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Der Kriminelle Nate McClusky hat sich mit den falschen Leuten angelegt – den Aryan Steel, eine neonazistisch-rassisstische Gang, die in der organisierten Drogenkriminalität nicht gerade zu den kleinsten Fischen zählt. Frisch aus dem Knast, befindet er sich schon wieder auf der Flucht, gemeinsam mit seiner 11-jährigen Tochter Polly, die auf der Todesliste der Aryan Steel steht. Während ihrer Fahrt durch Kalifornien, entwirft Nate einen kühnen Plan. Um Pollys Chancen auf’s Überleben zu steigern, unterweist er sie außerdem in Kampftechniken.
Jordan Harpers „Die Rache der Polly McClusky“ ist Action zwischen zwei Buchdeckeln. Ein Blick in die Leseprobe und die Richtung ist klar. Man kann der Geschichte sicher einiges vorwerfen, eine Mogelpackung ist sie hingegen nicht. Harper ist Autor für Serien wie „The Mentalist“ und „Gotham“ und sitzt bereits am Drebuch für eine Filmadaption. Nates und Pollys Roadtrip kreuzt denn auch die ganze Palette cineastischer Bandenklischees. Biker, Drogen, Waffen, Blut, korrupte Bullen, Knastbrüder mit Namen wie Crazy Craig, Boxer, Magic und A-Rod, Tattoos für jeden begangenen Mord. Dazu – Hollywood lässt grüßen – der aussichtslose Kampf gegen einen übermächtigen Gegner.
Viel Konzentration ist nicht nötig. Perspektivwechsel, kurze Kapitel, keine Längen. „Polly“ liest sich rasant, die Idee hingegen ist nicht neu. Ähnlich gab es sie im Film „Léon – Der Profi“, der dem Autor (wie aus Interviews zu erfahren ist) unter anderem als Vorlage diente. Hier liegt bereits das erste Problem. Zu stark sind Luc Bessons Eindrücke von Killer Léon und der jungen Mathilda Kennern in Erinnerung, um nicht zwangsläufig Vergleiche zu ziehen. Zu ähnlich auch weitere Motive. Der korrupte Polizist, die Drogenmafia, die Unreife von Polly, die mit elf Jahren einen Teddybären mit sich herumträgt (bei Bessons ist es eine Topfpflanze und es ist Léon, der seinem Alter hinterherhinkt). Doch während der Film mit starken Bildern, effektvoller Musik und fähigen Schauspielern den Leser emotional abzuholen weiß, kommt Zwischenmenschliches bei Harper zu kurz.
Auf einer oberflächlichen Ebene weiß das Buch gut zu unterhalten. Lesern mit hohen literarischen Ansprüchen ist vermutlich abzuraten. Vor allem die Beziehung zwischen Vater und Kind gelingt es Harper nicht zu vermitteln. Einmal fürchtet sich Polly vor Nate, ein anderes Mal beobachtet sie fasziniert, wie er Ganoven zusammenschlägt. Im nächsten Moment stellt sie an sich bereits Revolverheldenaugen fest. Der Weg von einem zum anderen Punkt wirkt holprig. Der Teddybär als Alter Ego, über den Polly mit dem Vater kommuniziert und Gefühle ausdrückt, ist eine hübsche Idee, reicht aber nicht aus, um glaubhaft zu erklären, warum sich ein kleines Mädchen innerhalb weniger Seiten von „schüchtern“ in
„badass“ verwandelt. Harpers schneller, eigenwilliger, teilweise rabiater Stil („Ihre Gesichter waren alle Ausdrücke von was soll der Scheiß“) kommt zwar ohne übermäßige Theatralik aus, schafft es aber nicht, die Charaktere aus der Kontur zu lösen.
Ansonsten ist das Buch, was es ist. Eine straighte Geschichte. Die spannendsten Szenen finden sich in der zweiten Hälfte, wenn Nate und Polly ihre Pläne umsetzen, die Gegenseite gereizt wird und sich interessante Wendungen in die bis dahin geradlinig berechenbare Handlung schleichen. Brutal ist sie von Anfang an. Taten werden jedoch nicht quälend lang beschrieben. An vielen Stellen macht Harper einen Schnitt, erspart dem Leser unnötig lange Blicke auf grausame Details.
Unterm Strich: Empfehlung oder nicht? Naja, einem „Terminator“ würde ich auch keine fehlende Tiefgründigkeit vorwerfen. Punktabzug für Polly, ansonsten ist das Buch unterhaltsam. Fans von Actionfilmen sollten einen Blick riskieren. Leseprobe schadet aber nichts.
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Die Rache der Polly McClusky von Jordan Harper
Original: She Rides Shotgun
Übersetzung: Conny Lösch
Taschenbuch: 288 Seiten
Verlag: Ullstein
Erscheinungsdatum: 23. Februar 2018
ISBN: 978-3550081507