Obwohl der Frühling schon durch das ein oder andere todesmutige Maiglöckchen vertreten wird, hat das dunkle und kalte Wetter Deutschland fest im Griff. Zum Henker aber auch! Und mit dieser subtilen Überleitung sind wir beim heutigen Krinkstag gelandet, an dem ich euch ein Jugendbuch vorstellen möchte, dass junge und junggebliebene Herzen, die wonnigwohlig bei Grusel, dunklen Gassen und märchenhaften Fantasyelementen erschauern, höher schlagen lässt. Folgt dem „Ruf des Henkers“ und begebt euch mit mir auf die Reise ins Endland des 19. Jahrhunderts, wo Henker noch Bösewichte aufknüpfen und tapfere Jungen für das Wohl der Menschheit kämpfen: 
Ruf des Henkers
Copyright: Thienemann
Als im Dorf des jungen Richard Winters der Henker William Calcraft auftaucht, ist die Bevölkerung in Aufruhr, denn es wird das Ereignis des Jahres mit großer Freude erwartet: Ein Mädchen soll für die angebliche Ermordung ihrer Mutter und das Verschwinden mehrerer Kinder gehängt werden – und William Calcraft gilt als ein Henker, der aus so einem Ereignis eine berühmt-berüchtigte Publikumsshow macht. Aber Richard ist von der Unschuld seiner Freundin Elizabeth überzeugt – und so überredet er Calcraft, sie gehen zu lassen. Dieser stimmt zu, aber nicht ohne Richard als Lehrling zu verpflichten. Und so zieht der Pfarrerssohn von diesem Zeitpunkt an als Henkersgehilfe durch das düstere England des 19. Jahrhunderts. Und schon bald häufen sich die Unklarheiten: Calcraft scheint es nicht nur auf Menschen abgesehen zu haben…
Dass sich heutzutage jeder – aber auch wirklich jeder – dazu berufen fühlt, jenseits seines eigentlichen Broterwerbs ein Buch zu schreiben und darin Lieblingshobby, -stadt oder -fantasywelt verwursten zu müssen, ist eine Plage. Dass Björn Springorum diesem Bedürfnis nachgegangen ist, ist allerdings ein großes Glück

für die Leserwelt – vor allem diejenige ab 13 Jahren. Das Abenteuer rund um Richard Winters wird außerordentlich liebevoll und spannend erzählt, die Welt im 19. Jahrhundert mit viel Liebe zum Detail und fraglos guter Recherche präsentiert. Auch stilistisch und sprachlich ist Springorums Jugendroman überraschend ausgefeilt. Das Innenleben der Protagonisten (es wird aus unterschiedlicher Perspektive erzählt) ist glaubhaft bei Jung und Alt, Männlein / Weiblein und Es. Von jungen Lesern verlangt die Geschichte einigen Mut ab, denn stellenweise geht es gruselig und harsch zur Sache – allerdings nie, ohne Moral und Ethik aus dem Blick zu verlieren. Subtil werden Themen wie Todesstrafe, Selbstverteidigung, Verantwortung und Loyalität behandelt und historische Gegebenheiten unterhaltsam und geschickt mit Fantayselementen verwoben. 

Für etwas ältere Leser wird sich der ein oder andere Plottwist als vorhersehbar herausstellen – auf einige Vorausdeutungen hätte zugunsten der Spannung definitiv verzichtet werden können. Und auch einige Bösewichte müssten nicht gar so offensichtlich gezeichnet werden. Obwohl diese kleinen Mängel etwas zum Spannungsschwund in der Erwachsenenleserschaft beitragen, birgt die Handlung nichtsdestoweniger auch für geübte Leser die ein oder andere Überraschung.

Wer Lust hat auf ein Jugendbuch mit einem wunderbar erzählten, gelungenen Mix aus historischem Roman, Gruselabenteuer und Fantasy, der sollte nicht zögern, bei Björn Springorums Schauergeschichte zuzugreifen. „Der Ruf des Henkers“ bietet Spaß und Spannung für die ganze (mutige) Familie, hält Werte wie Freundschaft und Liebe hoch und lädt zur ein oder anderen Diskussion über mittelalterliche Gesetze und Fakten/Fiktion der englischen Geschichte ein (großartig auch die Notiz über den wahren Calcraft!). Ich hoffe, dass wir aus der Feder dieses Autors noch viele (abgeschlossene) Geschichten zu lesen bekommen werden – mögen seine Recherche und Detailliebe immer so sorgfältig bleiben!

„Der Ruf des Henkers“ von Björn Springorum
Ab 13 Jahren
Hardcover: 352 Seiten
Erscheinungsdatum: 15. Februar 2016
Verlag: Thienemann
ISBN: 978-3-522-20216-9

5 Replies to “[Rezension] „Der Ruf des Henkers“ von Björn Springorum

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