Copyright: Ullstein |
p { margin-bottom: 0.25cm; direction: ltr; line-height: 120%; text-align: left; orphans: 2; widows: 2; }
1934 wird das Verlagshaus Ullstein von den Nazis enteignet. Nach Amerika emigriert, wagt Hermann Ullstein, einer der fünf Söhne des jüdischen Gründers Leopold Ullstein, einen Blick zurück und veröffentlicht 1943 in New York „Rise and Fall of the House of Ullstein“. Jetzt hat es Geoffrey Layton, sein Großneffe, ins Deutsche übersetzt.
1933 steht der Name Ullstein für ein Medienimperium aus Tages- und Wochenzeitschriften. Neben der Berliner Morgenpost und der B.Z. am Mittag übernimmt die Berliner Illustrirte Zeitung eine zentrale Rolle im modernen Bildjournalismus, und die hochangesehene linksliberale Vossische Zeitung begleitet das politische und kulturelle Leben. Theodor Fontane beispielsweise schreibt Theaterkritiken für „Die Vossische“, und hier erscheint ab November 1928 auch der Vorabdruck von Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“.
Hermann Ullsteins Erinnerungen springen in den Presseball am letzten Samstag des Jahres 1933. Wer etwas darstellt in Berlin, ist anwesend. Aufkeimende Sorgen werden in Champagner ertränkt. Noch ein halbes Jahr später herrscht bei den Zeitungsmachern „die irrige Annahme“, eine gewisse Unabhängigkeit wahren zu können, wenn sie unpolitisch blieben. Das dies nicht möglich sein würde, wird spätestens mit Beginn der Judenpogrome klar: Marodierende Meuten ziehen mit antisemitischen Parolen durch das Verlagshaus – unter dem Beifall von Mitarbeitern. Ullstein resümiert: „Ein Ort, an dem der Verleger es als seine Pflicht ansah, seinen Prinzipien zu folgen, Übeltäter zu entlarven und Ungerechtigkeiten anzusprechen, war zu einer Mördergrube geworden, in der die ungeheuerlichsten Verbrechen beschwiegen wurden.“
„Wie ein Tier“, so erinnert sich Ullstein, stürzt sich Hitler auf die freie Presse, eine der „größten Errungenschaften der Neuzeit“, und instrumentalisiert die Zeitungen zum „Sprachrohr von Knallchargen“. Als Göring seine Memoiren im „Anti-Nazi-Organ“ der Berliner Illustrierten veröffentlicht und damit Goebbels Zorn hervorruft, ist der Vorwand gefunden, den Ullstein-Verlag dem Propagandaministerium zu unterstellen. Das ist das Ende eines großen Verlagshauses.
Zwei ausführliche Kapitel gelten der Geschichte der Weimarer Republik. Zu allen wichtigen Problemen – Friede von Versailles, Reparationen, Rathenau-Mord, Ruhrbesetzung usw. – finden sich interessante, oft anekdotische Beobachtungen, die Ullstein als Mitglied der Unternehmensleitung im Zusammentreffen mit maßgeblichen Politikern machen konnte. Im Zentrum der Ausführungen steht die Presse, und mit ihr geht Ullstein hart ins Gericht: Wie war es möglich, „dass jeder siebte Deutsche ein Produkt der Ullstein-Presse las“ – und Hitler das Gros der Bevölkerung (einschließlich vieler Ullstein-Mitarbeiter) hinter
sich bringen konnte? Zweimal unternahm Ullstein den Versuch, eine größere Anzahl von liberalen bürgerlichen Zeitungsverlegern zu einer gemeinsamen Front gegen Hitler zusammenzuschließen. Das war vergeblich. Aus Angst, Abonnenten zu verlieren, passten sich die Redaktionen an, anstatt sie zu opponieren.
Im Kampf gegen Hitler hat die „fünfte Großmacht“, wie Napoleon die Presse nannte, Ullstein zufolge versagt. Ungenauigkeiten in der Darstellung der historischen Fakten zum Trotz sind die Erinnerungen des Verlegers von hohem dokumentarischem Wert. Manches Detail ist geschönt, gleichwohl bieten die Memoiren einen subjektiv-authentischen Einblick in das Verhältnis von Presse und Geschichte seit der Reichsgründung. Ullsteins Empörung über jene Verbrechen, die an der Presse nach 1933 begangen wurden, teilen sich ebenso mit wie dessen Schmerz um den Verlust des Lebenswerkes: „Es war, als würden wir uns vom Leben selbst verabschieden.“
„Das Haus Ullstein“ von Hermann Ullstein
Originaltitel: Rise and Fall of the House of Ullstein
Hardcover: 304 Seiten
Erscheinungstermin: 11.11.2013
Verlag: Ullstein Buchverlage
ISBN: 9783550080463
One Reply to “[Rezension] „Das Haus Ullstein“ von Hermann Ullstein”