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Was, wenn man nur einen einzigen Tag
hätte …
Bei einigen Menschen fragt man sich, was diese eigentlich
nicht beherrschen. So ergeht es mir mit Martin Baltscheit. Denn alles, was
dieses Multitalent hervorbringt, ob nun als Sprecher, Illustrator, Autor, als
Regisseur oder Schauspieler, begeistert ein großes Publikum und wird nicht
selten mit vielen Preisen überschüttet. Kürzlich gewann er wieder einen Preis: hr2
– Hörbuch des Jahres 2014 im Kinderbuchbereich für sein Hörspiel „Nur 1 Tag“.
Das Hörspiel, das ursprünglich ein Theaterstück für Kinder war, beschäftigt
sich mit den sehr bedeutsamen und ernsteren Themen Leben und Sterben.
Schon bevor die kleine Eintagsfliege
geschlüpft, ahnten das Wildschwein und der Fuchs, dass es besser gewesen wäre abzuhauen.
Jetzt sitzen sie mächtig in der Patsche. Denn wie soll man so einem frisch
geschlüpften und bezaubernden Wesen beibringen, das sein ganzes Leben schon
nach einem Tag vorüber sein wird? Und weil diese kleine Eintagsfliege einfach
zu reizend ist, können sich beide nicht einmal mehr heimlich aus dem Staub
machen. Aber die Wahrheit möchte auch niemand aussprechen und so stammeln
Wildschwein und Fuchs eine kleine Notlüge, die es allen etwas leichter machen
soll: Der Fuchs würde den heutigen Tag nicht überleben, weil alle Füchse nie
länger als einen Tag leben. Sehr gerührt beschließt die frisch geschlüpfte Fliege
den Fuchs wieder etwas glücklicher zu machen und plant sein kurzes Leben
inklusive dem ganz großen Glück.
Als ich von diesem Hörspiel las, war ich sehr gespannt
darauf, wie man diese bedeutungsschweren Themen verpacken muss, um sie Kindern
etwas näher zu bringen, ohne sie zu verstören. Ich glaube, Kinder werden in
ihrer Wahrnehmung oft unterschätzt. Und gerade deswegen muss man sensible Themen
wie Sterben und Tod plausibel erklären. Martin Baltscheit tut dies auf
spielerische Art, wie mit diesem Hörbuch, in dem er drei skurrile und
liebenswerte Figuren eine ganz besondere Geschichte erzählen lässt.
Das Hörspiel „Nur 1 Tag“ verknüpft drei Schicksale miteinander
und zwingt die Hauptcharaktere, sich miteinander zu arrangieren. Die Geschichte
wird von der manchmal etwas komplizierten aber sehr lebhaften
Schicksalsgemeinschaft bereichert. Denn jeder dieser drei divergenten
Charaktere bringt seine persönlichen Eigenheiten mit und doch sind sich alle
drei einem Punkt sehr ähnlich: Sie wollen das Leben in vollen Zügen genießen.
Es wird nichts beschönigt oder ausgeschmückt und doch
bekommt man nie das Gefühl, die Handlung sei zu drückend. Manchmal wird es im
Geschehen sehr poetisch und manchmal dominiert ein metaphorischer Stil. Viele dieser
Szenen laden zum Verweilen und Nachgrübeln ein, weil sie immer eine tiefere
Bedeutung haben. Aufgelockert werden diese Momente meist von sehr klaren, manchmal etwas ruppigen und wiederum sehr amüsanten
Unterhaltungen der Protagonisten und einer großen Portion Situationskomik.
Die drei Sprecher dieses Hörspiels wurden meiner Meinung
nach mit viel Geschick ausgewählt. Jeder von ihnen hat seiner Figur Leben
eingehaucht und ihm gewisse Charakterzüge verliehen, die die naturgegebenen
Unterschiede sehr verdeutlichen. Martin Baltscheit spricht den Fuchs. Durch die
Flexibilität seiner Stimme wirkt dieser Charakter etwas unruhig und amüsant,
aber sehr gerissen. Charly Hübner leiht dem Wildschwein seine tiefe und
geruhsame Stimme, die ihm etwas sehr Liebenswertes gibt. Am meisten hat mich
jedoch Annett Louisan als Eintagsfliege überrascht. Bis jetzt habe ich ihre
Stimme nur in ihren Songs wahrgenommen und fand diese ein wenig schrill. Als
kleine Eintagsfliege konnte sie mich mit sehr harmonischen und sanften Tönen
überraschen.
„Nur 1 Tag“ ist ein bezauberndes Hörspiel, das mit viel
Gefühl geschrieben und von allen Akteuren vortrefflich umgesetzt wurde.