt: Man möchte auf der Stelle losreisen, um die Salzgärten der Guérande-Halbinsel und ihre Geschichte zu erforschen. Man möchte romantische Wäldchen mit romantischen Namen durchstreifen. Man möchte rund um den Golf du Morbihan durch die kleinen Hafenstädte bummeln und bei einem petit café und einem pain au chocolat verweilen. Ja, das vor allem: Dort möchte man sitzen, dort in einem bretonischen kleinen Restaurant am Meer, das Flimmern und Pulsieren des Sternenhimmels beobachten, dem Schlagen der Wellen zuhören. Eine Kleinigkeit essen, vielleicht ein Tartare de lieu jaune. Dazu einen gekühlten Wein schlürfen mit einem so klingenden Namen wie Muscadet, Anjou oder Quincy.
Ein großer Reiseverführer ist dieser Jean-Luc Bannalec, fürwahr! Die Bretagne könnte sich keinen bess’ren Botschafter wünschen. Doch die Konkurrenz schläft bekanntlich nicht. Und so ist gerade ein Krimi erschienen, der in der lieblichen Provence spielt. Wieder unter Pseudonym. Die suggerierte weibliche Autorschaft zielt offenbar auf ein im Vergleich zum „Bretonischen Gold“ eher weibliches Lesepublikum mit ein wenig schlichteren Ansprüchen an Charaktere und Plot. Boshaft gesprochen: Der Krimi würde sich gut als Fortsetzungsroman in einer Frauenzeitschrift eignen, in der mehr Wert auf ein raffiniertes sommerliches Outfit gelegt wird als auf eine clevere Story. Dabei ist die Erzählweise elaboriert und sind die Morde – sorry – ganz witzig: Sie folgen Kochrezepten. Allein, es kommt, wie‘s kommen muss: Zu guter Letzt erwirbt der Kommissar einen heruntergekommenen Bauernhof inmitten der Weinberge, darin zu wohnen mit seiner Liebsten!
Nun gut, das mag in Zeiten von „Schöner Wohnen“ und „Landleben“ noch angehen. Sollte sich aber hinter „Sophie Bonnet“ jemand anderes verbergen als – sagen wir – „Jean-Luc Bannalec“, dann ist der Krimi, mit Verlaub, eine Frechheit. Sollte sich aber hinter beiden Pseudonymen ein und derselbe Autor verstecken, dann ist es, mit Verlaub, eine Dummheit, ein Erzähltalent mit solch provenzalischem Aufguss zu verschleudern. Die Parallelen in der Machart sind allzu offensichtlich. Wie in der Bretagne ermittelt in „Provenzalische Verwicklungen“ ein kantiger Kommissar, der in Paris Zoff mit dem Vorgesetzen hatte und nun, von den Einheimischen beargwöhnt, ein bescheidenes Dasein als Chef der police municipale fristet. Seine Leidenschaft? Ungebeten ermitteln. Kulinarische Köstlichkeiten der Provence. Dass wir uns in Frankreich befinden, bemerken wir spätestens am angehängten Dossier. Policier = Polizist. Domaine = Landgut. Mouton rôti = Hammelbraten. Mon Dieu! = Mein Gott! Bof! = Blabla! Merde nochmal!
„Bretonisches Gold. Kommissar Dupins dritter Fall“ von Jean-Luc Bannalec
Klappenbroschur: 352 Seiten
Erscheinungsdatum: 15.05.2014
Verlag: KiWi
ISBN: 978-3-462-04622-9
„Provenzalische Verwicklungen. Ein Fall für Pierre Durand“ von Sophie Bonnet
Klappenbroschur: 320 Seiten
Erscheinungsdatum: 17.03.2014
Verlag: blanvalet/Randomhouse
ISBN: 978-3-462-04622-9