In der fünften Folge unseres Halloween-Specials wird es nun richtig schön schaurig, denn heute möchte ich euch nicht nur einen gruseligen Buchtipp präsentieren, sondern gleich mehrere – alle im klassischen Sinne der englischen Schauerliteratur (gothic fiction / gothic novel) des 19. Jahrhunderts. Wer immer auf der Suche nach Gänsehautlektüre ist – wie ich -, kommt nicht am britischen Autor, Illustrator und Cartoonist Chris Priestley vorbei, der immer wieder aufs Neue mit seinen unheimlichen Geschichten überzeugt. Längst ist es überfällig, dass Priestley auf unserem Blog erwähnt wird und heute darf er endlich mit Pauken und Trompeten – oder sollten wir sagen, mit Gespenstergeheul und Klageseufzern? – in unser Shelf of Horrors einziehen.
Verfallen bin ich Priestley seit „Onkel Montagues Schauergeschichten“. Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen, bin ich generell kein Verächter von Kurzgeschichten und finde sie im Horror-Genre besonders passend, da eine gruselige Atmosphäre durch allzu ausufernde Erzählungen sogar gefährdet werden kann. Obendrein war ich schon als kleiner Zwerg auf Schauerlektüre aus und habe Gruselgeschichten-Sammlungen aus den elterlichen Regalen stibitzt. Auf diesem Grund kenne ich natürlich inzwischen die klassischen Geschichten von Poe, Fontane und Co und freue mich immer über neue – aber stilmäßig entsprechende – Lektüre. Hier ist Priestley ein Meister seines Fachs. Subtiles Grauen, dunkle Wälder, Gespenster, Besessenheit, unheimliche Artefakte – was auch immer man mit „Horror“ assoziiert – in Priestleys Schauergeschichten hat alles seinen Platz. Sicherlich gibt es – je nach Lesergeschmack – stärkere und schwächere Erzählungen; in ihrer Gesamtheit überzeugen sie jedoch auf ganzer Linie. Die ganz unterschiedlichen Geschichten sind in jedem Band in eine große Rahmenhandlung eingebettet, die nach der letzten Story aufgelöst wird. Jeder Band kann unabhängig voneinander und in unterschiedlicher Reihenfolge gelesen werden. Nach „Montagues Schauergeschichten“ las ich den Folgeband „Schauergeschichten vom schwarzen Schiff“, der mir thematisch (ihr könnt es euch denken: Meer, Piraten, Geisterschiffe, Sturm, wogende Wellen) fast noch mehr zusagte als der ohnehin grandiose Erstling. Danach folgten „Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels“ und schließlich Priestleys Roman „Dead Eyes – Der Fluch der Maske“, über das ich nun etwas ausführlicher berichten möchte.
Alex reist mit seinem Autoren-Vater nach Amsterdam, wo dieser einige Verlagsangelegenheiten klären muss. Damit Alex derweil nicht allein ist, soll die hübsche Tochter der Verlegerin auf ihn aufpassen. Das klingt alles zunächst super öde – doch mit der Zeit wird Alex vom Charme der Stadt (oder vom Charme Angeliéns?!) in den Bann gezogen und beginnt sich für die Geschichte des seltsamen Hotels, in dem er und sein Vater eingekehrt sind, zu interessieren. Auf einem Antiquitäten-Flohmarkt entdeckt er schließlich eine unheimliche Maske, die auf ihn eine magische Anziehung ausübt und zu den anderen gruseligen Artefakten des Hotels zu passen scheint. Er und Angelién, die über das historische Amsterdam promoviert, machen sich auf die Suche nach Antworten und entdecken ein Tagebuch, das schaurige Informationen zu Tage fördert – doch da schwebt Alex bereits in größter Gefahr…
Besonders gelungen ist die Atmosphäre der Geschichte. Amsterdam – das alte und das neue – wird vor dem Auge des Lesers lebendig. (So sehr, dass ich mir zwischendurch Pfannkuchen machen musste – ich konnte sie die ganze Zeit riechen!) Das fortschreitende Grauen durchbricht dabei subtil das vermeintliche Bilderbuch-Image der Stadt. Und auch Alex, Angelién und Co sind erfreulich glaubwürdig und menschlich – keine realitätsfremde Liebesbeziehung, kein Heldentum und vor allem (k)ein Happy End?! Das Ende des Roman ist jedenfalls nichts für schwache Nerven oder Leser, die nur mit einer Friedefreudeeierkuchen-Stimmung einschlafen können. Mag der – für ein Kinderbuch ungewöhnliche Schluss – zunächst wie ein Bruch mit dem Jugendbuch-Genre anmuten, wird bei genauerem Nachdenken deutlich, dass es sich hierbei sogar um das Gegenteil handelt: um eine Liebeserklärung – allerdings eine Liebeserklärung an die Schauerromantik, wo Geschichten eben mit dem Zoom in die dunkle Ecke enden und somit infrage stellen, ob das Böse tatsächlich (jemals) verschwunden ist. Vor allem deswegen hat Priestley sich seinen Platz in der in der Reihe der Großen des Genres verdient und trägt seinen Namen als „Grusel-Experte“ mit Recht. Ein tolles Abenteuer für mutige Leseratten ab 12 – oder Fans wie mich.
Alle, die meine Liebe zur Gruselliteratur teilen, sind mit Priestley gut beraten. Wer es weniger ausführlich und weniger kindgerecht mag, der greife zu den Schauergeschichten, die im Übrigen dank der überaus stimmungsvollen Zeichnungen von David Roberts ein Augenschmaus für jeden Bibliophilen sind und sich auch wunderbar als Geschenk für Liebhaber eignen. Auf mich wartet schon der nächste Roman des Meisters, bei dem es sich um eine Adaption des berühmten Frankenstein-Mythos handelt: „Mister Creecher“. Ich werde berichten – also bleibt dran!
Von Chris Priestley:
Onkel Montagues Schauergeschichten, Band 1, ISBN 978-3827053718, Hardcover mit Schutzumschlag: 224 Seiten (06.02.2010).
Schauergeschichten von schwarzen Schiff, Band 2, ISBN 978-3-8270-5422-7, Hardcover mit Schutzumschlag: 240 Seiten (26.02.2011).
Schauergeschichten aus dem Schlund des Tunnels, Band 3, ISBN 978-3-8270-5502-6, Hardcover mit Schutzumschlag: 256 Seiten (10.03.2012).
Dead Eyes – Der Fluch der Maske, ISBN 978-3-8458-0375-3, Hardcover: 224 Seiten (28.02.2014).
Mister Creecher, ISBN 978-3-7607-9928-5, Hardcover: 416 Seiten (05.02.2013).
Hey Ho,
also die Halloweenbeiträge sind immer wieder sehenswert =)
"Fluch der Maske" ist mir tatsächlich schon ins Auge gefallen und die Schauergeschichten hatte ich auch schon in den Händen. Ich glaube ich muss mir das mal etwas genauer ansehen bzw. reinlesen. Kurzgeschichten sind normalerweise nicht so mein Fall, aber da wir ja häufiger ähnliche Bücher gut finden, kann ein Versuch sicher nicht schaden.
Gestaltet ihr eigentlich die Banner selbst? Die gefallen mir nämlich auch außerordentlich gut 😉
Liebe Grüße,
Esther
Aaah, ich habe dich erst gar nicht erkannt, so ganz teufelsfrei. 😉 Danke für dein Feedback – aus deiner Feder wiegt das Lob natürlich doppelt so schwer. Es könnte aber sein, dass der Jugendroman dann eher dein Fall ist, denn bei Kurzgeschichten scheinen wir unterschiedlich zu empfinden. Wenn du auch die klassischen Schauergeschichten von Poe etc. nicht magst, würde ich an deiner Stelle lieber passen. Aber ja, lies mal rein (du sitzt ja an der Quelle!), das Feeling stellt sich schnell ein.
Die Banner sind alle selbstgemacht (schön, dass es mal jemand bemerkt, haha!) mit lizenfreien Bildern.
Liebe Grüße und ein schaurig-schönes Gruselfest dir!
Ich bin super inkognito unterwegs 😉 Deswegen habe ich subtile Andeutungen eingebaut…
Ehrlich gesagt muss ich mich mal outen, denn ich hab (glaube ich) noch gar nichts von Poe gelesen und habe immer das Gefühl, dass ich das nachholen müsste.
Ich hab heute extra noch mal geguckt und wir haben die Schauergeschichten sogar da (zumindest einen Teil).
Die Banner sind so detailverliebt – echt klasse!
Hab heute auf Arbeit mal in die Fables Comics reingeguckt und das gefällt mir auch richtig gut.
So und nun muss ich mal bei eurem Gewinnspiel vorbeischneien – hab gesehen da gibt es Gruselzeug und das Zombiemassaker müsste sogar auf meiner Wuli stehen :O
Nächtliche Grüße,
Esther
Haha, got it! Fables sagt mir gar nix, glaube ich. Das werde ich gleich mal auschecken. Ich bin gespannt auf deine Meinung zu Priestley! LG