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Nachdem ich mich in dem bedeutungsschweren Debüt „Das Leben
ist groß“ von Jennifer duBois` schier unerschöpflichen Talent überzeugen konnte, wusste ich, dass dieser
Roman der Autorin nicht der letzte für mich sein wird. Nach einer
anderthalbjährigen Wartezeit konnte ich mich jetzt auf ein neues Buch aus der
Feder von Jennifer duBois freuen.
Seit dem Jahr 2007 erregt ein Mordfall großes Aufsehen: der
Fall Amanda Nox. Und bis heute gibt dieser Fall der Justiz und vor allem den
Medien Rätsel auf. Auch Jennifer duBois hat dieser Mordfall tief bewegt und sie
dazu inspiriert sich diesem, in ihrem Roman „Ein gutes Mädchen“, literarisch zu nähern. In ihrem neuen Buch erzählt duBois die Geschichte
der amerikanischen Studentin Lily Hayes, die ein Auslandssemester in Buenos
Aires verbringt. Hier möchte sie ihr junges Leben in vollen Zügen auskosten und
die ihr so fremde Sprache erlernen. Als eines Tages ihre Zimmergenossin Katy
Kellers umgebracht wird, steht Lily plötzlich unter Mordverdacht und wird
angeklagt. Während der Staatsanwalt fest an die Schuld von Lily glaubt,
versucht ihre Familie alles Menschenmögliche um ihre Unschuld zu beweisen und
sie aus den Fängen der Justiz zu befreien. Doch ist Lily wirklich das gute und
unschuldige Mädchen, an das ihre Eltern so fest glauben?
Mit dem gewohnt ausgereiften und wortgewaltigen Sprachstil
beschreibt duBois ein Justizdrama um ihre vielschichtige literarische Figur Lily
Hayes. Sie berichtet von den Schwierigkeiten eines Indizienprozesses, in dem
nur eines klar ist: dass Katy Kellers ermordet wurde. DuBois zeigt auf, welche
wichtige Rolle die Medien dabei einnehmen und wie sehr diese das Gesamtbild
durch Kleinigkeiten verzerren und den Prozess beeinflussen.
In diesem Roman bekommen wir Leser die Rolle des stummen
Beobachters zugeteilt. DuBois hat uns mehrere Charaktere zur Seite gestellt,
die uns schonungslos an ihren Gedanken teilhaben lassen. Durch sie erlangen wir
viele verschieden Eindrücke von Lily und dem Tatvorgang. Jedoch bemerkt man
schnell, dass mit jedem neuen Blickwinkel auch ein völlig neues Gesamtbild entsteht.
Wir Leser beobachten, wie der Mord und die Anklage, Lily und die Personen die
sie umgeben agieren lassen. Und erleben, wie sehr diese prekäre Situation einen
Menschen verändern kann und ihn manchmal voreilige Schlüsse ziehen lassen.
Schuldig oder unschuldig? Um das herauszufinden, muss man in dieser
Geschichte eigene Schlüsse ziehen. DuBois führt ihre stummen Beobachter
lediglich an diesen so widersprüchlichen Fall heran. Sie verstreut ein paar
Hinweise, die es miteinander zu verknüpfen gilt. Jedoch sorgen die
verschiedenen Betrachtungsweisen ihrer literarischen Figuren immer wieder für
Zweifel an den mühsam erarbeiteten aufgestellten Theorien.
„Ein gutes Mädchen“ von Jennifer duBois hat mich lange
beschäftigt, nicht nur wegen der Brisanz des Themas, sondern auch, weil es mir
sehr schwer fiel, dieses Buch zu beurteilen. Die Autorin beweist erneut ihr
Talent für die Beschreibung vielschichtiger und starker Charaktere. Sie
besticht durch anspruchsvolle Handlungsstränge, starke Dialogszenen und einem
wortgewaltigen und klaren Sprachstil. Und doch konnte mich die Geschichte nicht
komplett überzeugen. Die Handlung und die Charaktere wirkten insgesamt etwas
kühl und einige Protagonisten durften sich mit ihren Gedanken zu weit in die
Bedeutungslosigkeit entfernen. Dadurch entstanden für mich einige Längen, die
mich von dem Geschehen um Lily und dem Prozess trennten. Hinzu kam, dass ich
mir eine deutlichere Betrachtung der Rolle der Medien gewünscht hätte. Trotz
meiner Kritikpunkte bin ich mir sicher, dass dieses Buch viele Leser überaus
begeistern wird. Auch wenn duBois mich mit diesem Buch nicht völlig für sich
einnehmen konnte, warte ich gespannt darauf, welchem Thema die Autorin sich in
ihrer nächsten Geschichte annehmen wird.
Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Verlag: Aufbau Verlag
Erscheinungsdatum: 18. August 2014
ISBN: 978-3351035747
Eine tolle Rezension: Die Stärken und Schwächen sind überaus hilfreich von dir beschrieben worden! Für mich kein Buch, dass unbedingt gelesen werden muss – dafür die Autorin umso mehr. Mille Grazie!
Danke dir 🙂 Ich bin froh, dass ich dir die Autorin schmackhaft machen konnte, denn diese ist wirklich überaus talentiert. Versuch mal ihr Debüt!
LG
Tolle Rezi, und sehr hilfreich! Irgendwie glaube ich, dass das Buch etwas für mich wäre – bei der Beschreibung klang es für mich so, als wäre es vielleicht etwas Ähnliches wie die Bücher von Gillian Flynn, die ich sehr mag. Die schreibt auch eher kühle Charaktere, aber ich liebe ihren Schreibstil!
Stimmt – danach hört es sich an! Dann magst du sicher auch die Tana French-Krimis, oder?
Hab ich noch nicht ausprobiert! 🙂
Danke 🙂 Ich kenne Flynn nicht, deswegen weiß ich nicht, ob es in diese Richtung geht.
LG