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Was für eine schöne, bittersüße Geschichte! Mary E. Pearsons romantischen, mit magischem Einschlag angehauchten „Der Kuss der Lüge“ habe ich regelrecht verschlungen. Ein wirklich gelungener Serienauftakt, bei dem ich nur sehr kleine Schwächen empfunden habe. Der Plot etwa ist gut durchdacht, aber hinsichtlich des Tempos nicht immer stimmig durchkomponiert. Dreiviertel des Buches sind sehr ruhig, dafür geht es im letzten Viertel umso dramatischer und gewalttätiger zu. Die Spannungssteigerung setzt also verhältnismäßig spät ein. Gleichzeitig hat dieser Aufbau den Vorteil, dass sich vor allem Hauptfigur Lia wunderbar entfalten kann.
Interessant ist, dass alles ganz einfach beginnt, dann aber immer komplexer wird und Züge eines High-Fantasy-Epos‘ annimmt. Auf diese Weise gelingt der Einstieg außergewöhnlich leicht, begleitet man die morrighesische Prinzessin Lia doch gleich anfangs auf der Flucht vor einer arrangierten Hochzeit mit dem Prinzen von Dalbreck, von dem Lia annimmt, er sei ein alter Tattergreis, der sich von seinem Papa eine Vermählung aufschwatzen lässt. Zusammen mit ihrer besten Freundin Pauline erreicht sie ein Gasthaus, in dem beide unter falscher Identität ein neues Zuhause finden, nichtsahnend, dass ihnen der (Überraschung! extrem gutaussehende) Prinz sowie ein (natürlich) ungemein attraktiver Attentäter aus dem verfeindeten Venda auf den Fersen sind. Beide Männer erreichen kurz nach Lia das Wirtshaus und der Großteil des Buches beschreibt die Annäherung zwischen Lia und einem der beiden Protagonisten.
Einige andere Leser empfanden diesen Teil als recht langatmig. Da stimme ich teilweise zu. Ein paar Seiten habe ich ehrlich gesagt auch überblättert – aber, ich schwöre, nur wenige. Denn es gab immer etwas, was mich neugierig gemacht hat; mal eine kleine Enthüllung, mal ein besonderes Vorkommnis und natürlich die Liebesgeschichte, die eine besondere Brisanz besitzt, weil die Männer sehr genau wissen, mit wem sie es zu tun haben, während Lia keine Ahnung hat. Der Kniff der Autorin, über kurze, anonymisierte Perspektivwechsel, die jeweils mit „Prinz“ oder „Attentäter“ überschrieben sind, auch den Leser zu verwirren und rätseln zu lassen, wer hier wer ist, hat bei mir zwar nicht funktioniert – mir war sofort klar, wo der Hase lang läuft – trotzdem hatte das zögerliche Hin und Her etwas äußerst Fesselndes.
Denn der Prinz ist erstmal stocksauer auf die entflohene Braut und der Attentäter hat seine eigenen dunklen Absichten. Beide haben aber nicht mit Lias Charme gerechnet. Ja, ja, ich weiß, was ihr denkt: Immer diese Liebesdreiecke! Nix da. Zwar kokettiert Mary E. Pearson mit dem Motiv, aber Lias Gefühle schlagen (naja, zumindest bisher) deutlich zu einer Seite aus, was diese ohnehin bereits einnehmende, starke Protagonistin noch sympathischer macht und die Liebesgeschichte vor unnötigem Kitsch bewahrt. Auch andere Charaktere sind realistisch und gut gezeichnet, wenngleich sie keine ungewöhnliche Tiefe entwickeln, was für mich innerhalb des (Jugend-)Genres völlig in Ordnung geht. Unabhängig von den einzelnen Figuren entsteht vor dem Leserauge eine männerdominierte, chauvinistische Welt, in der sich Lia ganz großartig mit Worten und Händen zu wehren weiß, was echten Unterhaltungswert hat.
Sehr gefallen hat mir die liebevolle Kreation der Hintergründe – samt Geschichte, Sprachen und verschiedener Kulturen. Etliche Verwicklungen innerhalb dieser in diverse verfeindete Reiche gespaltenen Welt sind zwar noch etwas unklar, aber der Leser bekommt genug Informationen an die Hand, um sich zurecht finden zu können und ich gehe davon aus, dass die Autorin sich bewusst noch nicht ganz in die Karten schauen lässt, damit es auch in den Folgeteilen etwas zu entdecken gibt – vor allem in Sachen Magie!
„Der Kuss der Lüge. Die Chroniken der Verbliebenen“ war für mich seit langem mal wieder eine richtig schöne Liebesgeschichte, die sich Zeit für die Charaktere nimmt und mit einem komplexen, spannenden literarischen Rahmen aufwartet. Ein Buch zum „Darin-Versinken“ und ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung, die bereits in diesen Tagen erscheint!
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Verlag: Bastei Lübbe (one by Lübbe)
Altersempfehlung: Ab 14 Jahren
Eigentlich war ich ja schon durch mit meiner Entscheidungsfindung. Eigentlich, aber nach deiner Rezi werde ich sie noch einmal revidieren und das Buch lesen. Ich hoffe, es gefällt mir auch 🙂
Liebe Grüße
Ich bin mir fast sicher, es gefällt dir. Und nur Mut bezüglich der Längen… es wird mit der Zeit immer besser. Die ersten Rezensionen zur Fortsetzung klingen auch vielversprechend. Die Taktik, nicht das ganze Potenzial im ersten Band zu verschleudern, könnte sich also auszahlen. 🙂
Hab einen tollen Tag!
Ich werde berichten 😉
Dir wünsche ich auch einen schönen Tag!