"Dunkle Gewässer" von Joe R. Landsdale, Krimi
Copyright: Klett-Cotta

So, ihr Lieben. Bevor es hier auf dem Blog durch meine Abwesenheit zu gemütlich wird (kleiner Scherz am Rande, Kath hat ja durchaus ihre dystopische Seite), möchte ich mal zwischendurch ein bisschen Splatterfeeling verbreiten. Es gibt einen bekannten und mit allerlei Preisen überhäuften US-amerikanischen Autoren, Joe R. Landsdale, der in seinen Einzel-Kriminalgeschichten (er verfasst auch klassische Hardboiled-Krimireihen) so ziemlich alles vereint, wofür mein Leserherz schlägt: Eine personale Erzählweise (oft aus der Sicht eines Kindes), Erzählort Südstaaten, erzählte Zeit meist Anfang/Mitte des letzten Jahrhunderts zur Zeit der Großen Depression – und Erzählgegenstand eine bewegende Lebensgeschichte mit jeder Menge Leichen. Das klingt jetzt etwas morbid, muss aber unbedingt so hervorgehoben werden, denn wer zartbesaitet ist, der wird mit dem Dahinscheiden der Landsdaleischen Figuren seine Schwierigkeiten haben. Dieser Autor braucht keinen hochausgebildeten forensischen Protagonisten, um die Verblichenen in all ihren Dekompostierungsstadien zu beschreiben – und er ist dabei auch keineswegs zimperlich.

Mein erstes – und bisher meistgeschätztes – Werk von ihm, „Die Wälder am Fluss“ (2011), habe ich vor Jahren als Hörbuch konsumiert und wurde von dieser atmosphärischen Geschichte bis heute nicht losgelassen, denn die Mischung aus Horror-Kriminalgeschichte und texanischem Gesellschaftssumpf ließ mich unablässig zwischen Schnappatmung, nostalgischer Wehmut und tiefer Traurigkeit hin und her springen. Die besondere Stimmung von Landsdales Werken lässt sich mit dem Setting und der Erzählweise von Neil Gaimans „Der Ozean am Ende der Straße“ vergleichen – auch wenn Landsdale auf sämtliche Fantasy-Elemente verzichtet. Auch Filme wie „Stand by Me“ oder „Grüne Tomaten“ kommen einem vergleichend in den Sinn. Wer sich für so ein Setting begeistern kann und vor kompostierenden Überresten nicht zurückschreckt, der sollte sich die Werke dieses Autors (erschienen auf deutsch u.a. bei Dumont, Heyne Hardcore und Klett Cotta) unbedingt mal genauer anschauen.

Ich habe hierfür zu seinem 2013 erschienenen Werk „Dunkle Gewässer“ gegriffen. Nach den ersten paar Seiten stellte ich fest, dass der jungendliche Protagonist tatsächlich eine Protagonistin mit dem Namen Sue Ellen ist – und mit dieser Überrschaung stand für mich fest, dass mich der Autor nicht enttäuschen würde.

Eines Tages findet besagte junge Dame mit ihren Freunden – einem homosexuellen Jungen, Terry, und einem afroamerikanischen Mädchen, Jinx, – im Sabine River die sterblichen Überreste einer offenbar ermordeten Freundin. Auf der Suche nach Gerechtigkeit stoßen die Drei auf Diebesgut aus Banküberfällen und beschließen, der Asche der Toten ihren letzten großen Wunsch zu erfüllen: Nach Hollywood zu gehen. Dazu muss der Leichnam allerdings erst einmal ausgegraben und verbrannt werden – und dann auf einem Floß den Sabine River entlangtransportiert werden. Was sich nach einer Herausforderung anhört, wird zum echten Überlebenskampf, als sich verschiedene Gauner an ihre Fersen heften, um sich das Geld unter den Nagel zu reißen und dafür auch bereit sind, über Leichen zu gehen. Einer von ihnen ist zu allem Unglück der furchteinflößende, sagenumwobene Psychokiller „Skunk“ aus den Tiefen der texanischen Wälder, der seinen Opfern als Trophäe die Hände abhackt. Was von den drei Freunden für eine Horrorgeschichte aus Kindertagen gehalten wurde, ist quicklebendig und hat eine große Machete im Gepäck…

Die Geschichte ist ein Road-Trip der besonderen Art. Die sengende Hitze der texanischen Sonne, die raue Art der ansässigen Menschen, Armut und Überlebenskampf, sorgen für eine trostlose und deprimierende Grundstimmung, die immer wieder durch den Mut, die Freundschaft, den Humor und die Integrität der Kinder unterbrochen wird. Landsdale hat einzigartige Figuren erschaffen, die von ihren Erlebnissen und Verfehlungen geschliffen werden und die einem ans Herz wachsen – oder die man zu fürchten lernt. Vor allem Jinx ließ mich mehr als einmal in den spannendsten Momenten auflachen; ihre Frechheiten und ungeschönten Wahrheiten gehörten zu den erfrischendsten Momenten der Geschichte. 

„Und wenn du frech werden willst, dann solltest du besser wissen, dass das Mädchen, was sie mir gegeben haben, auch irgendwann aufsässig wurde. Ich und sie haben miteinander gerauft, und da hat mein Vater sie an ein fahrendes Sündenhaus verkauft.“ „Ein was?“, fragte Jinx. „Sie haben eine Hure aus ihr gemacht.“ „Da war sie wahrscheinlich erleichert.“ (20. Kap.)

Und auch Landsdales Bösewichte bleiben dem Leser in Erinnerung. Kaum ein Autor schafft es, Killer zu erschaffen, die die harmlosesten oder aberwitzigsten Tiere in ihrem Spitznamen tragen und dabei so furchteinflößend sind, dass man noch nicht einmal darüber nachdenkt, sich über sie lustig zu machen. Schon der „Ziegenmann“ in „Die Wälder am Fluss“ hat mich in meinen Träumen verfolgt, aber „Skunk“ übertrifft in seiner psychopathisch-tierischen Lebensform alle fiktiven Schreckenslegenden.

Störend wirkten auf mich allerdings ein paar Stilmittel, die mir in früheren Werken bisher nicht aufgefallen sind. Die ständigen (metaphorischen) Vergleiche und Redewendungen gingen mir mit der Zeit auf die Nerven, sind aber wahrscheinlich beabsichtigt und auf die Redeweise der Kinder zugeschnitten. Und auch einige Logikfehler der Handlung stehen im Raum. Insgesamt tut das der äußerst spannenden Handlung allerdings keinen großen Abbruch.

Wer auf eine Abenteuer-Geschichte à la blutrünstigem Huckelberry Finn aus ist, der wird „Dunkle Gewässer“ nicht aus der Hand legen, bis die letzte Seite verschlungen wurde. Beim Zelten im Wald würde allerdings selbst ich eine andere Lektüre wählen, wenn man noch ein Auge zu tun möchte. Klare Lesempfehlung!

„Dunkle Gewässer“ von Joe R. Landsdale
Originaltitel: „Edge of Dark Water“
Übersetzung: Hannes Riffel
Erscheinungsdatum: 2. Aufl. April 2013
Verlag: Klett Cotta
Hardcover: 320 Seiten
ISBN: 978-3-608-50131-5

2 Replies to “[Rezension] „Dunkle Gewässer“ von Joe R. Landsdale

  1. Krink! Das geht so nicht! Ich kann doch nicht schon wieder in die Buchhandlung gehen! Deine Rezi ist wieder einmal großartig, und obwohl es überhaupt nicht mein Genre ist, muss ich es jetzt haben! #daswarenganzschoenvieleausrufezeichen!!!!

    LG

  2. Hey,

    mir hat das Buch auch total gut gefallen. Anfangs dachte ich erst noch, da hätte ich aber mehr erwartet, aber ab dem zweiten Teil des Buches habe ich meine Meinung dann doch wieder geändert.

    Ab und zu fand ich es zwar ein wenig übertrieben, aber es hat doch irgendwie alles gut zur Geschichte gepasst.

    "Dunkle Gewässer" war für mich das erste Buch von Lansdale, bisher auch das einzige, habe auf jeden Fall vor, noch mehr von ihm zu lesen.

    Gruß Jessica

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