Liebe Leseratten, heute habe ich etwas für die Thrillerfreunde unter euch, und zwar gleich zwei Buchbesprechungen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – kurioserweise aber den schriftstellerischen Ergüssen der selben Autorin zu verdanken sind. Diese trägt den Namen Mo Hayder und schreibt seit der Jahrtausendwende Krimi-Bestseller. Etwa zehn Bücher sind seitdem ihrer Feder entsprungen – oder zumindest auf dem englischen Buchmarkt gelandet und ins Deutsche übersetzt worden, darunter sieben aus der sogenannten Jack Caffery-Reihe, die sich um den titelgebenden leitenden Ermittler dreht. Handlungsort ist die englische Gegend um Bristol.
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Obwohl ich die Krimitante dieses Blogs bin (oder vielmehr war – dieser Rang wurde mir inzwischen von unserer bezaubernden Kate abgelaufen), hatte ich bis vor kurzem noch keine Gelegenheit, mir ein Bild von den Qualitäten Mo Hayders zu machen. Dies ist insofern erstaunlich, als dass mich sowohl ungewöhnliche Konstellationen (Autorin / männliche Hauptfigur) als auch Handlungsort (Großbritannien) und Genre (Psychothriller / Splatter) generell reizen. Dass ein Perspektivwechsel der Geschlechterrolle einer Geschichte zugute kommen kann, haben bereits Cody McFadyen (Smokey Barrett) oder Val McDermid (Tony Hill) bewiesen. Auch Mo Hayder versteht es, ihrem Ermittler Jack Caffrey das gewisse Etwas zu verleihen. Abgesehen von der Konstellation richten sich ihre Krimis allerdings nach dem altbekannten Muster: ein Charakterkopf ermittelt in brutalen (Serien-)Mordfällen, Handlung wird aus wechselnder Perspektive geschildert, Mörder ist nie die Verdachtsperson (sondern die, die man am wenigsten erwartet, weswegen man sie nach 1/3 der Handlung ermitteln kann), jeder Fall behandelt ein anderes (tagesaktuelles) Thema, die Rahmenhandlung aller Bände dreht sich um einen ungelösten Fall aus dem persönlichen Bereich des Protagonisten, das Liebesleben des Protagonisten wird von Band zu Band ein kleines Stückchen weiterentwickelt. So weit, so gut.
Meine erste Hayder-Lektüre war „Die Puppe“ (2014), der sechste Band der Reihe. Erzählt wird hauptsächlich aus der Sicht Cafferys, einer seiner Kolleginnen und einem Psychiatriemitarbeiter, in dessen Wirkungsstätte sich seltsame Dinge ereignen: Hysterie entwickelt sich auf der Station als Gerüchte über einen Spuk laut werden. Als Insassen anfangen, sich selbst zu verletzen und ein psychopatischer
Mörder entlassen wird, ist der Spuk realer als gedacht. Gleichzeitig untersucht Jack Caffery einen Mordfall, der lange zurückliegt und ungeklärt geblieben ist. Obwohl er eine Ahnung hat, was passiert sein könnte, benötigt er zum Abschluss der Ermittlungen die sterblichen Überreste des Opfers.
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Von den üblichen Klischees abgesehen, war ich äußerst positiv überrascht: Rasanter Schreibstil, überaus interessante Figuren und ein düster-atmosphärisches Setting konnten mich umgehend für sich gewinnen. Obwohl mir nach ein paar Seiten klar war, worauf die Entwicklung der Geschichte hinauslaufen musste, bereitete die Lektüre großen Spaß. Der Leser wurde zum Miträtseln eingeladen und die Spannung durch Cliffhanger nach jedem Abschnitt gesteigert. Beide Fälle stehen für sich und hängen doch zusammen, sodass sich am Ende ein stimmiges Bild ergibt. Einige der Figuren wachsen derart ans Herz, dass man sich einen wiederkehrenden Auftritt in einem der nächsten Bände wünscht.
Leider treten ebendiese Figuren nicht in dem nächsten Band, „Wolf“ (2015), auf – sondern eher die, auf die man hätte verzichten können. Der Plot um Cafferys persönlichen Fall nimmt im „Wolf“ mehr Raum ein und gibt der ohnehin arg anstrengenden Handlung einen bitteren Beigeschmack. Während man bei der „Puppe“ noch die ungeschönte Darstellung und Auseinandersetzung mitGräueltaten bestaunen konnte, kippt die detailliert beschriebene Gewaltausübung im „Wolf“ ins unangenehm voyeuristisch-sadistische. Detailliert möchte man die Handlung gar nicht erst beschreiben, denn es passiert eigentlich nicht viel: Eine Familie wird in ihrem Haus von zwei sadistischen Psychopathen festgehalten und über Tage gequält. Die Taten werden – im wahrsten Sinne des Wortes – quälend lang beschrieben und wirken sich auf die Geschichte eher langatmig als spannend aus. Dazu kommt eine etwas verquast-esoterische Nebenhandlung, die weder so recht zur Geschichte passen will noch umfassend ausgereift wirkt. Die handelnden Personen sind – abgesehen von Caffery – nahezu alle unsympathisch und abstoßend. Ab etwa einem Drittel der Handlung neigt man dazu, die unangebracht qualvollen Stellen mit den unangenehmen Figuren zu überfliegen – und ist dann auch schnell am Ende des Buches angelangt. Das birgt im hiesigen Fall keine Überraschung (auch hier weiß der aufmerksame Leser seit den ersten Seiten, wer eigentlicher Täter sein muss) und kein Happy End. Auch die persönliche Geschichte von Caffery ist deprimierend und tieftraurig.
So begeistert ich von der „Puppe“ war, so ernüchternd wirkte sich der Folgeroman auf mich aus. Selten habe ich in einer derart kurzen Veröffentlichungsspanne bei ein und derselben Autorin so große qualitative Unterschiede feststellen können. Während ich allen, die sich für psychologisch ausgefuchste Thriller interessieren, die „Puppe“ unbedingt empfehlen kann, kann ich den „Wolf“ nur hartgesottenen Fans nahe legen, die der Vollständigkeit halber wissen müssen, wie es mit Cafferys Schicksal weitergeht – aber macht euch bitte aufs Blättern gefasst! Ich bin gespannt, in welche Richtung sich Mo Hayder zukünftig entwickeln wird und erwarte ihren neuen neuen Krimi mit Misstrauen und Vorfreude. Vom Goldmann-Verlag würde ich mir außerdem etwas passendere (und ästhetisch ansprechendere) Cover wünschen.
„Die Puppe“ von Mo Hayder
Band: (Jack Caffery) 6
Originaltitel: Poppet (Bantam Press)
Übersetzung: Rainer Schmidt
Verlag: Randomhouse / Goldmann
Klappenbroschur: 416 Seiten
Erscheinungsdatum: 17. Februar 2014
ISBN: 978-3-442-31306-8
„Wolf“ von Mo Hayder
Band: (Jack Caffery) 7
Originaltitel: Wolf (Bantam Press)
Übersetzung: Rainer Schmidt
Verlag: Randomhouse / Goldmann
Klappenbroschur: 448 Seiten
Erscheinungsdatum: 23. Februar 2015
ISBN: 978-3-442-31307-5
Huhu!
Ich habe "Haut" von ihr gelesen und das war auch noch recht gut gewesen. Aber ich habe die Reihe weder von Anfang an, noch bis jetzt verfolgt. Ich bin bei diesen Reihen immer sehr skeptisch. Irgendwie gefallen mir dann die ersten Bücher gut und dann öden sie mich einfach nur noch an.
Es hat oft den Anschein, als ob nur noch der möglichst hohe Blutverlust der jeweiligen Opfer übertrumpft werden müssten. Irgendwie fehlen mir die Überraschungen und der Nervenkitzel, den man nicht durch viel Blut und heftige Qualen auslöst. Die Smokey Barett- Reihe, die ich komplett gelesen habe, gestaltete sich ähnlich und ich frage mich, warum ich sie noch zu Ende gelesen habe. Zwar gefiel mir die Protagonistin, aber der Rest lies ziemlich nach.
LG Mone
Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich die Meinungen sind. Ich hab "Die Puppe" nach der Hälfte abgebrochen, weil ich es so unglaublich langweilig fand *lach* Ich fand es total blöd mit dem Mord von dem Model, weil ich immer das Gefühl hatte was verpasst zu haben. Und nach der Hälfte war ich immer noch nicht schlauer 😀 Vielleicht war es aber auch einfach der falsche Zeitpunkt für das Buch 🙂
Lg Kerstin
Ich muss mir immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass Mo Hayder 'ne Frau ist; in meinem Kopf steckt hinter dem Namen immer ein Mann, obschon ich mir das eigentlich so einfach merken könnte, denn Frau Hayder hat eine unglaubliche Ähnlichkeit mit meiner Hausärztin. :/ *lol*
LG,
Tanja
Huhu,
ich habe gerade beim stöbern deinen Blog entdeckt und finde ihn wirklich schön und interessant :).
Da bleibe ich gerne auch Leserin ;).
Liebe Grüße
Anie
http://anie1990.blogspot.de/
Hm… die Antwort-Funktion ist leider defekt bei mir. Also auf diesem Wege:
@Mone: Da sagst du was! Der "Blutrausch" stört mich auch gar nicht, wenn der Rest stimmt; aber wenn es im Grunde NUR um den geht, und der Autor/die Autorin sich sonst keinerlei Mühe geben, dann stimmt doch etwas nicht. Bei der "Puppe" gefiel mir gerade der fehlende Splatter und der Schwerpunkt – wie endlich mal das Genre verspricht – auf Psycho: da gab es Nervenkitzel, tolle Figuren, Charaktertiefe etc (aber ich mag Psychatrie-Krimis immer, ich fand im Gegensatz zu vielen anderen auch "Die Anstalt" von Katzenbach super). Beim "Wolf" weiß man ja, was passiert und wer gerade agiert – und das ist dann nur noch öde, kombiniert mit makaber. Muss nicht sein für mich. "Smokey" ist wirklich toll – aber etwas mehr Tiefgang hätte der Reihe auch ganz gut getan. Ging mirübrigens auch bei Beckett so! Sag mir Bescheid, wenn du was Gutes aufgetan hast! <3 LG
@Ker Stin: Schade! Die Model-Geschichte soll gar nicht zum Mitdenken anregen, die ist eigentlich nur "Modeschmuck" gewesen. 😉 LG
@Reading Parrot (toller Name!): Haha! Das ging mir anfangs auch so. Da hast du aber eine schicke Hausärztin, alle Achtung! 😉 LG
@Anie: Willkommen und vielen Dank für deinen netten Kommentar! Ich komme gleich mal gegengestöbert. LG